EU-Parlament stimmt Klimaschutzpaket zu
Es klinge „wie eine Pressemitteilung der Europäischen Volkspartei“, aber es sei „die Wahrheit“, so EURACTIV am 18.04.2023. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben laut einer Medienmitteilung vom gleichen Tag aus dem EP mit überwältigender Mehrheit grünes Licht für die Reform des Emissionshandelssystems gegeben, auch für Luft- und Seeverkehr, das CO2-Grenzausgleichssystem und den neuen Klima-Sozialfonds. Die Einigungen wurden verabschiedet, die man Ende 2022 mit den Mitgliedstaaten zu mehreren Vorschriften des Klimaschutzpakets „Fit für 55“ erzielt hatte. Die EU will damit die Treibhausgasemissionen bis 2030 erheblich senken, nämlich um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990. Das ist auch im Europäischen Klimagesetz vorgesehen.
Das Parlament nahm die Reform des Emissionshandelssystems (EHS) mit 413 zu 167 Stimmen bei 57 Enthaltungen an. Damit werden die Ziele des EHS noch ehrgeiziger, denn in den Wirtschaftszweigen, für die das System gilt, müssen die Emissionen bis 2030 um 62 % im Vergleich zu 2005 gesenkt werden. Außerdem wird die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten von 2026 bis 2034 schrittweise eingestellt und ein eigenes neues EHS II für Kraftstoffe aus Straßenverkehr und Gebäuden geschaffen. Bis 2027 (oder 2028, wenn die Energiepreise außergewöhnlich hoch sein sollten) wird auch ein Preis für Treibhausgasemissionen aus diesen Bereichen festgelegt. Mehr Informationen zur EHS-Reform in der EP-Pressemitteilung zur Einigung mit den EU-Mitgliedstaaten.
Das Parlament stimmte auch dafür, erstmals Treibhausgasemissionen aus dem Seeverkehr im EHS zu berücksichtigen (mit 500 zu 131 Stimmen bei 11 Enthaltungen) und das Emissionshandelssystem für den Luftverkehr zu überarbeiten (mit 463 zu 117 Stimmen bei 64 Enthaltungen). Damit wird die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für den Luftverkehr bis 2026 schrittweise eingestellt, und der Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe wird gefördert.
Neues Instrument zur Verhinderung der Verlagerung von CO2-Emissionen
Mit 487 zu 81 Stimmen bei 75 Enthaltungen nahm das Parlament die Vorschriften über das neue CO2-Grenzausgleichssystem der EU an. Dieses System soll Anreize für Drittstaaten setzen, ihre Klimaschutzziele höherzustecken. Es soll außerdem dafür sorgen, dass Klimaschutzbemühungen in der EU und auf der ganzen Welt nicht dadurch untergraben werden, dass die Produktion aus der EU in Staaten mit weniger strengen Klimaschutzvorschriften verlagert wird.
Das CO2-Grenzausgleichssystem der EU gilt für Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel, Strom, Wasserstoff und unter bestimmten Bedingungen auch für indirekte Emissionen. Wer diese Waren einführen will, müsste die Differenz zwischen dem im Produktionsland gezahlten CO2-Preis und dem höheren Preis der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandelssystem ausgleichen. Das CO2-Grenzausgleichssystem wird zwischen 2026 und 2034 mit der gleichen Geschwindigkeit schrittweise eingeführt, mit der die kostenlosen Zertifikate im Emissionshandelssystem der EU schrittweise auslaufen. Mehr Informationen zum CO2-Grenzausgleichssystem der EU in der Pressemitteilung des EP zur Einigung mit den EU-Mitgliedstaaten.
Klima-Sozialfonds zur Eindämmung von Energiearmut
Die Einigung mit den Mitgliedstaaten, einen Klima-Sozialfonds einzurichten, der ab 2026 Gelder auszahlt, wurde mit 521 zu 75 Stimmen und 43 Enthaltungen angenommen. Dieser Fonds soll dafür sorgen, dass die Klimawende gerecht und sozial inklusiv gestaltet wird. Er kommt finanziell schwächeren Haushalten, Kleinstunternehmen und Verkehrsnutzern zugute, die besonders stark unter hohen Energie- und Verkehrspreisen leiden. Nach seiner vollständigen Einrichtung wird der Klima-Sozialfonds durch die Versteigerung von EHS-II-Zertifikaten finanziert, was bis zu 65 Mrd. EUR einbringen soll. Weitere 25 % des geschätzten Gesamtbudgets von 86,7 Mrd. EUR geben die Mitgliedstaaten.
Mehr Informationen zum Klima-Sozialfonds in der EP-Pressemitteilung zur Einigung mit den EU-Mitgliedstaaten.
Nächste Schritte
Die Texte müssen nun auch vom Rat förmlich gebilligt werden. Anschließend werden sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht, und 20 Tage später treten sie in Kraft. Mit der Verabschiedung dieser Rechtsakte reagiert das Parlament auf die Erwartungen der Bürger an die EU, den grünen Wandel zu vollenden und zu beschleunigen, wie dies in den Vorschlägen 3(1), 3(8), 3(9), 11(1) und 11(7) der Schlussfolgerungen der Konferenz zur Zukunft Europas zum Ausdruck kommt.
EURACTIV: „Vor allem einem Mitte-Rechts-Gesetzgeber zu verdanken“
Das Europäische Parlament hat die größte und ehrgeizigste Klimapolitik aller Zeiten verabschiedet: die Reform des EU-Kohlenstoffmarktes. Am 18.o4.2023 hat das Europäische Parlament die Reform des „Emissionshandelssystems“, des wichtigsten Klimainstruments der EU, angenommen. Das bedeutet, dass – schrittweise in den nächsten Jahren – die Emittenten von CO2 für die industrielle Produktion, den Flugverkehr, den Seeverkehr oder die Stromerzeugung einen Preis für ihre Verschmutzung zahlen müssen. Entscheidend ist, dass die Gesamtemissionen gedeckelt werden, was die Glaubwürdigkeit der ehrgeizigen Klimaziele der EU, die für 2021 beschlossen wurden, erhöht.
Ein zentraler Bestandteil der Reform ist ein zweiter Kohlenstoffmarkt, der sich auf das Heizen und den Kraftstoff für das Autofahren bezieht. Dieser wirkt sich direkter auf die Verbraucher aus und ist daher heikler. Die für 2027 geplante Einführung dieses neuen Systems stellt ein Risiko dar. Im Grunde genommen weiß niemand genau, wie hoch der Preisaufschlag an der Tankstelle und auf den Heizungsrechnungen sein wird. Die meisten EU-Gesetzgeber wollten sich vor diesem Risiko hüten.
Im Februar 2022 schlugen fünf von sieben Fraktionen im Europäischen Parlament vor, dieses zweite Emissionshandelssystem abzuschaffen (Sozialisten, Grüne, Linke, nationalkonservative ECR und rechtsextreme ID). Zusammen haben diese Fraktionen eine Mehrheit in der EU-Versammlung. Dennoch hat sich die Reform durchgesetzt. Das ist vor allem dem Verhandlungsgeschick eines Mannes zu verdanken, der mit allen Mitteln für das Überleben der Reform gekämpft hat: Peter Liese, ein deutscher Abgeordneter der Mitte-Rechts-EVP-Fraktion und Chefunterhändler für die Reform des Kohlenstoffmarktes.
Während die linke und grüne Seite des politischen Spektrums mehr staatliche Eingriffe gefordert hat, um klimaschädliche Technologien oder Verhaltensweisen zu stoppen, hat das rechte Lager versucht, sie zu stoppen, und dafür gekämpft, den Menschen die Wahlfreiheit zu lassen. Aber zu lange haben viele Konservative den Klimaschutz einfach als etwas angesehen, das „die Grünen wollen“ oder „die NROs wollen“.
Die Wahrheit ist jedoch, dass auch ihre Wähler die Auswirkungen des Klimawandels spüren. Die politische Rechte brauchte also eine Alternative zu völligen Verboten und anderen staatlichen Eingriffen, aber eine, die auch den Klimawandel aufhält. Und das ist der Emissionshandel. Das Emissionshandelssystem ist marktorientiert. Es mobilisiert private Investitionen. Es fördert die Innovation. Dafür sollte sich jeder auf der rechten Seite des politischen Spektrums einsetzen, wenn es ihm mit der Bekämpfung des Klimawandels ernst ist.
Die Verabschiedung des neuen Kohlenstoffmarktes für Heiz- und Verkehrskraftstoffe bleibt ein Risiko. Die EU-Länder müssen dafür sorgen, dass die Preise nicht ins Unermessliche steigen und diejenigen, die ohnehin schon Mühe haben, über die Runden zu kommen, nicht übermäßig belasten. Dies lässt sich am besten dadurch erreichen, dass die Nachfrage nach Emissionszertifikaten niedrig gehalten wird – durch die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen von Gebäuden und des Straßenverkehrs, und zwar ab heute.
Die nationalen Regierungen müssen die gleiche Verantwortung übernehmen, die das Europäische Parlament übernommen hat. Und das gilt insbesondere für Deutschland. Es ist sehr ehrgeizig, hat aber keinen Plan, wie es die Emissionen im Straßenverkehr reduzieren will, und muss daher die Kurve kriegen. Möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zum Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel, auf Elektrofahrzeuge, auf Wärmepumpen zu bewegen, ist nur eine der Möglichkeiten, welche die EU-Länder haben. Die Herausforderung bleibt gigantisch. Aber mit der Verabschiedung der EU-Kohlenstoffmarktreform ist die Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2 Grad wahrscheinlicher geworden als je zuvor.
->Quellen: