Alles anders und niemand merkt’s
Bisher war bei to go in Gastronomie und Co. Einweg das Grundnahrungsmittel, der Mehrweganteil höchstens ein Spurenelement. Das soll sich jetzt ändern, per Gesetz. Alles geklärt? Sicher nicht. Der World Wide Fund For Nature (WWF) hat den Status quo untersucht, Unternehmen gesprochen und Anbieter:innen gefragt. Der Verpackungsabfall in Europa ist um mehr als 20 Prozent in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Bis 2030 könnten noch einmal 19 Prozent hinzukommen, wenn nicht gegengesteuert wird. Deshalb hat die EU-Kommission nun zum ersten Mal ein Vermeidungsziel in ihrer Verpackungsverordnung vorgeschlagen und im Mehrwegbereich klare – wenn auch zu wenig ambitionierte – Zielvorgaben benannt. Die Mehrwegangebotspflicht ist zwar da, aber keiner merkt’s.
Plastikbecher und Styroporboxen, die nach kürzester Zeit im Müll oder in der Umwelt landen – dieses Bild ist allgegenwärtig. Ein neues Gesetz soll 2023 Abhilfe schaffen und die Verpackungsflut bekämpfen: die Mehrwegangebotspflicht. Zusammen mit der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung hat die Umwelt-NGO untersucht, wo wir beim Thema Mehrweg stehen. Die erschreckende Erkenntnis: Deutlich unter ein Prozent aller Speisen und Getränke, die 2022 hierzulande außer Haus verkauft wurden, sind in wiederverwendbaren Verpackungen ausgegeben worden. Von 100 Kaffees für unterwegs und nach Haus gelieferten Burgern tragen also mehr als 99 dazu bei, dass wir buchstäblich im Müll versinken.
Der WWF fordert: Mehrweg muss der neue Standard werden. Der Gesetzgeber hat zwar gehandelt. Die neue Pflicht soll uns seit Januar auf den „Mehrweg“ lenken. Ein wichtiger Schritt, doch das „Aber“ ist riesig: Kein finanzieller Anreiz, Mehrweg zu nutzen. Ausnahmen und gefährliche Sonderregelungen, die das Ausweichen auf Einweg-Pappe und -Aluminium fördern. Und wer das neue Gesetz wie kontrolliert, scheint völlig ungeklärt.
Nachhaltig, weil oft genutzt – das ist die Idee hinter Mehrwegsystemen. Material bleibt im Kreislauf, Müll entsteht gar nicht erst und kann nicht in der Natur landen. Was bei Limo, Bier und Co. in Flaschen bereits vor mehr als einem Jahrhundert anfing, hält in der Gastronomie und ihren Verwandten sehr langsam Einzug. Bis vor kurzem fand nur, wer geduldig danach suchte, auch fürs Curry zum Mitnehmen und den Coffee-to-go alternative Verpackungen. Und jetzt? Mehrweg als Angebot ist zur Pflicht geworden. Und doch wissen alle, die es ausprobieren: Ganz rund läuft’s nicht. Bequem ist Mehrweg meist nicht, die Einweg-Routine tief verankert.
Unabdingbar für den Erfolg ist laut WWF eine einheitliche und unkomplizierte Rückgabelogistik, in der man Behälter nach Gebrauch überall zurückgeben kann. „Rückgabekomfort ist wichtig, denn der Kurswechsel findet erst statt, wenn die Verbraucher:innen Mehrweggefäße bei Restaurants, Cafes und Lieferdiensten nachfragen und nutzen. Damit Mehrweg in der Gastronomie zum Standard wird, braucht es Veränderungswillen bei allen Beteiligten“, so Laura Griestop.
Um die Wende zu Mehrweglösungen zu unterstützen, hat der WWF gemeinsam mit dem Mehrwegverband Deutschland und ProjectTogether die Umsetzungsallianz www.mehrweg-einfach-machen.de ins Leben gerufen. Hier arbeiten Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik, Kommunen und Mehrweg-Pionier:innen gemeinsam daran praktische Hürden etwa bei Logistik, Hygiene oder Kundenakzeptanz zu überwinden.
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