CO2-frei fliegen wird teuer

Luftfahrt will weg vom Kerosin

Kraftstoffe aus Erneuerbaren Quellen könnten die kologische Bilanz des Flugverkehrs zwar verbessern, nicht aber die ökomomische, schreibt Ralf Nestler am 09.01.2023 in Tagesspiegel Plus. Denn nach wie vor bleibt Kerosin der Treibstoff mit der höchsten Energiedichte und dm relativ geringsten Gewicht. Das heißt, dass Bertrand Piccards „Solar Impulse“ (siehe solarify.eu/solar-impulse-wieder-zurueck) noch lange nicht kommerziell genutzt werden kann.Die meisten Flugzeuge werden also weiter mit Flüssigtreibstoff fliegen. Allerdings soll der fossile Sprit durch biobasierten oder synthetischen Treibstoffen) sogenannte E-Fuels) ersetzt werden.

Flugzeug auftanken auf dem Flughafen Barcelona – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Weltweit erzeugt die Branche etwa eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid pro Jahr – vergleichbar mit dem Ausstoß von Japan, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt (so Steffen Kallbekken und David G. Victor am 16.09.2022 in nature). Abgesehen von einer Pause während der COVID-19-Pandemie sind die Emissionen von Flügen in den letzten zwei Jahrzehnten jedes Jahr um 2,5 % gestiegen. In den nächsten 30 Jahren werden die Auswirkungen der Branche auf die globale Erwärmung die Auswirkungen der gesamten Geschichte seit den ersten Flügen der Gebrüder Wright in den frühen 1900er Jahren übersteigen.

Die Verringerung der Auswirkungen der Branche auf die globale Erwärmung steht ganz oben auf der Tagesordnung der alle drei Jahre stattfindenden Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), in Montreal, Kanada. Den nature-Autoren zufolge könnte sich dieser Ansatz als gefährlich eng erweisen. Die Beseitigung der Auswirkungen des Luftverkehrs auf die globale Erwärmung bedeutet eine Umwälzung der Branche. Je länger man dieser Realität ausweicht, desto schwieriger wird es sein, wirksame Lösungen zu finden.

Die Emissionen von Flugzeugen lassen sich nicht einfach durch das Anbringen neuer Abgasreinigungsanlagen verringern. Es könnte sich als unmöglich erweisen, saubere Formen von Flugzeugtreibstoff in ausreichendem Umfang herzustellen. Die führenden Formen des Kohlenstoffausgleichs sind so mangelhaft, dass sie nicht praktikabel sind. Und die Bewältigung der anderen Klimaauswirkungen von Flugzeugen, die über CO2 hinausgehen, wie z. B. Kondensstreifen, könnte eine Überholung von Triebwerken, Flugzeugzellen und Bordspeichern erfordern, und das in einer Branche, die extrem auf Sicherheit, Gewicht und Platzbedarf achtet. Ein typisches Verkehrsflugzeug besteht aus mehreren Millionen Bauteilen. Außerdem ist die kommerzielle Luftfahrt eng mit der Flugsicherung und den Abfertigungsprozessen am Boden verwoben, so dass tiefgreifende Veränderungen schwer zu planen und umzusetzen sind. Fluggesellschaften, Kraftstofflieferanten sowie Flugzeug- und Triebwerkshersteller sollten aher viele Ideen testen, um herauszufinden, was wirklich funktionieren könnte. Ein Teil dieser Forschung ist bereits im Gange.

Die Reaktion der Luftfahrtindustrie auf die klimatischen Herausforderungen ist ein Triumph der industriellen Interessen über die Realität. Die Gründe dafür sind leicht zu verstehen. Fluggesellschaften arbeiten oft mit hauchdünnen Gewinnspannen. Flughäfen haben Mühe, die Kosten für große Investitionen in die Infrastruktur wieder hereinzuholen, und es besteht die Gefahr, dass sie bei einem raschen technologischen Wandel stranden.

Es besteht jedoch eine Diskrepanz zwischen den Zielen und dem, was tatsächlich erforderlich sein wird. Luftfahrtunternehmen und Branchenverbände haben kühne Ankündigungen gemacht. Viele haben sich verpflichtet, die CO2-Belastung bis 2050 auf Null zu reduzieren. Doch niemand weiß, wie solch tief greifende Einsparungen erreicht werden sollen. Internationale Gremien (darunter die ICAO), Industriepartnerschaften wie Mission Possible und Regierungen wie die des Vereinigten Königreichs haben Fahrpläne für Technologien wie nachhaltige Flugkraftstoffe“ entworfen. Diese Pläne sind bestenfalls ein erster Entwurf.

Die Reaktion der Luftfahrtindustrie auf den Klimawandel konzentriert sich fast ausschließlich auf zwei Optionen: sauberere Kraftstoffe und Kohlenstoffkompensation. Die meisten nachhaltigen Flugkraftstoffe werden heute aus Biokraftstoffen wie Pflanzenölen und Altspeisefetten gewonnen. Wie bei den Biokraftstoffen für Autos sind diese Kraftstoffe so konzipiert, dass sie mit den vorhandenen Düsentriebwerken kompatibel sind, und werden mit bekannten landwirtschaftlichen und industriellen Methoden hergestellt. Heute gibt es kaum eine Nachfrage, so dass die Versorgung einfach ist – nur 0,05 % des gesamten Flugzeugtreibstoffs entsprechen der Klassifizierung für nachhaltige Flugkraftstoffe, selbst in Europa, das bei dieser Umstellung führend ist.

Auf längere Sicht besteht jedoch die Gefahr, dass solche Kraftstoffe nicht in ausreichenden Mengen und zu niedrigen Preisen nachhaltig hergestellt werden können, um den gesamten Flugzeugtreibstoff zu ersetzen. Für eine Ausweitung der Produktion sind andere Verfahren erforderlich, z. B. aus gentechnisch veränderten Algen oder anderen biologischen Rohstoffen, die sauberer zu produzieren sind und weniger auf Land angewiesen sind.

Das gilt auch für synthetische Treibstoffe, von denen sogenanntes e-Kerosin als besonders nachhaltig gilt. Es wird aus Kohlendioxid hergestellt, das etwa aus der Luft abgeschieden wird, sowie „grünem“ Wasserstoff. Daran forschen unter anderem das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie, das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Kapstadt (UCT) und weitere Industriepartner im Projekt CARE-O-SENE (Catalyst Research for Sustainable Kerosene). Hier setzen die Forschungen an: In dem Verfahren spielt ein Katalysator die zentrale Rolle. Seine Effizienz soll um 30 Prozent gesteigert werden. Mithilfe der Synchrotronquelle Bessy II will das Team dem Katalysator „bei der Arbeit zuschauen“ und ihn weiter verbessern. Um 2025 hofft das Konsortium einen Prototypen zu haben, um dann eine Produktion im großen Maßstab zu ermöglichen.

Die Kosten für e-Kerosin sind aber noch erheblich höher, ein Umstieg auf solche Kraftstoffe für Airlines bislang nicht attraktiv. Hinzu kommt: Selbst wenn er gelingt, bliebe das Problem mit Kondensstreifen. Die entstehen bei der Verbrennung von Öko-Kerosin genauso.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum der Kohlenstoffausgleich und sauberere Kraftstoffe nicht ausreichen. Sie berücksichtigen nicht alle Auswirkungen der Luftfahrtindustrie auf das Klima, von denen viele noch ungewiss sind. Wir wissen, dass Flugzeugtriebwerke fossile Brennstoffe verbrennen und dabei CO2 freisetzen, ein wärmendes Gas. Bei den hohen Temperaturen in den Triebwerken entstehen aber auch Stickoxide, und sie setzen Aerosole frei, die die Zusammensetzung der Atmosphäre verändern. Bei der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen entsteht Wasserdampf, der sich mit Aerosolen vermischt und so Kondensstreifen erzeugt. Der größte Unsicherheitsfaktor ist die Wolkenbildung – ein sich schnell entwickelnder Aspekt, der mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Einige Simulationen warnen davor, dass die „Kondensstreifen-Zirren“ bis 2018 fast doppelt so viel Erwärmung verursacht haben könnten wie das CO2 aus dem Luftverkehr.

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