…nicht nur bei LNG-Terminals
Mittlerweile ist für die meisten Marktbeobachter offensichtlich, dass sich die Energieversorgung in Deutschland und Europa grundlegend verändern wird. Statt fossiler Energieträger werden zukünftig Erneuerbare Energien die Wirtschaft und die Gesellschaft am Laufen halten. Aus heutiger Sicht ist für diesen Transformationsprozess Wasserstoff unabdingbar, denn nur mit H2-Gas können die Energiesektoren miteinander gekoppelt werden – so Sven Heitmann am 04.01.2023 in Hzwei – Magazin für Wasserstoff und Brennstoffzellen.
Maßgebliche Rahmenbedingungen dafür wurden bereits geschaffen: Sowohl die deutsche Bundesregierung als auch das europäische Parlament haben sich deutlich zu einer Wasserstoffwirtschaft bekannt. Weltweit poppen seit Monaten weitere nationale H2-Strategien auf, weshalb inzwischen klar sein dürfte, dass wir eine weltweite Wasserstoffwirtschaft bekommen werden. Spätestens seit der Bekanntgabe des Inflation Reduction Act der Biden-Regierung in den USA ist überdeutlich, dass H2 der Kraftstoff der Zukunft ist.
Obwohl die aktuellen Entwicklungen eine klare Sprache sprechen, zögern zahlreiche Akteure immer noch, handfeste Investitionszusagen zu geben. Und auf den zahlreichen Messen und Kongressen, die gerade im Herbst stattfanden, krittelte die überwiegende Mehrheit an der Regierung herum und beklagte, diese habe keine geeigneten Leitplanken geschaffen.
Hochrangige Firmenvertreter:innen fordern, dies und das müsse noch geregelt werden. Mal sind es die Genehmigungsverfahren, die bemängelt werden, mal die EU-Gesetzgebung oder aber kommunale Auflagen. Gründe, warum genau jetzt noch keine Entscheidung gefällt werden könne, werden vielfältige genannt, und die meisten davon gehen tatsächlich als Ausrede dafür durch, dass nicht gehandelt wird.
Aber all diejenigen, die jetzt nur reden und nichts tun, müssen sich die Frage gefallen lassen, worauf sie wirklich warten. Auf staatliche Garantien, die zusichern, dass auf jeden Fall maximale Gewinne eingestrichen werden können? Auf verbindliche Zusicherungen, dass die Unternehmensexistenz für die nächsten zwanzig Jahre gewährleistet ist?
Auf der H2Expo in Hamburg hieß es beispielsweise von einem Hersteller stationärer H2-Motoren: „Wir können 1 GW ins Feld bringen, aber die Nachfrage fehlt.“ Woanders tönte die Gasindustrie: „Wasserstoff könnte durch unsere Leitungen fließen, wenn er denn da wäre.“
Klar gibt es heute noch nicht ausreichend bezahlbaren, grünen Wasserstoff, weshalb H2-Motoren mangels eines wirtschaftlichen Geschäftsmodells aktuell noch nicht nachgefragt werden und Gasleitungen weiterhin nur fossile Moleküle transportieren.
Und es muss ein Redesign des Strommarktes geben, damit mehr Planungssicherheit eintritt. Außerdem muss der Chip- und Fachkräftemangel angegangen werden. Aber diese angeblich so unklare rechtliche Situation sowie die fehlenden Kapazitäten für Erneuerbare Energien dürfen nicht als Gründe dafür herhalten, jetzt nicht zu handeln.
Wer wirklich darauf warten möchte, dass die vorhandenen Herausforderungen von anderen gemeistert werden, kann das ja tun. Wer ausharrt, bis alle Fragen zwischen Erdgas- und Wasserstoffnetzbetreibern verbindlich geklärt und wieder Chips erhältlich sind, der hat noch etliche Monate, wenn nicht sogar Jahre Zeit. Allerdings dürfte der Kuchen bis dahin dann schon weitestgehend verputzt worden sein.
Natürlich muss auch auf politischer und regulatorischer Ebene noch viel unternommen werden – und zwar schnell. Dass die Politik etwas bewirken kann, ist mittlerweile offensichtlich. In allen erdenklichen Industriezweigen wurden inzwischen Emissionsgrenzwerte beziehungsweise Umweltauflagen eingeführt, sei es in der Fahrzeugbranche, bei Zementherstellern oder bei Betreibern von Windparks – mit Erfolg. Letztere müssen ihren Energieeigenverbrauch jährlich um fünf Prozent reduzieren.
Dass die Regierung mitunter vergleichsweise schnell agieren kann, wenn sie wirklich möchte beziehungsweise muss, sehen wir derzeit bei den LNG-Terminals an den deutschen Küsten (siehe Foto). Aber was bringen uns Terminals, die angeblich H2-ready sind, aber keinen grünen Wasserstoff bekommen, weil diejenigen, die sowohl das Know-how als auch das Geld haben, nicht in die Pötte kommen – weder beim Ausbau Erneuerbarer Energien noch beim Aufbau von Produktionskapazitäten für Elektrolyseure, Brennstoffzellen oder H2-Motoren.
Eine „neue Deutschland-Geschwindigkeit“ wird derzeit häufig zitiert, aber meist wird sie nur von anderen gefordert und nicht als Maßstab an das eigene Handeln gelegt. Ganz interessant zu beobachten ist dabei, dass insbesondere Großunternehmen und Konzerne gerne den Politiker:innen den schwarzen Peter rüberschieben und von ihnen „entsprechende Rahmenbedingungen“ verlangen, ohne selbst angemessen in Vorleistung zu gehen.
Ihnen allen sei gesagt: Wer tatsächlich denkt, in diesen Zeiten jegliches Risiko an die Bundesregierung beziehungsweise den Steuerzahler abgeben zu können, läuft Gefahr, schon bald weg vom Fenster zu sein. Wer heute keine Verantwortung für das eigene Unternehmen und/oder die Mitarbeitenden übernimmt, könnte dieses Nichthandeln schon bald bitter bereuen.
Und das wäre schade, sehr schade, weil wir jetzt – nach fünfzig Jahren des Zögerns und Haderns – keine Zeit mehr verlieren dürfen, um eine sozial-ökologische Transformation einzuleiten und die Klimagrenze nicht zu überschreiten, damit dieser Planet bewohnbar bleibt.
->Quelle: hzwei.info/deutschland-geschwindigkeit-fuer-wasserstoff-nicht-nur-bei-lng-terminals