Studie: Spätere Umrüstung von LNG-Terminals zum Import von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak mit großen Unsicherheiten behaftet
Der Bau neuer LNG-Terminals verfolgt das Ziel, die Energieabhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Die damit einhergehende fossile Infrastruktur könnte allerdings den Übergang des Energiesystems zu erneuerbaren Energieträgern und damit die Energiewende behindern. Daher ist die Frage der Umrüstbarkeit dieser LNG-Terminals für eine spätere Nutzung mit erneuerbaren Energieträgern wie flüssigem Wasserstoff oder Ammoniak von besonderer Bedeutung. Eine Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Informtionsforschung ISI im Auftrag der European Climate Foundation (ECF) befasst sich hiermit und kommt zu dem Ergebnis, dass eine spätere Umrüstung von LNG-Terminals zum Import von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak mit großen Unsicherheiten behaftet ist.
Der russische Angriff auf die Ukraine hat neue Fragen nach der Energiesicherheit Europas aufgeworfen, weil die meisten EU-Mitgliedstaaten weiter stark von russischem Erdgas und Erdöl abhängig sind. Infolgedessen sind diese Staaten auf der Suche nach alternativen Gasquellen wie Flüssigerdgas (LNG), das aus Ländern wie den USA, Kanada oder Katar per Schiff importiert wird. Der temporäre Einsatz sogenannter schwimmender Speicher- und Regasifizierungseinheiten (Floating Storage and Regasification Units, FSRU) ist eine flexible Möglichkeit, einen kurzfristigen Gasmangel zu vermeiden.
Der Bau fester LNG-Terminals an Land mit einer voraussichtlichen Lebensdauer bis in die 2040er Jahre hinein werfe allerdings die Frage nach Fehlinvestitionen und eines fossilen Lock-Ins auf, da LNG nicht klimaneutral sei, heißt es in der vom Fraunhofer ISI am 03.11.2022 veröffentlichten Presseinformation und weiter:
Eine mögliche Lösung für die langfristige Nutzung der Onshore-Terminals an Land bestehe in der Umrüstung ihrer Komponenten auf potenziell klimaneutrale Energieträger wie flüssigen Wasserstoff oder flüssiges Ammoniak. Deren physikalische Eigenschaften brächten jedoch bestimmte technische Herausforderungen mit sich und das Know-how über die Umrüstungskosten von LNG-Terminals sei ebenfalls begrenzt.
Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Studie des Fraunhofer ISI „Conversion of LNG Terminals for Liquid Hydrogen or Ammonia“ die technische Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals unter wirtschaftlichen Aspekten mittels einer Literaturrecherche, die durch ein Dutzend Interviews mit Experten aus Wissenschaft und Industrie ergänzt wurde.
Teil-Umrüstung von LNG-Terminals machbar, wenn diese bei Planung berücksichtigt wird
Sowohl Ammoniak als auch flüssiger Wasserstoff stellten die Terminalinfrastruktur vor technische Herausforderungen, so die Studien-Autoren. Ammoniak habe eine günstigere Siedetemperatur als LNG und daher geringere Anforderungen an die thermische Isolation, sei aber korrosiv und giftig. Flüssiger Wasserstoff hingegen habe einen noch niedrigeren Siedepunkt als LNG, könne allerdings Materialversprödung verursachen und gehe aufgrund des Explosionsrisikos mit hohen Sicherheitsanforderungen einher.
LNG-Terminals bestehen aus mehreren Komponenten wie einem Lagertank, Kompressoren und Pumpen. Der Speichertank ist mit Abstand das teuerste Bauteil. Um hohe Neuinvestitionen zu vermeiden, solle die Umstellung auf Ammoniak oder flüssigen Wasserstoff bereits bei der Planung der Terminals berücksichtigt werden, beispielsweise durch die Verwendung kompatibler Materialien wie spezieller Edelstähle, raten die Autoren. Laut Schätzungen ließen sich von den Investitionskosten, die für den Bau des LNG-Terminals ursprünglich angefallen waren, etwa 70 Prozent bei der Umrüstung in ein Ammoniak-Terminal übertragen.
Bei flüssigem Wasserstoff sei neben der Materialkompatibilität eine zusätzliche thermische Isolierung des Tanks erforderlich oder es müsse ein höherer Boil-off in Kauf genommen werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen seien schwieriger abzuschätzen, da es an Erfahrungen mit Infrastrukturen im industriellen Großmaßstab fehle. Durch die hohen Kosten des LNG-Tanks sei jedoch davon auszugehen, dass sich etwa 50 Prozent der ursprünglich in das LNG-Terminal investierten Kosten übertragen ließen, wenn beim Bau des Tanks die Materialverträglichkeit berücksichtigt und ein höherer Boil-off in Kauf genommen werde.
Wechsel zwischen Energieträgern ohne erhebliche Anpassungen nicht machbar
Auch wenn die LNG-Infrastruktur manchmal im Hinblick auf die künftige Verwendung von Ammoniak oder Wasserstoff als „ready/bereit“ gelte, erfordere die Umstellung dennoch erhebliche technische Anpassungen und ziehe zum Teil erhebliche Kosten nach sich, so ein Ergebnis der Studie. Es sei nicht möglich, die entsprechenden Terminalkomponenten gleichzeitig mit verschiedenen Energieträgern zu betreiben oder flexibel von einem zum anderen zu wechseln ohne Anpassungen. Im Falle von Flüssigwasserstoff führten das Fehlen praktischer Anwendungen im großindustriellen Maßstab – es gebe nur einen Prototyp eines Importterminals in kleinerem Maßstab in Kobe, Japan – sowie die geringe oder fehlende Nachfrage bzw. der fehlende Markt für Flüssigwasserstoff zu weiteren Unwägbarkeiten.
Matia Riemer, Ko-Autorin der Studie, unterstreicht die Ungewissheit bei der Frage, ob sich die LNG-Importterminals weiterhin in klimaneutralen Energiesystemen einsetzen lassen: „Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind. Um dieses Risiko gering zu halten, sollte bereits in der Planungsphase der LNG-Terminals ein Konzept für deren Umstellung auf andere Energieträger erstellt und bei der Material- und Standortwahl berücksichtigt werden.“
Realisierbarkeit hängt auch von Standort und Infrastruktur ab
Florian Schreiner, der das Projekt am Fraunhofer ISI koordiniert hat, erklärt: „Die Frage nach der Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals auf Flüssigwasserstoff- oder Ammoniak-Terminals hängt von vielen Faktoren ab: Zum einen ist die zukünftige Nachfrage nach beiden Energieträgern ungewiss und wir benötigen verlässlichere Bedarfsprognosen, um die Planungssicherheit zu verbessern. Darüber hinaus hängt die Machbarkeit auch von individuellen Merkmalen der Terminals und ihren Standorten ab. So können zum Beispiel Industrieparks in der Nähe zum Austausch wertvoller „Energieabfallströme“ beitragen oder bieten Verteilinfrastrukturen wie Pipelines, was ein wichtiges Kriterium sein kann“.
Das Zusammenbringen von Industrie, Infrastrukturentwicklern, Wissenschaft, Politik und anderen Stakeholdern seit daher unabdingbar, um sowohl eine langfristige Festlegung auf die fossile Infrastruktur zu vermeiden, als auch die Planungssicherheit für Investoren zu verbessern, da die Infrastruktur über Jahrzehnte genutzt werde und eine wichtige Rolle im Rahmen des Umbaus des Energiesystems hin zu einer klimaneutralen Zukunft spiele, so Schreiner abschließend.
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