Energiecharta: Wann steigt Deutschland aus Klimakiller-Vertrag aus?

Umweltinstitut München e.V. fordert Entscheidung – Millionenklagen drohen

Einem Bericht des Handelsblatts vom 25.10.2022 zufolge plante der französische Präsident Emmanuel Macron, gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz den Ausstieg aus dem umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT) zu erklären – so das Münchner Öko-Institut am 26.10.022. Das anhaltende Zaudern der Bundesregierung führte nach Angaben des Handelsblatts jedoch dazu, dass Frankreich den Ausstieg unilateral verkündete. Das Umweltinstitut München fordert daher: Deutschland muss endlich nachziehen und umgehend aus dem Energiecharta-Vertrag austreten.

ETC; Wer aus Kohleabbau aussteigen will, soll zahlen: Braunkohletagebau Welzow Süd – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Dazu erklärt Ludwig Essig, Referent für Handelspolitik am Umweltinstitut München: „Es ist höchste Zeit, dass Deutschland aus dem Energiecharta-Vertrag aussteigt. Nachdem Italien bereits 2016 den ECT verlassen hat, kündigten jetzt Polen, Spanien, die Niederlande und Frankreich ihren Austritt an. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Der Energiecharta-Vertrag blockiert die Energiewende, behindert wirksamen Klimaschutz und kann Deutschland Milliarden an Steuergeldern kosten. Olaf Scholz muss jetzt endlich Haltung als ‚Klimakanzler‘ zeigen und den deutschen Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag veranlassen.“

Der Energiecharta-Vertrag (ECT) ist ein dreißig Jahre alter Vertrag, der Europas Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas zementiert. Er ermöglicht fossilen Konzernen, gegen die Energiewende zu klagen und schränkt damit den Handlungsspielraum der Regierungen ein. Das Umweltinstitut fordert, dass die Bundesregierung sofort aus dem ECT aussteigt und im EU-Rat gegen die Ratifizierung des modernisierten Vertragstextes stimmt.

Klimakiller ECT

Welche Folgen der ECT haben kann, zeigt das Beispiel Italien: Am 24.08.2022 wurde Italien von einem privaten Schiedsgericht zur Zahlung von mehr als 250 Millionen Euro an das Öl- und Gasunternehmen Rockhopper Explorations verurteilt. Das Land hatte 2015 Ölbohrungen in Gewässern vor der Küste verboten. Die Klage war nur aufgrund der sogenannten Sunset-, oder Zombie-Klausel möglich. Denn Italien war bereits 2016 aus dem Vertrag ausgestiegen. Doch dank dieser Klausel sind Klagen noch 20 Jahre nach dem offiziellen Ausstieg in Bezug auf bis dahin getätigte Investitionen möglich. Das Urteil erfolgte nur wenige Wochen, nachdem sich die Vertragsstaaten auf einen leicht modernisierten Vertragsentwurf zum ECT geeinigt hatten. Bereits vor dem Start der Modernisierungsverhandlungen kritisierte das Umweltinstitut diese als kosmetische Behandlung. In einem Briefing legte das Umweltinstitut dar, dass auch der modernisierte Vertragstext eine Gefahr für die Energiewende darstellt.

Europäischer Gerichtshof: ECT-Schiedsgerichtsklausel in innereuropäischen Verfahren illegal

Bereits seit vielen Jahren setzt sich das Umweltinstitut München gegen diese Paralleljustiz ein. So konnte schon 2018 mit einem Rechtsgutachten nachgewiesen werden, dass Investitionsschutzklagen innerhalb der EU gegen europäisches Recht verstoßen. 2021 urteilte dann der Europäische Gerichtshof: Die Schiedsgerichtsklausel des ECT ist in innereuropäischen Verfahren illegal.

Am 01.09.2022 wurde die italienische Regierung von einem privaten Schiedsgerichtzu 250 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt: Italien hat dem britischen Öl- und Gasunternehmen Rockhopper Explorations nicht erlaubt, wenige Kilometer vor der Adriaküste eine Ölbohrinsel zu errichten. Möglich macht dies der Energiecharta-Vertrag (ECT). Das Urteil erfolgt nur wenige Wochen, nachdem sich die Vertragsstaaten auf einen leicht modernisierten Vertragsentwurf geeinigt hatten.

Das Öko-Institut: „Das Urteil ist ein dramatisches Warnsignal an die europäischen Regierungen: Steigen Sie aus dem Energiecharta-Vertrag aus!“ Kürzlich veröffentlichte das Umweltinstitut ein Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass der ECT ist nicht nur klimaschädlich und teuer ist, sondern auch gegen Unionsrecht verstößt. Auch die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen kann dem Gutachten zufolge wirksam angefochten werden.

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