Mehrkosten der landwirtschaftlichen Betriebe für Biodiversitätsmaßnahmen über Umlagesystem vergüten?
Die Anlage und Pflege einer Hecke oder die Einrichtung von blühenden Streifen entlang von Äckern – für den Schutz der Biodiversität ist ein ganzes Maßnahmenpuzzle notwendig, für das Landwirtinnen und Landwirte heute häufig noch keine ausreichende finanzielle Gegenleistung erhalten. Wie solche sogenannten Ökosystemleistungen entlohnt werden können, schlägt ein Forschungsteam aus Öko-Institut, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und dem Bioland e.V. zum Ende der Grünen Woche vor.
Analog zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) sollten Mehrkosten der landwirtschaftlichen Betriebe für Biodiversitätsmaßnahmen über ein Umlagesystem vergütet werden. Damit sollten Kosten für Fördermaßnahmen auf Produkteinheiten der landwirtschaftlichen Rohwaren Getreide, Milch, Fleisch, Ölfrüchte, Zuckerrüben und Kartoffeln heruntergebrochen und von den Molkereien, Schlachthöfen oder Mühlen entrichtet werden, die diese Rohwaren bei Landwirtinnen und Landwirten abnehmen, heißt es in einer Pressemitteilung des Öko-Instituts vom 26.01.2023.
Wie genau die Kosten für die Biodiversitätsmaßnahmen ermittelt und wie sie rechtssicher auf die Erstabnehmer der landwirtschaftlichen Rohwaren verteilt werden können, untersuchen die Projektpartner noch bis Mitte 2024.
Kleiner Aufschlag, große Wirkung
Erste Betrachtungen am Beispiel mehrjähriger Blühstreifen zeigten, dass eine solche Biodiversitäts-Umlage bei den Endkundinnen und -kunden nur zu einem kleinen Aufschlag auf die verkauften Lebensmittel führe, in der Summe jedoch große Finanzströme in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft mobilisieren könne. So hätten landwirtschaftliche Betriebe im Jahr 2020 aus dem Verkauf von einem Kilogramm Mischbrot rund 22 Cent erhalten – das macht knapp zehn Prozent des Preises aus, den Verbraucherinnen und Verbraucher an der Theke zur selben Zeit gezahlt hätten. Würden auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz durchgeführt und die so entstehende Kosten über eine entsprechende Umlage erhoben, kämen etwa ein bis zwei Cent Zusatzkosten auf die Endverbraucher und Endverbraucherinnen hinzu, so das Öko-Institut.
„Die Landwirtschaft sichert mit vielseitigen Produkten unser Überleben und prägt etwa die Hälfte unserer Landesfläche“, erläutert Kirsten Wiegmann, Expertin für nachhaltige Landwirtschaft und Projektleiterin am Öko-Institut, „Mit einem solchen Biodiversitäts-Mechanismus entstünde ein Geldfluss, mit dem Ökosystemleistungen nachhaltig finanziert werden können.“
Finanzierung biodiversitätsfördernder Maßnahmen im Praxischeck
Welche Maßnahmen zur Biodiversitätsförderung in welcher Region wie gefördert werden könnten, bleibe Forschungsgegenstand im noch laufenden Projekt. Dafür werde das Team mit Praxispartnern und -partnerinnen in zwei Beispielgebieten in Niedersachsen und Bayern auf Landkreisebene eine Bestandsaufnahme der aktuell umgesetzten Maßnahmen durchführen. Darauf aufbauend leiteten sie auf Basis von Zielen für die Biodiversität den zusätzlich nötigen Maßnahmenbedarf ab, kalkulierten deren reale Kosten und erarbeiteten Möglichkeiten der Umsetzung, erläutert Wiegmann weiter.
„Mit unserem Projekt ‚Blaupause für die Landwirtschaft‘ haben wir die Möglichkeit, einen neuen und innovativen Ansatz zur Honorierung von Biodiversitätsmaßnahmen bzw. Ökosystemleistungen durch die Landwirtschaft zu entwickeln“, sagt Axel Wirz vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau.
Auch die Umsetzung der Maßnahmen zum Artenschutz und die möglichst unbürokratische Auszahlung der Umlage an die landwirtschaftlichen Betriebe werde im Projektverlauf weiter mit Praxispartnerinnen und -partnern diskutiert, so Wirz.
„Umweltschutz in der Landwirtschaft muss sich lohnen, dazu gehört auch die administrativen und finanziellen Hürden abzubauen “, betont Sigrid Griese von Bioland. „Mit der vorgestellten Umlage wird Biodiversitätsschutz attraktiver.“
Das Projekt „Blaupause für die Landwirtschaft“ ist Teil der „Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt“, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
->Quelle und weitere Informationen:
- oeko.de/2023/gruene-woche-ein-eeg-fuer-die-landwirtschaft
- Diskussionspapier „Grundprinzip des Ökosystemleistungen-Gesetzes“ von Öko-Institut, FiBL, Bioland
- Diskussionspapier „Übertragbarkeit des EEGs auf Landwirtschaft und Ernährung“ von Öko-Institut, FiBL, Bioland
- Diskussionspapier „Biodiversitätsmaßnahmen und Ansätze zur Kostenermittlung“ von Öko-Institut, FiBL, Bioland
- Informationen zum Projekt mit allen Publikationen