Expertenrat für Klimafragen mit Zweijahresgutachten: Ohrfeige für Regierung
Pünktlich zur 27. UN-Klimakonferenz COP27 im ägyptischen Sharm El-Sheikh (vom 06. bis 18.11.2022) legte der Expertenrat für Klimafragen in der Bundespressekonferez am 04.11.2022 zum ersten Mal sein Zweijahresgutachten vor. Gemäß dem gesetzlichen Auftrag untersucht das unabhängige Gremium in dem Gutachten die bisherigen Entwicklungen der Treibhausgasemissionen, Trends bezüglich der Jahresemissionsmengen und die Wirksamkeit von Maßnahmen mit Blick auf die Zielerreichung nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz.
Hans-Martin Henning vom Freiburger ISE, Vorsitzender des Expertenrats: „Wir sehen, dass ein nahezu kontinuierlicher Zuwachs der Aktivitäten in allen Sektoren einschließlich Rebound-Effekten einer technisch möglichen stärkeren Absenkung der Emissionen entgegenwirkte. Effizienzgewinne wurden durch das Wirtschaftswachstum, größere Wohnflächen oder gestiegene Transportleistungen konterkariert.”
Und Ratsmitglied Thomas Heimer: „Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren. Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten 10 Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und bei Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.“
Etwas einfach macht es sich ein Kommentator der FAZ, immerhin Ressortleiter Politik:
„Die deutsche Klimapolitik läuft auf die Frage hinaus, ob Wirtschaft und Gesellschaft einem Klima-Dirigismus unterstellt werden sollen. Oder akzeptiert Deutschland, dass es alleine das Klima nicht retten kann?“ (Jasper von Alenbockum in der FAZ, 04.11.2022)
Emissionen in 21 Jahren um etwa 27 Prozent reduziert
Basis des Gutachtens, dass künftig alle zwei Jahre vom Expertenrat vorgelegt werden soll, sind Analysen der Entwicklungen in den Jahren 2000 bis 2021. Im vergangenen Jahr verursachten rund 90 Prozent der Treibhausgasemissionen die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude und Verkehr. Im Untersuchungszeitraum konnten die in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase laut Gutachten um 27,3 Prozent reduziert werden.
Allein der Industriesektor müsste seine jährlichen Emissionseinsparungen etwa verzehnfachen, damit die deutschen Klimaziele bis 2030 noch erreicht werden könnten. Im Verkehrssektor müsste der Ausstoß pro Jahr sogar um das 14-fache reduziert werden. (tagesschau.de/klimaziele-deutschland-expertenrat)
Das bisherige Ausbautempo bei Solar- und Windenergieanlagen, Wärmepumpen oder der Elektromobilität wird laut dem Zweijahresgutachten bei weitem nicht ausreichen, um die jeweils anvisierten Ausbauziele der Regierung zu erreichen. Zudem wird deutlich, dass im gleichen Maße der Abbau des fossilen Kapitalstocks im Gebäude- oder Verkehrssektor, beispielsweise von Öl- und Gasheizungen oder des fossilen Pkw-Bestands, notwendig wäre, um die Klimaziele auf diesem Wege zu erreichen. „Gelingt es nicht, die Trendwende hin zu einem schnellen Umbau des Kapitalstocks zu realisieren, wird ein Erreichen der Klimaziele nur möglich sein, wenn weitere Hebel, wie die Aktivitätsentwicklung in Verbindung mit einer entsprechenden Änderung des Konsumverhaltens, ebenfalls stärker adressiert werden“, so die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf.
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