2023 stellt die Energiewende auf die Probe

Ist Deutschland auf dem richtigen Weg, um das Ziel von 80 Prozent erneuerbarer Energie im Jahr 2030 zu erreichen?

Deutschland war einmal Vorreiter bei der Entwicklung grüner Technologien. Nach dem anfänglichen Boom verlor die Energiewende Mitte der 2010er Jahre an Glanz. Die Ampel-Regierung versprach, dies zu ändern. Bis 2030 soll das Land 600 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien beziehen, also 80 Prozent seines Gesamtverbrauchs, so der Koalitionsvertrag. Die Gesetze, mit denen der notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht werden sollte, wurden im Jahr 2022 in großer Eile ausgearbeitet. Eine Bestandsaufnahme, die Nikolaus J. Kurmayer am 03.01.2023 für EURACTIV.com verfasst hat.

Erneuerbare Energien liegen nun im „überwiegenden öffentlichen Interesse“ – PV und Wind auf Fehmarn – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Beamte litten unter Burnout und Angstzuständen, staatlich finanzierte Institute wurden zu Hilfe gerufen. Nebenbei überragte die Energiekrise vieles. Im Januar 2023 traten die neuen Vorschriften in Kraft. In diesem Jahr wird sich zeigen, ob der Kurswechsel zu schaffen ist.

„Wir brauchen den Trend schon 2023, aus einer (Wind-)Anlage pro Tag müssen bis zu sechs pro Tag werden“, erklärte Simone Peter, vom Bundesverband für Erneuerbare Energien BEE, auf einer EURACTIV-Veranstaltung Ende November 2022.

Um die gewünschte Strommenge zu erzeugen, strebt die Bundesregierung bis 2030 eine installierte Onshore-Windkapazität von 115 Gigawatt (GW), eine Offshore-Windkapazität von 30 Gigawatt und eine Solar-Photovoltaik-Kapazität (PV) von 215 Gigawatt an.

Bis Ende September 2022 waren laut einem Monitoring-Bericht vom 27. 12.2022 deutschlandweit allerdings erst 57 Gigawatt an Onshore-Windkapazität installiert. Die PV-Solarkapazitäten beliefen sich auf 63,4 Gigawatt (GW), während die Offshore-Windkapazitäten bei etwa 8 Gigawatt blieben.

Somit klaffen Realität und Anspruch weit auseinander. Es bleiben acht Jahre, um die Onshore-Windkraft mehr als zu verdoppeln, die Solarenergie mehr als zu verdreifachen und die Offshore-Windkraftkapazität zu vervierfachen.

Im Mittelpunkt der Bemühungen der Regierung stehen die Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie ein neues Wind-an-Land-Gesetz sowie ein neues Offshore-Wind-Gesetz, die gemeinsam als „größte Reform seit Jahrzehnten“ bezeichnet werden.

Erneuerbare Energien liegen nun im „überwiegenden öffentlichen Interesse“.

Auch Genehmigungsverfahren, die oft als Engpassfaktor genannt werden, sollen beschleunigt werden. Bürgerenergieprojekte – einst das Zugpferd des Ausbaus der erneuerbaren Energien, da sie die Einwohner:innen an den Gewinnen teilhaben lassen – mit einer Leistung von bis zu 18 Megawatt und Solarprojekte mit einer Leistung von bis zu 6 Megawatt werden genehmigt.

Um Bürgerprojekte zu stützen, können sie eine Vorabförderung von bis zu 200.000 Euro beantragen und sind von den meisten administrativen Beschränkungen befreit.

Der staatlich subventionierte Höchtsgebotspreis für Onshore-Windenergie wird ab dem 1. Januar um 25 Prozent angehoben, um den höheren Produktionskosten von Windturbinen Rechnung zu tragen und der anhaltend geringen Beteiligung an staatlichen Ausschreibungen für erneuerbare Energien entgegenzuwirken.

„Wir verdreifachen damit den Ausbau der erneuerbaren Energien zu Wasser, zu Lande und auf dem Dach“, erklärte Sven Giegold, hoher Beamter und Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Doch während sich die Regierung in der Öffentlichkeit optimistisch gibt, zeichnen Dokumente ein anderes Bild.

„Die aktuelle Zubaudynamik reicht jedoch bei Weitem noch nicht aus, um auf den Zielpfad des EEG 2023 einzuschwenken“, heißt es im Monitoringbericht von Ende Dezember. „2023 muss das Jahr der Umsetzung sein“, betonte Peter vom BEE in einer Erklärung vom 27. Dezember.

Theoretisch ist alles vorbereitet, um Deutschland bis 2035 wieder auf den Weg zu einem Ökostromsystem zu bringen. Doch vor diesem entscheidenden Jahr sind sich die Expert:innen einig, dass das Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien „deutlich zu niedrig“ ist.

Im Vergleich zum Trend der letzten zwölf Monate muss sich „die Geschwindigkeit des Ausbaus der Photovoltaik verdreifachen“, heißt es in dem Bericht vom Dezember. „Der Ausbau der Windenergie an Land hinkt der Photovoltaik immer noch hinterher, hier muss das Tempo fast vervierfacht werden.“

Die Ausbauziele sollen jährlich steigen, bevor sie in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ihren Höhepunkt erreichen. Sollte Deutschland seine Ambitionen im ersten und einfachsten Jahr nicht erreichen, könnten die Aussichten düster sein.

Schlüsselregionen

In Zukunft wird man zwei Regionen besonders im Auge behalten müssen.

Bayern, einst vor allem für seine strengen Vorschriften gegen Onshore-Windkraft bekannt war, entwickelt sich zunehmend zu einem Solarland. Bis Juni 2022 hat Bayern ein ganzes Gigawatt an Solarkapazität zugebaut. Im Jahr 2021 waren es insgesamt mehr als 1,5 Gigawatt.

„Auch im Jahr 2021 wurde der Photovoltaik-Neubau mit Abstand von Bayern dominiert“, heißt es im Jahresendbericht. Und auch bei der Windkraft macht das Land zunehmend auf eine Kehrtwende, die umstrittene 10H-Regel soll fallen.

Eine weitere Region, die entscheidend sein wird, ist Ostdeutschland. Was erneuerbare Energien angeht, sind Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt vergleichsweise rückständige Bundesländer.

In Sachsen wurden 2021 mehr Windenergieanlagen abgerissen als installiert, was zu einer negativen Netto-Kapazitätsänderung führte. Bis Juni 2022 wurde in Sachsen eine einzige Windenergieanlage für das Jahr installiert.

Ähnlich ist die Situation in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Bis Juni 2022 haben die beiden Bundesländer ihre erneuerbaren Kapazitäten um 200 Megawatt Solarstrom ausgebaut. Bayern hat im gleichen Zeitraum im Alleingang 1.000 Megawatt Solarstromleistung errichtet.

Die Überwindung des starken Widerstands gegen erneuerbare Energien ist eine große Herausforderung für Berlin: Vizekanzler Robert Habeck ist bereits in alle drei Länder gereist, um für guten Willen zu werben. In Sachsen wurde er allerdings von einem Chor von Bürger:innen empfangen, die gegen die EU-Sanktionen gegen russisches Gas protestierten.