Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialverbände verlangen, das im Oktober versprochene ambitionierte Gesetz jetzt zu verabschieden
In einem gemeinsam formulierten Offenen Brief haben 15 Umwelt- und Klimaschutzverbände am 16.02.2023 Bundeskanzler Scholz aufgefordert, „endlich“ die in seinem „Machtwort“ am 17.10.2022 (Stern: „Kaulquappe für die Grünen, Ochenfrosch für die FDP“) formulierte Zusage einzulösen, es werde umgehend ein Energieeffizienzgesetz verabschiedet. Die klimafreundlichste Kilowattstunde sei diejenige, die gar nicht erst erzeugt werden müsse. Schon durch den flächendeckenden Einsatz von LED-Leuchten könnten jährlich 40 Terawattstunden (TWh) Strom eingespart werden. Dagegen spare der Streckbetrieb der Atomkraftwerke lediglich etwa fünf TWh, die beiden großen Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier erzeugten bis 2030 im Schnitt gemeinsam noch etwa 25 TWh Strom pro Jahr. Auch in anderen Bereichen gebe es noch gewaltige Möglichkeiten, Energie einzusparen.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
die immer noch größtenteils vor uns liegende Energiewende ist eine gewaltige Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie kann nur gelingen, wenn wir neben dem rapiden Ausbau der erneuerbaren Energien und der Dekarbonisierung in allen Sektoren auch unseren Gesamtenergiebedarf deutlich reduzieren.
Für das Pariser Klimaziel ist ein ambitioniertes Energieeffizienzziel von mindestens 45 Prozent Primärenergieeinsparung bis 2030 bezogen auf 2007 notwendig. Es muss dazu analog zum Klimaschutzgesetz eine Evaluierung anfangs festgesetzter Zwischenziele geben und im Fall der Zielverfehlung müssen Maßnahmen zur Nachsteuerung greifen.
Auch aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen ist die Senkung unseres Energiebedarfs wichtig, um unsere Abhängigkeit von importierter, vor allem fossiler Energie und den damit einhergehenden volatilen Preisen zu reduzieren.
Dass Energieeinsparung kein Selbstläufer ist, zeigen die Zahlen aus der Vergangenheit: So ist der Endenergiebedarf in Deutschland seit 2008 (ohne Sondereffekte) um gerade einmal zwei Prozent gesunken. Dabei ist das Potenzial viel größer. So könnten alleine durch den flächendeckenden LED-Einsatz in Deutschland jährlich mehr als 40 Terawattstunden (TWh) eingespart werden. Zum Vergleich:
Der Streckbetrieb der Atomkraftwerke bringt eine Strommenge von etwa fünf TWh4 , die beiden großen Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier erzeugen bis 2030 im Schnitt gemeinsam noch etwa 25 TWh Strom pro Jahr.
Mit anderen Worten: Statt über weitere Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke zu streiten, brauchen wir jetzt dringend ein wirksames Energieeffizienzgesetz. So können wir die Energiewende voranbringen, ohne die Gesellschaft zu spalten. Auch die unabhängige ExpertInnen-Kommission Gas & Wärme hat in ihrem Abschlussbericht festgestellt: „Einsparen ist die sinnvollste Energiequelle“. Statt negativer externer Effekte für Umwelt und menschliche Gesundheit bringt uns die Energieeffizienz positive Externalitäten, denn Unternehmen, Kommunen und Verbraucher:innen sparen Geld, der Bedarf an Rohstoffen und Flächen verringert sich.
Am 17.10.2022 haben Sie zeitgleich mit der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bis April 2023 ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz versprochen. Weite Teile der Bevölkerung ächzen unter den hohen Energiepreisen und viele Menschen reagieren auf Sparapelle, duschen kürzer und drehen die Heizung herunter. Gleichzeitig werden jedoch in keinem Sektor angemessene Maßnahmen getroffen, um systematisch, dauerhaft und in ausreichendem Umfang für Energieeinsparungen zu sorgen .
Nie gab es einen besseren Moment, dafür zu sorgen, dass alle Sektoren ihren Anteil an der notwendigen Energieeinsparung erhöhen. Die wirtschaftliche Rentabilität der Effizienzmaßnahmen ist derzeit so hoch wie nie zuvor – die gesellschaftlichen Kosten weiter darauf zu verzichten ebenso. Sorgen Sie jetzt für ein wirksames Energieeffizienzgesetz! Dieses muss mindestens die folgenden Anforderungen erfüllen:
1. Ambitionierte Effizienzziele: Um mit dem Pariser Klimaziel kompatibel zu sein, ist eine Primärenergieeinsparung von 45 Prozent bis 2030 notwendig. Für ein wirksames Monitoring, das jährlich stattfinden muss, sind Effizienzziele für jeden Sektor nötig.
2. Verpflichtung zum Energiesparen für alle Unternehmen, die mehr als eine Gigawattstunde verbrauchen: Unternehmen mit einem Energieverbrauch von mehr als einer Gigawattstunde sollten verpflichtet werden, regelmäßige Energieaudits bzw. Energiemanagementsysteme einzuführen und alle darin empfohlenen Maßnahmen umzusetzen.
3. Effizienzpotenzial der Rechenzentren nutzen: Mit der Abwärmenutzung von Rechenzentren gibt es gerade im stark wachsenden IT-Sektor ein riesiges Effizienzpotenzial. Die Nutzung der Abwärme sollte daher verpflichtend werden.
4. Berichterstattung und wirksame Sanktionierung: Transparenz und Sanktionen sind essentiell, um die Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes zu überwachen. Wir fordern daher Berichterstattungspflichten für alle Unternehmen. Die Höhe von Sanktionen bei Nichteinhaltung sollten an den Unternehmensumsatz gekoppelt sein, damit Firmen sich nicht einfach “freikaufen” können, indem sie ein geringes Bußgeld zahlen.
- https://foes.de/publikationen/2023/Verbandebrief_Energieeffizienzgesetz_2023-print.pdf
- https://www.stern.de/politik/deutschland/atomkraftwerke–kanzler-olaf-scholz-riskiert-ein-machtwort-32823940.html
- https://www.pac-scenarios.eu/pac-scenario/scenariodevelopment.html
- https://ag-energiebilanzen.de/datenund-fakten/bilanzen-1990-bis-2020/?wpv-jahresbereich-bilanz=2011-2020
- https://www.iea.org/reports/energy-efficiency-2022
- https://www.grs.de/de/aktuelles/befristeter-weiterbetrieb-drei-deutsche-atomkraftwerke-laufen-imstreckbetrieb-weiter
- https://www.wirtschaft.nrw/system/files/media/document/file/anlagen_ergebnisbericht_02_0.pdfwww.umweltinstitut.org