Suffizienz ist mehr als „Licht aus und Heizung runter“

Energiesparen: Energiegenossenschaften können suffiziente Lebensstile fördern

Angesichts der Energiekrise und dramatischer Energiepreissteigerungen ist das Thema Energiesparen in diesem Winter für viele Verbraucher*innen so aktuell wie nie zuvor. Unterstützen können dabei auch die Versorger. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) identifizierte mit Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in der Studie „Mit Suffizienz zur Energiewende“ Energiegenossenschaften als geeignete Multiplikatoren für suffiziente, also sparsame und damit umweltfreundliche, Lebensstile.

Solarpark in Hessen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die Studie zeigt, dass bis zum Erhebungszeitraum im Sommer 2022 etwa jede sechste Energiegenossenschaft ihre Mitglieder online über Energiespartipps informierte. Dies ergab die Inhaltsanalyse einer Stichprobe aus über 500 Webseiten von Energiegenossenschaften in Deutschland. Die Forschenden sehen noch viel unausgeschöpftes Potenzial und zeigen in ihrer Studie auf, wie Energiegenossenschaften mit wirksamer Kommunikation einen sparsamen Verbrauch, aber auch das Engagement für die Energiewende und für eine suffiziente Gesellschaft fördern können.

Orientierung am Bedarf statt am Gewinn: Genossenschaften sind prädestiniert, um Energiesuffizienz zu fördern

„Aktuell existieren in Deutschland insgesamt rund 850 Energiegenossenschaften mit ca. 220.000 Mitgliedern. Sie sind wichtige dezentrale Player für die Energiewende, da sie das Ziel verfolgen, den Energiebedarf mit erneuerbaren Energien aus gemeinschaftlich betriebenen Anlagen zu decken“, erklärt Umwelt- und Sozialpsychologin Vivian Frick vom IÖW, Autorin der Studie. „Die Genossenschaft ist eine zukunftsträchtige Unternehmensform, da sie sich am Bedarf und nicht am Gewinn orientiert und enge Beziehungen zu ihren Mitgliedern pflegt. Dies macht sie besonders geeignet, um die Energiewende gerade in Zeiten der Energiekrise voranzubringen. Und dies nicht nur durch den Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung, sondern auch durch die Förderung von Suffizienz.“ Denn gerade beim Umstieg auf erneuerbare Energien ist es wichtig, das Energiesparen nicht aus dem Blick zu verlieren, damit es nicht zu Reboundeffekten kommt.

In der Studie weisen die Forschenden darauf hin, dass neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien die Senkung des Verbrauchs zentral ist, damit die Energiewende in Deutschland gelingt. „Unter Suffizienz verstehen wir, dass die durchschnittliche Pro-Kopf-Nachfrage nach Energie und Ressourcen sowie die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen auf ein Maß gesenkt werden, das die Einhaltung planetarer Grenzen und ein gutes Leben für alle ermöglicht“, erläutert Wissenschaftlerin Julia Fülling vom IÖW. „Bislang werden die Potenziale von Suffizienzstrategien jedoch kaum ausgenutzt – sowohl in Forschung als auch Praxis sind sie unterrepräsentiert. Dabei knüpft Energiesuffizienz an die Kernthemen von Genossenschaften an. Als partizipative und gemeinwohlorientierte Akteure versorgen sie möglichst viele Mitglieder und bauen erneuerbare Energien aus.“

Informationen zu Suffizienz kommen bei den Mitgliedern gut an

Die Studie zeigt, welche kommunikativen Strategien Energiegenossenschaften nutzen, um Energiesparen und weitere Formen der Verbrauchsreduktion bei ihren Mitgliedern zu fördern, und welche weiteren sie zukünftig noch nutzen könnten. Den Begriff „Suffizienz“ verwenden sie zwar bisher selten, jedoch greifen sie das Thema inhaltlich auf: von Energiespartipps und -beratung über Hinweise zu Repaircafés oder Sharing-Konzepten bis hin zu Aufrufen sich für den Klimaschutz zu engagieren. Expert*innen-Interviews im Rahmen der Studie zeigen, dass das Thema zur Mitgliederbindung und -aktivierung beitragen kann, denn Informationen rund um das Thema Suffizienz kommen bei den Mitgliedern gut an.

Verbraucher*innen können Einsparungen durch eine Reduktion des eigenen Konsumniveaus erreichen. Hierbei liegt im Sinne von „Licht aus und Heizung runter“ vor allem das Energiesparen im Bereich Wohnen nahe, doch auch in der Mobilität, Ernährung oder Freizeit können Energie und Ressourcen eingespart werden. Allerdings erzeugt individuelles Konsumverhalten allein noch keinen gesellschaftlichen Wandel. Ein wichtiger Hebel ist zudem das Engagement für Suffizienz, etwa am Arbeitsplatz oder in zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Förderung von Engagement wurde in der Studie daher ebenfalls betrachtet.

Eine Literaturanalyse zu Interventionsstudien zeigt auf, wie Energiegenossenschaften wirksam Suffizienz bei ihren Mitgliedern fördern können. „Neben den Kommunikationsformaten kommt es vor allem auf erfolgreiche Narrative für Suffizienz an“, erklärt Kathrin Anger, Expertin für nachhaltigen Konsum bei Adelphi. „In einer Medienanalyse haben wir erkannt, dass zu den aktuellen Narrativen vor allem folgende zählen: die Umwelt schützen, ein gutes Leben für alle gewährleisten, die eigene Lebensqualität steigern, Geld sparen und unabhängiger werden.“

Kommunikationskampagne für Suffizienz geplant

Energiegenossenschaften, die das Thema Suffizienz vertiefen möchten, können von dem Projekt profitieren: Im Januar 2023 führt das Forschungsteam eine Kommunikationskampagne zur Suffizienzförderung speziell für Mitglieder von Energiegenossenschaften durch. „Wir gehen davon aus, dass viele Verbraucher*innen gerade in dieser Zeit sehr interessiert an Hilfestellung beim Energiesparen sind“, so Frick. „Über unsere Kampagne erhalten die Mitglieder eine Woche lang Informationen und Hilfestellungen bei der Umsetzung von Suffizienz im eigenen Leben. Genossenschaften, die diese Kampagne mit ihren Mitgliedern teilen wollen, sind eingeladen, mit dem Forschungsteam Kontakt aufzunehmen.“ Die Wirkung der Kampagne wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Feldstudie gemessen.

Über das Forschungsprojekt:

Die Studie entstand im Projekt „Energiegenossenschaften als Multiplikatoren für Energiesuffizienz (EMUSE)“. Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Die Verantwortung für die Inhalte liegt bei den Autorinnen. Kooperationspartner im Projekt sind adelphi, das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Heidelberger Energiegenossenschaft.

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