Methanbildende Mikrobe wächst in Gegenwart von giftigem Sulfit

Wich­tig für den welt­wei­ten Koh­len­stoff­kreis­lauf

Me­tha­no­ge­ne sind Mi­kro­or­ga­nis­men, die Me­than pro­du­zie­ren, wenn in ih­rer Um­ge­bung we­nig oder kein Sau­er­stoff vor­han­den ist. Ihre Me­than­pro­duk­ti­on – zum Bei­spiel im Ver­dau­ungs­trakt von Wie­der­käu­ern – ist wich­tig für den welt­wei­ten Koh­len­stoff­kreis­lauf, da Me­than ist ein sehr star­kes Treib­haus­gas ist, aber auch als En­er­gie­quel­le zum Hei­zen un­se­rer Häu­ser ge­nutzt wer­den kann.

Wachs­tum auf gif­ti­ger Ba­sis

Illustration der katalytischen Struktur von Fsr, wo Sulfit zu Sulfid reduziert wird. Das Sirohäm (in rosa), welches das Sulfit bindet und umwandelt, ist in einen Hohlraum des Proteins (graue Oberfläche) eingebettet, der für Lösungsmittel zugänglich ist. Auf diese Weise kann das Sulfit leicht in das Protein eindringen und das produzierte Sulfid kann es verlassen – Grafik © Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Im Zen­trum der jetzt in Na­tu­re Che­mi­cal Bio­lo­gy ver­öf­fent­lich­ten Stu­die ste­hen zwei im Meer le­ben­de, wär­me­lie­ben­de Me­tha­no­ge­ne: Methanothermococcus thermolithotrophicus (lebt in geo­ther­misch er­hitz­ten Se­di­men­ten bei etwa 65 °C) und Methanocaldococcus jannaschii (lebt an Tief­see­vul­ka­nen bei etwa 85 °C). Sie ge­win­nen ihre Zell­ener­gie, in­dem sie Me­than pro­du­zie­ren, und be­zie­hen Schwe­fel für ihr Wachs­tum in Form von Sul­fid aus ih­rer Um­ge­bung. Für die meis­ten Or­ga­nis­men ist Sul­fid gif­tig. Für Me­tha­no­ge­ne je­doch ist es le­bens­not­wen­dig und sie ver­tra­gen auch hohe Kon­zen­tra­tio­nen da­von. Aber sie ha­ben ei­nen an­de­ren Schwach­punkt: Ihre Achil­les­fer­se ist die gif­ti­ge und re­ak­ti­ons­freu­di­ge Schwe­fel­ver­bin­dung Sul­fit, die das En­zym zer­stört, das für die Me­than­bil­dung not­wen­dig ist. Bei­de un­ter­such­ten Or­ga­nis­men tref­fen in ih­rem Le­bens­raum ge­le­gent­lich auf Sul­fit, zum Bei­spiel wenn Sau­er­stoff ein­dringt und mit dem re­du­zier­ten Sul­fid re­agiert. Des­sen teil­wei­se Oxi­da­ti­on führt zur Bil­dung von Sul­fit, vor dem sich die Me­tha­no­ge­nen schüt­zen müs­sen. Wie ma­chen sie das?

Ein mo­le­ku­la­rer Schnapp­schuss des Vor­gangs

Marion Jespersen und Tristan Wagner vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men in Zu­sam­men­ar­beit mit An­to­nio Pie­rik von der Uni­ver­si­tät Kai­sers­lau­tern lie­fern nun span­nen­de In­for­ma­tio­nen über das En­zym, das das Sul­fit ent­gif­tet. Die­ses En­zym, des­sen Form ein we­nig an ei­nen Schmet­ter­ling er­in­nert, ist be­kannt als F420-ab­hän­gi­ge Sul­fit­re­duk­ta­se oder Fsr. Es kann Sul­fit in Sul­fid um­wan­deln – eine si­che­re Quel­le für den Schwe­fel, den die Me­tha­no­ge­nen zum Wach­sen be­nö­ti­gen. In der nun vor­lie­gen­den Stu­die be­schrei­ben Jes­per­sen und ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, wie das En­zym funk­tio­niert. „Das En­zym fängt das Sul­fit ab und re­du­ziert es di­rekt zu Sul­fid, das zum Bei­spiel in Ami­no­säu­ren ein­ge­baut wer­den kann“, er­klärt Jes­per­sen (sie­he Ab­bil­dung). „Da­durch wird die Mi­kro­be nicht ver­gif­tet und nutzt das ent­ste­hen­de Pro­dukt so­gar als Schwe­fel­quel­le. Sie ver­wan­deln Gift in Nah­rung!“

Das klingt ein­fach. Doch tat­säch­lich han­delt es sich um eine fas­zi­nie­ren­de und kom­pli­zier­te Ver­zah­nung, stell­ten Jes­per­sen und Wag­ner fest. „Es gibt zwei Ar­ten der Sul­fit­re­duk­ti­on: die dis­si­mi­la­to­ri­sche und die as­si­mi­la­to­ri­sche“, er­klärt Jes­per­sen. „Der un­ter­such­te Mi­kro­or­ga­nis­mus ver­wen­det ein En­zym, das wie ein dis­si­mi­la­to­ri­sches En­zym auf­ge­baut ist, aber ei­nen as­si­mi­la­to­ri­schen Me­cha­nis­mus ver­wen­det. Man könn­te sa­gen, er kom­bi­niert das Bes­te aus bei­den Wel­ten, zu­min­dest für sei­ne Le­bens­be­din­gun­gen.“

Man ver­mu­tet, dass bei­de En­zy­me, so­wohl die des dis­si­mi­la­to­ri­schen als auch die des as­si­mi­la­to­ri­schen We­ges, von ei­nem ge­mein­sa­men Vor­fah­ren ab­stam­men. „Sul­fit­re­duk­ta­sen sind ur­al­te En­zy­me, die gro­ßen Ein­fluss auf den glo­ba­len Schwe­fel- und Koh­len­stoff­kreis­lauf aus­üben“, er­gänzt Tris­tan Wag­ner, Lei­ter der Max-Planck-For­schungs­grup­pe Mi­kro­bi­el­le Me­ta­bo­lis­men am Max-Planck-In­sti­tut in Bre­men. „Un­ser En­zym, das Fsr, ist wahr­schein­lich ein Schnapp­schuss die­ses ur­al­ten En­zyms, ein span­nen­der Blick zu­rück in die Evo­lu­ti­on.“

Bio­tech­no­lo­gi­sche An­wen­dun­gen im Blick

Fsr lie­fert nicht nur Ein­bli­cke in die Evo­lu­ti­on, son­dern er­laubt es uns auch, die fas­zi­nie­ren­de Welt der Mee­res­mi­kro­ben bes­ser zu ver­ste­hen. Me­tha­no­ge­ne, die nur auf Sul­fit wach­sen kön­nen, ver­mei­den die Nut­zung des ge­fähr­li­chen Was­ser­stoffsul­fids als Schwe­fel­quel­le, wel­ches kor­ro­siv, ex­plo­siv und für den Men­schen hoch­gif­tig ist. „Dies er­öff­net Mög­lich­kei­ten für si­che­re­re bio­tech­no­lo­gi­sche An­wen­dun­gen zur Un­ter­su­chung die­ser wich­ti­gen Mi­kro­or­ga­nis­men. Noch bes­ser wäre es, ei­nen me­tha­no­ge­nen Mi­kro­or­ga­nis­mus zu fin­den, der Sul­fat re­du­ziert, denn die­ses ist bil­lig, reich­lich vor­han­den und eine völ­lig si­che­re Schwe­fel­quel­le“, sagt Wag­ner. Tat­säch­lich gibt es die­sen Or­ga­nis­mus be­reits, es ist Methanothermococcus thermolithotrophicus. Die For­schen­den ver­mu­ten, dass Fsr die letz­te Re­ak­ti­on auf die­sem Sul­fat­re­duk­ti­ons­weg or­ches­triert, da ei­nes sei­ner Zwi­schen­pro­duk­te Sul­fit ist. „Als nächs­tes wol­len wir nun ver­ste­hen, wie die­se Me­tha­no­ge­ne Sul­fat in Sul­fit um­wan­deln kann, um ein voll­stän­di­ges Bild von den Fä­hig­kei­ten die­ser Wun­der­mi­kro­ben zu er­hal­ten.“

Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen:

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland
  • Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland

->Quellen:

  • mpi-bremen.de/Nahrung-aus-Gift-machen
  • Originalpublikation:  Jespersen, Marion, Pierik, Antonio J. & Wagner, Tristan: Structures of the sulfite detoxifying F420-dependent enzyme from Methanococcales. in: Nature Chemical Biology (19.01.2023) – DOI: 10.1038/s41589-022-01232-y