Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung einsetzen

Chancen und Handlungsoptionen

Das Konzept der Ökosystemleistungen bietet eine Möglichkeit, um Natur und Landschaft zu schützen und nachhaltig zu nutzen. In Planungsprozessen kann es genutzt werden, um die Leistungen des Naturhaushaltes sichtbar zu machen, zu bewerten und gegenüber anderen Interessen abzuwägen, um so transparentere Grundlagen für Entscheidungen bereitzustellen. Ein Positionspapier der ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL 141) verdeutlicht anhand von zehn Thesen, wie das Konzept der Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung genutzt werden kann, um die Umsetzung und Wirkung der Planungen im Sinne des Ressourcenschutzes zu verbessern.

Ökosystemleitungen inder räumlichen Planung einsetzen – Titel © ARL

Der Arbeitskreis „Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung“ der ARL hat diese Empfehlungen erarbeitet und benennt zu den Themen „Nutzen“, „Einsatzoptionen“ und „Handlungsbedarfe“ konkrete Ansätze für einen besseren Schutz von Natur und Landschaft. Die Thesen sollen dazu motivieren, das Konzept der Ökosystemleistungen in der Raumplanung einzusetzen und so Transformationsprozesse zu einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung anzustoßen.

Zehn Thesen zu Ökosystemleistungen und Raumplanung Nutzen – Was würde das Konzept der Ökosystemleistungen im Umgang mit Natur und Landschaft verändern?

These 1: Impulse zum gesellschaftlichen Bewusstseinswandel durch neue Narrative

Das Konzept der Ökosystemleistungen zeigt den Wert von Natur für das menschliche Wohlbefinden auf. Es liefert sinnstiftende Erzählungen („Narrative“), die einen Bewusstseinswandel und letztlich einen anderen Umgang mit Natur und Landschaft anregen können.

Mittels Ökosystemleistungen kann die Bedeutung von Natur und Landschaft Menschen deutlicher gemacht sowie nachvollziehbarer und gut verständlich kommuniziert werden. Ein Beispiel für ein solches Narrativ ist die Thematisierung des Insektensterbens. Die Betonung des Nutzens der Bestäubungsleistung von Bienen und der wichtigen Rolle von Insekten im Ökosystem sowie die umfassende Thematisierung des Insektensterbens zogen eine Vielfalt an Initiativen nach sich. Besonders das erfolgreiche bayerische Volksbegehren „Rettet die Biene“ hat nicht nur einen Widerhall in der breiten Öffentlichkeit gefunden, sondern auch in der Politik und der bayerischen Gesetzgebung. Das Konzept der Ökosystemleistungen bietet somit plausible und sinnstiftende Erzählungen, die ein neues Bewusstsein für den Umgang mit der Natur anregen können und infolgedessen einen transformativen Wandel in der Nutzung der natürlichen Ressourcen befördern können. Damit dieser Wandel in Planungskontexten entstehen kann, muss der gesellschaftliche Nutzen verständlich kommuniziert und in private und öffentliche Entscheidungsprozesse eingebunden werden, zum Beispiel auch über Partizipation in Planungsvorhaben (s. These 8).

These 2: Besser informierte Entscheidungen durch integrative Betrachtung Das Konzept der Ökosystemleistungen ermöglicht fachübergreifende, multifunktionale und stärker nutzenorientierte Bewertungen von Natur und Landschaft.

Auswirkungen von Entscheidungen auf ein breites Spektrum an Ökosystemleistungen und deren Wechselwirkungen können so gleichzeitig in den Blick genommen werden.

Das Ökosystemleistungskonzept beschreibt eine Fülle an Leistungen von Natur und Landschaft. Diese umfassen neben Versorgungsleistungen (z. B. Trinkwasser und Rohstoffe) auch regulierende (z. B. Luftreinhaltung, Klimaregulation) und kulturelle Leistungen (z. B. Erholung). Zielkonflikte, die häufig zwischen unterschiedlichen Ökosystemleistungen bestehen, kennt insbesondere die formelle räumliche Planung, beispielsweise in Fragen der Abwägung von verschiedenen Nutzungsformen oder auch in Bewilligungsverfahren. Der Vorteil des Ökosystemleistungskonzeptes ist es, dass es unterschiedliche Leistungen gleichberechtigt ansieht. So können im ersten Schritt mögliche Konflikte, aber auch Lösungen zwischen den Leistungen von Ökosystemen bei Planungsund Entscheidungsprozessen zunächst einmal erkannt und benannt werden – etwa, wenn Ziele von Landwirtschaft, Naturschutz und kommunalen Erholungsangeboten formuliert werden. In einem zweiten Schritt kann durch diese integrative Betrachtung erreicht werden, dass verschiedene Leistungen der Ökosysteme abgewogen werden und damit eine transparente Entscheidungsgrundlage bilden. Durch integrierte Ansätze kann den komplexen globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt besser begegnet werden.

These 3: Höhere Teilhabe bei Entscheidungen zur Nutzung natürlicher Ressourcen Durch mehr Teilhabe fördert das Konzept der Ökosystemleistungen einen Wandel in der Planungskultur.

Wenn Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger mit vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen kooperieren, kann die Raumplanung gemeinsam gestaltet werden.

Der Begriff „Ökosystemleistung“ beschreibt alle Vorteile und Nutzen, die Menschen aus der Natur beziehen. Wer ist für die Entstehung dieser Leistungen verantwortlich? Wer profitiert von ihnen? Diese Fragen schaffen ein Bewusstsein für die Vielfalt an gesellschaftlichen Gruppen, die mit Ökosystemen und ihren Beiträgen zum menschlichen Wohlergehen verknüpft ist. Zum Beispiel stellen Beteiligte aus Land- und Forstwirtschaft nicht nur Konsumgüter her, sondern leisten bei der entsprechenden Bewirtschaftung wichtige Beiträge zur Regulation des Wasserkreislaufs, zur Erhaltung von Biodiversität oder auch zur Erholung der Bevölkerung. Diese Leistungen sollten in der raumbezogenen Planung anerkannt werden und es sollten sowohl die Personengruppen, welche die Nutzbarkeit der Ökosystemleistungen sicherstellen, als auch deren Nutzende in Entscheidungen über die zukünftige Entwicklung von Landschaften und deren Fähigkeiten, Ökosystemleistungen bereitzustellen, einbezogen werden. Komplexen Herausforderungen wie beispielsweise die Anpassung an Klimawandelfolgen können nur im Zusammenspiel verschiedener gesellschaftlicher Gruppen bewältigt werden. In Siedlungsräumen bedeutet dies, dass beispielsweise auch auf nicht-öffentlichen Flächen Ökosystemleistungen zur Regulation des Wasserkreislaufs, zur Luftreinhaltung und zum Temperaturausgleich geschaffen werden. Dazu gehört die Umgestaltung von Flächen von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser, aber auch von Gewerbeflächen und Privatgrundstücken. Personengruppen, die diese Flächen besitzen, entwickeln oder unterhalten, sind dementsprechend wichtige Kooperationspartnerinnen und -partner für nachhaltige Stadtentwicklungskonzepte. Auch Bürgerinitiativen und Vereine können auf ihren eigenen Flächen oder auf Flächen der öffentlichen Hand aktiv werden und Ökosystemleistungen fördern, z. B. in Gemeinschaftsgärten oder durch die Anlage und Pflege kleiner Biotope. Personengruppen, die sich eigeninitiativ für Stadtnatur einsetzen, brauchen Unterstützungsangebote und Möglichkeiten zur Mitbestimmung, die über die formelle Beteiligung in Planungsverfahren hinausgehen. Um die Vielfalt der Akteure einzubinden, ist ein Wandel von der klassischen Top-down-Planung hin zu Co-Governance-Ansätzen erforderlich (siehe auch These 7).

Einsatzoptionen – Wie können Ökosystemleistungen in der Raumplanung berücksichtigt werden?

These 4: Bestehende Daten und Methoden nutzen und weiterentwickeln

Es existiert eine Vielzahl an wissenschaftlichen Methoden zur Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen, die im Prinzip auch in der Planungspraxis angewendet werden können. Nutzen und Praktikabilität müssen für die Planungspraxis klar erkennbar sein und es bedarf einer nachvollziehbaren Anleitung für die konkrete Anwendung.

An Konzepten für Ökosystemleistungen sowie an Erfassungs- und Bewertungsmethoden aus der Forschung mangelt es gerade in den letzten Jahren nicht – wie beispielsweise ein jüngst veröffentlichter Überblicksbeitrag zu Ökosystemleistungen in Städten zeigt (Dworczyk/Burkhard 2020). Eine Herausforderung besteht allerdings darin, diese auch unabhängig von der Forschung in der Praxis anzuwenden. Dabei sind Fragen nach finanziellen und personellen Ressourcen für die oft aufwendigen Methoden zentral. Ebenso gilt es, einen angemessenen Umgang mit Datenunsicherheiten, qualitativen Bewertungsmaßstäben und Rechtssicherheit in planerischen Abwägungen zu finden. Die Ansprüche an Methoden zur Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen unterscheiden sich zwischen der Anwendung in informellen und formellen Planungsinstrumenten. Eine Einbettung in formelle Instrumente setzt standardisierte Bewertungsverfahren voraus, um die Basis für eine erforderliche Rechtssicherheit für die Abwägung der Ökosystemleistungen als Belang zu schaffen. Bei informellen Instrumenten bestehen aufgrund der Unverbindlichkeit der Planungsaussagen weniger hohe Ansprüche an Erfassungs- und Bewertungsmethoden.

These 5: Anknüpfungspunkte formeller Planungsinstrumente nutzen und erweitern

Obwohl eine Berücksichtigung von Ökosystemleistungen in formellen Planungsinstrumenten bisher noch nicht explizit erfolgt ist, bestehen durchaus Anknüpfungspunkte.

Um diese in der Praxis zu stärken, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen erweitert werden.

Eine explizite Einbindung von Ökosystemleistungen in die rechtlichen Vorgaben der räumlichen Planung (BauGB, ROG) besteht derzeit nicht. Um Ökosystemleistungen hier ein größeres Gewicht zu verleihen und eine verbindliche Berücksichtigung in der Planung zu forcieren, sind die rechtlichen Grundlagen entsprechend anzupassen. Dass dies durchaus möglich ist, zeigt beispielsweise das Verbot von Schottergärten in einigen Bundesländern. Über die Perspektive auf Ökosystemleistungen können konkret das Angebot von sowie die Nachfrage nach Ökosystemleistungen im Planungsgebiet zusammengebracht werden, was die Bedeutung ihrer Sicherung und Entwicklung hervorhebt und auch von der Planungspraxis entsprechend an Politik und Öffentlichkeit vermittelt werden kann. Eine grundlegende Veränderung bestehender formeller Planungsinstrumente hinsichtlich einer stärkeren Berücksichtigung von Ökosystemleistungen erscheint derzeit allerdings kaum umsetzbar. Jedoch gibt es einige Anknüpfungspunkte, wie Ökosystemleistungen auch im bestehenden Raumordnungs-, Bau- und Umweltrecht über eine weitergehende Interpretation vorhandenen Rechts sowie durch kleinere Anpassungen stärkere Berücksichtigung finden können (Deppisch/ Geißler/Poßer et al. 2022). So kann auf der Raumordnungsebene zum Beispiel durch die Regelungen zum Regionalplan im Raumordnungsgesetz direkt eine Sicherung oder zumindest eine Abwägungshürde für die kommunale Bauleitplanung erfolgen. Der Regionalplan bezieht sich auf ein überörtliches Gebiet, in dem passgenauer auf die ökosystemaren Verflechtungen eingegangen werden kann als auf der bloßen Gemeindeebene. Auch können die Gebiete der Bereitstellung von Ökosystemleistungen zumindest in Teilen mit denen der Nachfrage in Übereinstimmung gebracht werden, dies kann auch die Stadt-Umland-Beziehungen unter eine neue Perspektive stellen. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen können um bestimmte oder multifunktionale Ökosystemleistungsflächen erweitert werden, zum Beispiel direkt über die Festlegungen zur Raumstruktur (§ 13 ROG). Dadurch können spezifische Vorrang- und Vorbehaltsgebiete mit Ökosystemleistungsbezug festgelegt werden. Darüber kann solchen Ökosystemleistungen, deren Dargebot die Nachfrage nicht erfüllt, ein starkes Gewicht in der Abwägung zukommen. Zudem können gerade Flächen mit einem multiplen oder/und besonders dichten Ökosystemleistungsangebot mit einem solch höheren Gewicht versehen werden. Um den regionalplanerischen Abwägungsprozess nicht zu überfrachten, könnte die Abwägung der Konflikte zwischen den Ökosystemleistungen vorgelagert bereits in der Strategischen Umweltprüfung (SUP) erfolgen. Bezogen auf die Integration von Ökosystemleistungen in die Regionalplanung kann auch – dann aber eher indirekt – bei der Aufstellung eines neuen Regionalplanes generell eine um Ökosystemleistungen erweiterte SUP wirken und darüber den Ökosystemleistungen zu einem größeren Gewicht in der Abwägung verhelfen, was sie allein dadurch dann allerdings nicht zwangsläufig in der Praxis auch tut. Eine weitere mittelbare Integration von Ökosystemleistungen in die Regionalplanung wäre über die Integration in Fachplanungen möglich, birgt aber die Gefahr, dass dann bestimmte Ökosystemleistungen aufgrund fehlender fachlicher Zuständigkeiten nicht betrachtet werden. Zu einer verbesserten Einbindung in die Bauleitplanung kann mit einer Schärfung der Rechtsvorgaben (verbindliche Prüf- sowie Dokumentationspflicht) während des Prüfverfahrens beigetragen werden. Diese ist geregelt im § 1a BauGB, in der sogenannten Bodenschutz-, Umwidmungssperrund Klimaschutzklausel. Damit würden Ökosystemleistungen besser berücksichtigt und es wird eine bessere juristische Überprüfbarkeit von Entscheidungen prognostiziert. Darüber hinaus können über eine Ergänzung der Inhalte des Umweltberichtes (Anlage 1 zum BauGB) um die Analyse und Bewertung nicht nur schutzgutbezogen wie bisher, sondern speziell von Ökosystemleistungen, diese erstmalig in die Bauleitplanung implementiert werden. Zusätzlich kann bereits heute die juristische Möglichkeit von Kommunen genutzt werden, im Rahmen ihrer Planungshoheit und des § 135 BauGB eine „Ökosystemleistungs-Kompensationssatzung“ in Recht zu setzen. Darüber können zumindest entstandene Ökosystemleistungs-Verluste finanziell kompensiert und damit ökologische Defizitbereiche aufgewertet werden (Poßer 2020: 57).

These 6: Informelle Planungsinstrumente durch neuartige Betrachtungen inspirieren

Die Flexibilität informeller Planungsinstrumente ermöglicht es, neuartige Informationen zu Ökosystemleistungen zu berücksichtigen.

Dadurch können Wechselwirkungen und mögliche Konflikte zwischen verschiedenen Flächennutzungen benannt und neu bewertet, Lösungsmöglichkeiten entwickelt und Synergien genutzt werden.

Informelle Planungen wie z. B. Grünflächenentwicklungskonzepte, kommunale Biodiversitätsstrategien, aber auch Bürgerforen und Runde Tische müssen anders als die formelle Planung keine Vorgaben erfüllen in Hinsicht auf Ergebnisse und Produkte, notwendige Verfahrensschritte oder zu beteiligende Akteurinnen und Akteure. Dadurch können Verfahren und Ergebnisse situationsgerecht ausgestaltet werden. Dafür benötigen informelle Verfahren allerdings Konzepte, um potenzielle Flächennutzungskonflikte frühzeitig zu erkennen und an Lösungen zu arbeiten. Wird eine Analyse von vorhandenen und möglichen Ökosystemleistungen eines zu beplanenden Gebietes vorgeschaltet, kann dies zunächst einen Mehraufwand bedeuten. Auf diese Weise werden aber wichtige Informationen und somit auch Potenziale der informellen Planung identifiziert: So kann die Beschäftigung mit Ökosystemleistungen dazu führen, von der Planung betroffene Gruppen besser zu erkennen und sie für eine Beteiligung im Planungsprozess zu gewinnen (s. These 7).

Wenn berücksichtigt wird, dass gesellschaftliche Gruppen in unterschiedlichem Maße Zugang zu Ökosystemleistungen haben, z. B. zu einem kühlen Schattenort in einem Privatgarten an einem heißen Sommertag, entstehen Handlungsprioritäten, beispielsweise zur Entwicklung von öffentlichen Grünflächen als Aufenthalts- und Begegnungsorte in sog. Ankunftsquartieren oder zur Entwicklung von (interkulturellen) Gemeinschaftsgärten als Orte zur Integration von Personen mit Migrationshintergrund (Haase/Schmidt 2019). Auch Fragen eines gerechteren Zugangs zu städtischem Grün kann über eine Analyse der Ökosystemleistungen von Stadtnatur zur Grundlage einer Freiraumplanung werden.

Ein Beispiel, wie der Ökosystemleistungsansatz die informelle Planung weiterentwickeln kann, zeigt die „Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt“: In einem mehrjährigen Beteiligungsprozess wurden hier vier Themenfelder und fast 40 Ziele für den Biodiversitätsschutz identifiziert. Dabei wurde der Zusammenhang zwischen biologischer Vielfalt und Lebensqualität in Berlin betont. Die vielfältigen Leistungen der biologischen Vielfalt für Menschen in der Stadt nachvollziehbar zu machen, hat für eine positive Resonanz auf die Berliner Biodiversitätsstrategie gesorgt, vor allem auch bei Akteurinnen und Akteuren außerhalb des Naturschutzes (Naturkapital Deutschland – TEEB DE 2016: 250).

These 7: Partizipation in Planungsprozessen durch neue Perspektiven fördern

Die mit dem Konzept der Ökosystemleistungen einhergehenden neuen Perspektiven auf die Beiträge von Natur und Landschaft zum menschlichen Wohlergehen können das Interesse vielfältiger Akteurinnen und Akteure wecken und zur Teilnahme an Planungsprozessen anregen.

Die Methoden zum Einsatz des Konzepts müssen dafür transparent kommuniziert werden und barrierefreie Möglichkeiten zur Mitwirkung bereitstellen. Die erhobenen Informationen müssen offen zur Verfügung gestellt und in Entscheidungen fair berücksichtigt werden.

Die Verwendung des Ökosystemleistungskonzeptes in Beteiligungsverfahren kann den Wissensaustausch zwischen Akteurinnen und Akteuren stärken. Es wird ein gemeinsames Verständnis der Planungsaufgabe und des Ziels entwickelt; außerdem werden lokale Erfahrungen einbezogen, Bewusstsein über lokale Potenziale geschaffen und Ökosystemleistungen nutzende und bereitstellende Akteurinnen und Akteure identifiziert. Wenn Ökosystemleistungen in Planungsvorhaben visualisiert werden, werden viele Menschen auf ihren persönlichen Nutzen und ihre Betroffenheit aufmerksam gemacht. So werden nicht nur vordergründige, sondern auch grundlegende Werte, Interessen und Sorgen der beteiligten Gruppen identifiziert, Konflikte frühzeitig erkannt sowie Synergien und Kompromisse realisiert. Der Status quo und die Auswirkungen von Planungsvarianten können für diverse Zielgruppen nachvollziehbar dargestellt werden. Beispielhaft zeigte ein partizipativer Planungsprozess zur Gewässerentwicklung in der Vechte- Region (Borowski-Maaser/Sauer/van der Meulen 2017: 395), dass das Ökosystemleistungskonzept helfen kann, verschiedene Akteurinnen und Akteure zu gemeinsamen Planungen anzuregen. Auch könnte damit besser ein Konsens in Planungsverfahren erreicht werden zwischen denen, die stärker zu Ökosystemleistungen beitragen und denen, die von ihnen profitieren.

Handlungsbedarf für Forschung und Planung – Wie kann es weitergehen, um Ökosystemleistungen in die Raumplanung zu integrieren?

These 8: Vergleichende und anwendungsorientierte Forschung vorantreiben

Für eine effiziente Nutzung von Indikatoren zu Ökosystemleistungen in Instrumenten der räumlichen Planung besteht weiterhin Forschungsbedarf.

Unter anderem sind robuste Methoden zur Erfassung und Bewertung zu entwickeln, die Anwendung in Planungsinstrumenten zu erproben sowie die Auswirkung auf Planungs- und Entscheidungsprozesse zu evaluieren.

Auch wenn in den letzten Jahren viele Fortschritte bei der Entwicklung von Verfahren zur Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen zu verzeichnen sind, besteht weiterhin Forschungsbedarf, wenn es um die Entwicklung und Erprobung zuverlässiger Methoden geht. Wenn Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung einen verbindlichen Beitrag leisten sollen, ist es erforderlich, dass die Aussagen zu Angebot, Nachfrage und Entwicklung von Ökosystemleistungen vergleichbar sind. Es muss nachvollziehbar sein, welche Planungsinstitutionen diese Bewertungen vornehmen und in welchen Planungsschritten dies erfolgt. Für formelle Planungsinstrumente ist es wichtig, Bewertungsstandards zu entwickeln, damit die Aussagen bei unterschiedlichen Auffassungen und in Konfliktfällen Bestand haben. Grundlagen für die Bewertungsmaßstäbe können bestehende Grenz-, Richt- oder Orientierungswerte sein. Zudem kann auf Konventionen oder auch partizipativ entwickelte Maßstäbe zurückgegriffen werden. Beispiele dafür sind der Bedarf für Regelungsleistungen der Luftqualität oder zu Lärmimmissionen, der aus Grenzwerten der Bundesimmissionsschutzverordnung abgeleitet ist. Für standardisierte Bewertungen müssen zudem ausreichend verlässliche Informationen für Planungsentscheidungen vorliegen. Die zunehmend verfügbaren hochauflösenden Daten (z. B. aus der Fernerkundung) können eingesetzt werden, um Methoden zur Analyse von Ökosystemleistungen weiterzuentwickeln. Ein weiterer Forschungsbedarf besteht bezüglich der genauen Art der Nutzung von Informationen zu Ökosystemleistungen bei Raumplanungsinstrumenten. Aufbauend auf jüngsten Forschungsergebnissen von Schrapp/Garschhammer/Meyer et al. (2020: 120) und Deppisch/Heitmann/ Sava?ç? et al. (2022) ist durch praktische Erprobung genauer zu untersuchen, in welchen Prozessverläufen und auf welche Art Informationen zu Ökosystemleistungen zielführend in räumliche Planungsverfahren eingebracht werden können.

These 9: Planungsbehörden zur Berücksichtigung von Ökosystemleistungen befähigen

Insbesondere Planungsbehörden auf regionaler Ebene wie Landkreise oder Regierungsbezirke können zukünftig bei der Bereitstellung aktueller Daten zu Zustand und Entwicklung von Ökosystemleistungen eine wichtige Rolle einnehmen.

Voraussetzungen dafür sind jedoch ausreichende Ressourcenausstattungen und bessere Kooperationsmöglichkeiten.

Planungsbehörden auf überkommunaler bzw. regionaler Ebene sind aufgrund ihrer Schnittstellenfunktion besonders relevant, Daten zu Ökosystemleistungen regelmäßig zu erfassen und für Anwendungen auf unter- und übergeordneten Planungsebenen bereitzustellen. Dieser Fokus macht die Berücksichtigung ökosystemarer Zusammenhänge leichter. Kompetenzen und Ressourcen für die Entwicklung und Vorhaltung von Informationen zu Ökosystemleistungen sollten auf regionaler Ebene gebündelt und gefördert werden, um die kommunalen Akteurinnen und Akteure mit ihren begrenzten Kapazitäten zu entlasten. Im Gegenzug pflegen lokale Behörden eigene Daten in den regionalen Datenpool ein und schaffen so eine valide Ausgangsbasis für gemeinsame (regionale) Strategien.

Diese regelmäßige Erhebung von Informationen zu Ökosystemleistungen auf regionaler Ebene müsste allerdings einhergehen mit einer verstärkten Koordination von Erfassungs- und Bewertungsverfahren und der Erarbeitung von Standards zur Datensicherung. Um eine gemeinsame Datenbasis zu entwickeln und zu pflegen, sind stärkere Kooperationsmechanismen mit Landesverwaltungen sowie -planungsbehörden unabdinglich. Vorteilhaft ist ebenfalls die Entwicklung eines standardisierten Leitfadens für Akteurinnen und Akteure der regionalen und kommunalen Planungspraxis, der die praktikable und einheitliche Anwendung von Erfassungs- und Bewertungsverfahren garantiert.

These 10: Transformativen Wandel unterstützen

Da bisherige Bemühungen zum Schutz der natürlichen Ressourcen und zur Verhinderung der Erderwärmung nicht ausreichend waren, steigt das Bewusstsein dafür, dass eine umfassende Transformation unserer Lebens- und Wirtschaftsweisen notwendig ist.

Das Konzept der Ökosystemleistungen bietet Anknüpfungspunkte für kulturelle und strukturelle Systemveränderungen in der räumlichen Planung, die zu einem sozial-ökologischen Wandel beitragen würden.

Damit ein sozial-ökologischer Wandel den Herausforderungen durch Klimawandel, Artenverlust und weiteren Umweltkrisen wirksam begegnet, sind tiefgreifende Veränderungen auf verschiedenen ineinandergreifenden Ebenen nötig (z. B. auf Ebene der Werte, Technologien und Institutionen). Dazu müssen Institutionen, Routinen und Praktiken überprüft und gegebenenfalls auch verändert oder ersetzt werden. Bezogen auf die Raumentwicklung und die räumliche Planung betrifft eine solche Transformation nicht nur die Formen zukünftiger Landschafts- und Ressourcennutzung, sondern auch Institutionen sowie ihre Normen, Regeln und Entscheidungsstrukturen. Es bedarf einer gemeinsamen Definition von Leitbildern und Zukunftsvorstellungen, wie z. B. ein umfassendes Verständnis für den Wert von Natur.

->Quellen: