Habeck eröffnet Diskussionsprozess zum Strommarktdesign
Laut einer Medienmitteilung aus dem BMWK vom 20.02.2023 hat Bundesminister Robert Habeck die Plattform Klimaneutrales Stromsystem eröffnet. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wird im Rahmen der Plattform diskutiert, wie der Strommarkt fit gemacht werden kann für das Stromsystem der Zukunft, das weitgehend auf erneuerbaren Energien beruht.
Habeck: „Bei der Arbeit am klimaneutralen Stromsystem können wir einiges aus der Krisenerfahrung des letzten Jahres mitnehmen. Der europäische Strommarkt war einer dreifachen Krise ausgesetzt: den hohen Gaspreisen nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die gesamte Ukraine, der niedrigen Verfügbarkeit französischer Atomkraftwerke und der Dürre. Wir können jetzt sagen, dass sich der Strommarkt als außerordentlich resilient erwiesen hat. Europa hat einen der am besten funktionierenden Strommärkte der Welt. Die positiven Errungenschaften müssen wir erhalten, während wir den Markt fit für die Zukunft machen. Entsprechend müssen wir das Stromsystem immer europäisch denken. Was wir an unserem Strommarktdesign ändern, hat direkte Auswirkungen für unsere Nachbarländer.“
In der Diskussion gelte die Prämisse, dass sich Deutschland klar der 1,5 Grad-Grenze verpflichtet habe und bis 2045 klimaneutral sein solle, so Habeck. Die Stromversorgung der Zukunft werde sicher, nachhaltig und bezahlbar sein. Wind und Sonne sollen zukünftig das Stromsystem tragen. Grundlage für alle Planungen sei, dass der Anteil der erneuerbaren Energien im Jahr 2030 auf 80 % der Stromversorgung ansteige und danach weiter anwachse, dass der Kohleausstieg möglichst auf 2030 vorgezogen werde und dass im Zuge der Sektorkopplung der Stromverbrauch steige.
„In der Debatte über das klimaneutrale Stromsystem werden wir uns jetzt damit beschäftigen, wie wir günstige Strompreise sicherstellen; wie wir die richtigen Investitionssignale setzen, damit in Erneuerbare Energien und in Wasserstoff-Kraftwerke investiert wird, und wie das System flexibel wird. Wir brauchen ergänzend zum Netzausbau die regionale Steuerung von Erzeugung und Lasten wie Elektrolyseuren in der Nähe von Offshore-Gebieten. Außerdem sollte Erneuerbarer Strom vor Ort genutzt werden können, anstatt aufgrund von Netzengpässen abgeregelt zu werden. Ich freue mich auf die Debatte der nächsten Monate – mit klugen Köpfen, die ihre unterschiedlichen Perspektiven einbringen“, so Habeck weiter.
In den kommenden Jahren wird sich das Stromsystem sehr stark verändern. Ziel ist eine klimaneutrale Stromerzeugung, die fast vollständig auf Erneuerbaren Energien beruht. Bereits 2030 soll der Anteil bei 80 % liegen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sich der Strommarkt grundlegend wandeln. Die Plattform Klimaneutrales Stromsystem soll in vier thematischen Arbeitsgruppen Optionen zur Weiterentwicklung des Strommarktdesigns ergebnisoffen diskutieren und fundierte Vorschläge erarbeiten. Dabei sollen in einem partizipativen Prozess die verschiedenen Sichtweisen der Akteure im Strommarkt genutzt und zusammengeführt werden.
Eine Gruppe soll sich auf effiziente Investitionsanreize für erneuerbare Energien fokussieren, eine zweite auf steuerbare Kapazitäten, um die Versorgungssicherheit jederzeit zu gewährleisten. Weitere Arbeitsgruppen behandeln die Flexibilisierung der Stromnachfrage sowie die Nutzbarmachung netzdienlicher Marktsignale. In einem Plenum werden die Vorschläge zusammengeführt. Der Auftakt der Plattform heute beginnt mit einer ersten Sitzung des Plenums.
Die Plattform wird die aktuellen europäischen Vorschläge zu einer kurzfristigen, zielgerichteten Reform des europäischen Strombinnenmarkts in die Diskussionen einbeziehen. Eine eventuelle grundlegendere Reform des europäischen Strombinnenmarktes benötigt eine vertiefte Analyse. Dazu kann die Plattform wichtige Beiträge liefern. Insofern ist zwischen der kurzfristigen Perspektive (aktuell laufende EU-Debatte zum Strommarktdesign) und der eher mittelfristigen Perspektive zu unterschieden. Letztere soll jetzt vertieft und mit genauen Analysen in der Plattform Klimaneutrales Stromsystem geführt werden.
VKU: Bei Reform des Strommarkts Investitionsanreize, Verlässlichkeit und Netzausbau beachten
Anlässlich der heutigen Auftaktsitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) in Berlin, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU): „Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen. Dafür ist ein massiver und schneller Ausbau von erneuerbaren Energie-Anlagen und des Stromnetzes sowie ausreichend gesicherte Leistung notwendig. Größte Herausforderung ist es, Klimaschutz und Umweltverträglichkeit, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit zusammenzubringen – und hierbei keine Zeit zu verlieren. Dabei brauchen wir ein Höchstmaß an Verlässlichkeit, damit die notwendigen Investitionen auch tatsächlich erfolgen. Sündenfälle wie die Infragestellung vermiedener Netznutzungsentgelte oder die Erlösabschöpfung bei Erneuerbaren dürfen sich nicht wiederholen.
Ein neues Strommarktdesign muss sich an mehreren Punkten messen lassen: Es muss Ausbau und Finanzierung der Erneuerbaren Energien gewährleisten, Anreize und Lenkungswirkung für Flexibilität bei der Nachfrage und Erzeugung setzen und eine effiziente Sektorenkopplung ermöglichen. Parallel dazu muss Versorgungssicherheit erreicht werden, indem der dafür notwendige Anteil an verfügbarer und steuerbarer Stromerzeugungsleistung zur Verfügung steht.
Das ist eine Mammutaufgabe, die den vollen Einsatz vieler Beteiligter erfordert. All dies muss ein intelligentes Marktsystem langfristig absichern. Es ist wichtig, dass Investitionsanreize in erneuerbare Energien weiter gestärkt werden. Dazu muss das Marktdesign so weiterentwickelt werden, dass eine rein marktgetriebene Fortsetzung des EE-Ausbaus über 2030 hinaus möglich ist. Zudem müssen sämtliche Lastflexibilitätsoptionen technisch erschlossen werden und dem Markt über Preissignale zugänglich gemacht werden.
Stadtwerke und regionale Energieversorgungsunternehmen, die auf lokaler Ebene agieren, besetzen in einem zunehmend dezentralen Energiesystem eine entscheidende Schnittstelle. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit sind bis zur Klimaneutralität aber zunächst pragmatische Schritte notwendig. Das gilt sowohl für die Erzeugungsseite mit der angekündigten Kraftwerkstrategie wie auch den Ausbau der Stromnetze, was im Rahmen der Anreizregulierung vor allem auch deren ausreichende Finanzierung erfordert.
Wir begrüßen, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck sichere und bezahlbare Versorgung bei der heutigen Auftaktsitzung als maßgebliche Kriterien an den Reformprozess formuliert hat. Auch ein reformierter Strommarkt muss die Bedeutung von flexiblen Kapazitätsangeboten berücksichtigen.
Von größter Wichtigkeit ist, dass für Investitionen in gesicherte Leistung, Flexibilitätsoptionen und Netze verlässliche Rahmenbedingungen gelten, sonst werden sie nicht stattfinden. Während der Übergangsphase müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Maßnahmen, so gestaltet sein, dass Investitionen Bestand haben und sich möglichst nahtlos in ein langfristiges Strommarktdesign integrieren lassen. Die Kompatibilität kurz- und mittelfristiger Übergangsregelungen mit dem späteren Marktdesign ist für ein Gelingen entscheidend.“