PFAS-Verbot beantragt
Fünf europäische Länder (Dänemark, Deutschland, der Niederlande, Norwegen und Schweden) wollen die Produktion, Verwendung und Import der Stoffgruppe PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen: solarify.eu/pfas-pfoa-pfos) EU-weit verbieten lassen und haben der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Vorschlag zur Beschränkung von PFAS zur Prüfung vorgelegt. Deutschland und die Niederlande sind dabei federführend. Anschließend wird die EU-Kommission gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten über rechtlich bindende Beschränkungen für Herstellung und Nutzung entscheiden. Laut Umweltbundesamt ist mit möglichen Beschränkungen frühestens 2025 zu rechnen.
ECHA veröffentlicht Vorschlag zur Beschränkung von PFAS
Die Einzelheiten der vorgeschlagenen Beschränkung von rund 10.000 Per- und Polyfluoralkylstoffen (PFAS) sind jetzt auf der Website der ECHA verfügbar. Die wissenschaftlichen Ausschüsse der ECHA werden nun damit beginnen, den Vorschlag im Hinblick auf die Risiken für Mensch und Umwelt sowie die Auswirkungen auf die Gesellschaft zu bewerten. Der Vorschlag wurde am 13.01.2023 bei der ECHA eingereicht. Er soll PFAS-Emissionen in die Umwelt verringern und Produkte und Verfahren für die Menschen sicherer machen.
„In einer neuen Studie fanden Forscher heraus, dass die PFAS-Chemikalie GenX den neutrophilen Atemstoß unterdrückt – die Methode, mit der weiße Blutkörperchen, die so genannten Neutrophilen, eindringende Krankheitserreger abtöten. Die Studie ist ein wichtiger erster Schritt, um zu verstehen, wie alte und neue PFAS-Chemikalien das körpereigene Immunsystem beeinflussen können“. (dx.doi.org/1547691X.2023.2176953)
Alle PFAS, die in den Geltungsbereich des Vorschlags fallen, sind in der Umwelt sehr persistent, werden daher auch „Ewigkeits-Chemikalien“ genannt. Die ausschließlich menschengemachten Fluorchemikalien sind mehr als 10.000 Substanzen, die „herausragende technische Eigenschaften“ besitzen: Sie sind wasser-, schmutz- und/oder fettabweisend und damit seit Langem bewährte Industriechemikalien, werden daher in sehr großer Menge produziert und verarbeitet. Laut dem der ECHA vorgelegten Dossier sind es allein in der EU rund 300.000 Tonnen pro Jahr. Wenn ihre Freisetzung nicht minimiert wird, werden Menschen, Pflanzen und Tiere zunehmend exponiert, und ohne eine Beschränkung werden solche Werte erreicht, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und die Umwelt haben. Die Behörden schätzen, dass in den nächsten 30 Jahren rund 4,4 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen werden, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden.
An mehr als 1500 Orten lässt sich in Deutschland das Jahrhundertgift PFAS nachweisen. Das zeigt eine Recherche von NDR, WDR und SZ. Das Problem mit den industriell produzierten Chemikalien ist damit viel größer als bisher bekannt. Das Gift kann man nicht riechen, nicht schmecken, nicht sehen. Es wird verdächtigt, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen und das Immunsystem zu schwächen. Und wenn es einmal in die Umwelt gelangt, dann bleibt es dort. Für sehr lange Zeit. Die Rede ist von sogenannten PFAS, per- und polyfluorierte Chemikalien, eine Gruppe von mehr als 10.000 künstlich hergestellten Stoffen.
Peter van der Zandt, Direktor für Risikobewertung bei der ECHA, sagte: Dieser bahnbrechende Vorschlag der fünf Behörden unterstützt die ehrgeizigen Ziele der EU-Chemikalienstrategie und des Aktionsplans „Zero Pollution“. Nun werden unsere wissenschaftlichen Ausschüsse mit der Bewertung und Meinungsbildung beginnen. Auch wenn die Bewertung eines so umfassenden Vorschlags mit Tausenden von Stoffen und vielen Verwendungszwecken eine Herausforderung sein wird, sind wir bereit.
Die nächsten Schritte
Die wissenschaftlichen Ausschüsse der ECHA für Risikobewertung (RAC) und für sozioökonomische Analyse (SEAC) werden in ihren Sitzungen im März 2023 prüfen, ob der Vorschlag die rechtlichen Anforderungen von REACH erfüllt. Wenn dies der Fall ist, werden die Ausschüsse mit der wissenschaftlichen Bewertung des Vorschlags beginnen. Eine sechsmonatige Konsultation soll am 22. März 2023 beginnen.
Der RAC wird sich eine Meinung darüber bilden, ob die vorgeschlagene Beschränkung geeignet ist, die Risiken für die Gesundheit der Menschen und die Umwelt zu verringern, während sich der SEAC mit den sozioökonomischen Auswirkungen, d. h. dem Nutzen und den Kosten für die Gesellschaft, die mit dem Vorschlag verbunden sind, befassen wird. Beide Ausschüsse bilden ihre Stellungnahmen auf der Grundlage der im Vorschlag für die Beschränkung enthaltenen Informationen und der bei den Konsultationen eingegangenen Kommentare. Die Ausschüsse berücksichtigen auch die Empfehlungen des Durchsetzungsforums zur Durchsetzbarkeit der vorgeschlagenen Beschränkung. Sobald die Stellungnahmen angenommen sind, werden sie an die Europäische Kommission weitergeleitet, die dann gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten über die mögliche Beschränkung entscheiden wird.
BDI „besorgt“ über PFAS-Verbot
Der BDI „unterstützt uneingeschränkt“ das Ziel der CSS (EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit), den Schutz der Menschen und der Umwelt vor Risiken durch Chemikalien zu verbessern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie zu erhöhen. Im Rahmen einer nachhaltigen Chemikalienregulierung sollten die Stoffe, von denen aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungsprofils nicht beherrschbare Risken ausgehen auf Basis wissenschaftlicher Bewertungen reguliert werden. Die breite Regulierung ganzer Stoffgruppen, „unabhängig vom tatsächlichen Risiko“ einzelner Substanzen, sei aus Sicht der Industrie jedoch „nicht angemessen“.
PFAS seien im Bereich der Zukunftstechnologien von großer Bedeutung für Innovationen und technische Weiterentwicklungen, beispielsweise in der Halbleiterherstellung und in Brennstoffzellen. Sie würden in vielen Branchen immer dann eingesetzt, wenn extreme Rahmenbedingungen wie hohe oder niedrige Temperaturen, hohe Reibungswiderstände oder aggressive chemische Bedingungen dies erforderten. Aufgrund Ihrer Eigenschaften trügen PFAS in Anlagen und Erzeugnissen zur Verlängerung der Lebensdauer, Reduzierung der Wartungsintensität und zur Erhöhung der Sicherheit bei.
Massive Auswirkungen auf gesamte Industrie zu erwarten
Ein umfassendes Verbot der PFAS hätte „erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Industrie und deren Innovationsfähigkeit“. Für eine nachhaltige Regulierung der Substanzen sei daher eine „differenzierte Vorgehensweise geboten“. Hierbei müsse „dringend“ berücksichtig werden, ob eine PFAS-Substanz bzw. deren Verwendung ein „nicht beherrschbares Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellt und ob geeignete Alternativen existieren“. Geschehe das nicht, bestehe die Gefahr, dass dringend benötigte Chemikalien nicht mehr auf dem Markt verfügbar sind und innovative Zukunftstechnologien nicht entwickelt werden könnten. Das hätte sowohl massive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Europa als auch auf das Erreichen von Umwelt- und Klimaschutzzielen des EU-Green Deal.
Positionen und Handlungsempfehlungen des BDI
Der BDI hat bereits 2021 ein Positionspapier erarbeitet. In diesem wird anhand von Anwendungsbeispielen aus der Praxis dargestellt, welche Auswirkungen eine umfassende PFAS-Beschränkung (Verbot!) auf die Industrie und deren Innovationsfähigkeit hätte. Außerdem würden wesentliche Kritikpunkte der Industrie am vorgesehenen Verfahren aufgezeigt. Des Weiteren hätten die im BDI zuständigen Gremien eine Handlungsempfehlung entwickelt, die aufzeige, welche Möglichkeiten zur Beteiligung der Industrie an der öffentlichen Konsultation zur PFAS-Beschränkung beständen.
->Quellen und Publikationen
- PFAS-Beschränkung: Handlungsempfehlung Konsultation
- EU-Chemikalienrecht: PFAS-Beschränkung
- umweltbundesamt.de/pfas-sollen-eu-weit-beschraenkt-werden
- echa.europa.eu/echa-publishes-pfas-restriction-proposal
- deutschlandfunk.de/pfas-chemikalien-verbreitung-verbot
- tagesschau.de/pfas-chemikalien-deutschland