Anstelle von Erdöl
Wiener Forscher berichten, dass bisher aus Erdöl hergestellte Produkte, wie etwa Plastik, Kleber und Lacke bald aus CO2 entstehen: Bei dem neuen Prozess nehmen veränderte Hefezellen CO2 aus der Luft auf und stellen daraus wichtige Grundbausteine der chemischen Industrie her. Özge Ata und Michael Baumschabl aus dem Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur (Boku) und dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) in Wien konnten eine CO2 produzierende, heterotrophe Hefe so modifizieren, dass sie ihre Biomasse gänzlich aus CO2 aufbauen kann. Die Forschungsergebnisse wurden in Pnas unter dem Titel „Conversion of CO2 into organic acids by engineered autotrophic yeast“ veröffentlicht.
Normalerweise benötigen die modifizierten „Komagataella phaffii“-Hefezellen Zuckerstoffe. Die Energie, um CO2 zu fixieren, gewinnen sie nicht wie die Flora aus Sonnenlicht, sondern durch den Abbau von Alkohol (Methanol). Die Forscher schleusten zusätzlich Gene aus Milchsäurebakterien und Schimmelpilzen in diese Hefezellen. Dadurch verfügen sie über die nötigen Stoffwechselwege, um Itaconsäure und Milchsäure zu produzieren. „Milchsäure ist der Grundstoff für Polymilchsäure (PLA), einem der bereits jetzt meistverwendeten Biokunststoffe“, erklärte Mattanovich: „Itaconsäure wird wiederum für die Herstellung von Polyacrylaten als Bindemittel für Kleber, für Farben und wasserlösliche Lacke eingesetzt.“
Erste Erfolge im Labormaßstab
Die Ausbeute für Itaconsäure betrug in den Laborversuchen knapp zwei Gramm, bei Milchsäure mehr als ein halbes Gramm pro Liter. „Bis zur industriellen Reife müssen wir die Hefestämme und Prozesse weiter optimieren“, so Mattanovich in einer Presseaussendung. Schon jetzt konnten die Forscher mit markiertem Kohlenstoff belegen, dass die gewünschten Produkte ausschließlich aus CO2 hergestellt wurden.
Wenn in Zukunft von solcher Biotech-Hefe in großem Maßstab CO2 aufgenommen und der darin enthaltene Kohlenstoff in langlebigen Produkten gespeichert wird, verbessert dies die Treibhausgasbilanz. Im Gegensatz zu Biogrundstoffen aus der Landwirtschaft entstünde dabei keinesfalls Konkurrenz zum Futter- oder Nahrungsmittelanbau.
„Nun sind wir noch einen bedeutenden Schritt weiter gekommen: Wir konnten Ausgangsstoffe für industrielle Produkte wie Bioplastik, Polymere oder Absorptionsmittel aus CO2 produzieren, indem wir weitere Gene aus Milchsäurebakterien und Schimmelpilzen in die modifizierte Hefe eingebracht haben“ erklärt Diethard Mattanovich.
Erste Erfolge im Labormaßstab
Durch die Anwendung von Methoden der synthetischen Biologie konnten die Stoffwechselwege für die Produktion von Itaconsäure und Milchsäure in die modifizierte Hefe K. phaffii eingebracht werden und beide Produkte aus CO2 hergestellt werden. Mithilfe von 13C Isotopenmarkierung konnten die Forscher nachweisen, dass die gewünschten Produkte ausschliesslich aus CO2 hergestellt wurden. Mit einer Ausbeute von fast 2 Gramm Itaconsäure pro Liter konnten schon erste Erfolge gefeiert werden. „Bis zur industriellen Reife müssen wir die Stämme und Prozesse weiter optimieren“, meint Michael Baumschabl, Dissertant in diesem Projekt. „Es liegt noch ein Stück Weg vor uns, aber damit konnten wir nun im Labormaßstab zeigen, dass man Treibhausgase tatsächlich als Rohstoff für wichtige Chemikalien nutzen kann“, fasst Dr. Özge Ata, Senior Scientist an der BOKU und dem acib das enorme Potenzial dieser Arbeit zusammen. Anstatt weiter Erdöl als Rohstoff einzusetzen und damit Treibhausgase freizusetzen, kann die neue Technologie Kohlendioxid in langlebige Materialien binden und so der Kreislauf wieder entziehen. Eine derartige „Carbon Capture and Utilization“ Technologie wäre also nicht nur klimaneutral, sondern tatsächlich ein wirksamer Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.
->Quellen:
- acib.at/news
- boku.ac.at/dbt/newsitem/71456
- Originalveröffentlichung: www.pnas.org/doi/10.10173/pnas.2211827119