WWF-Untersuchungen zeigen, was sofort nötig und machbar ist
Wir leben in einer Welt, die sich gefährlich an Plastik gewöhnt hat. Der Plastikmüll nicht nur in unseren Meeren wird sich in den kommenden Jahren zu vervielfachen. Deshalb ist die Entscheidung der UN, sie wolle global gegen die Plastikflut vorgehen, eine historische. Nun müssen wirksame Taten folgen. Etliche Plastikprodukte können und sollten sofort flächendeckend abgeschafft und verboten werden. Der WWF hat am 15.05.2023 konkrete Vorschläge veröffentlicht.
Plastik ist nicht gleich Plastik. Ein Einwegbecher, der nach Gebrauch weggeworfen wird, schadet der Umwelt mehr, als eine Plastikpuppe, mit der im besten Fall nicht nur ein Kind spielt. Mikroplastik in Kosmetika brauchen wir weitaus weniger, als beispielsweise Verpackungen für empfindliche Medikamente. Auch in der Herstellung, Wiederverwendbarkeit und Entsorgung sind verschiedene Kunststoffe unterschiedlich umwelt- und klimaschädlich.
Gegen verwässerte Maßnahmen im Welt-Plastik-Vertrag: Unsere Studien
Ab 29.05.2023 treffen sich die UN-Mitgliedsstaaten in Paris, um über die Inhalte des globalen Abkommens zur Beendung der Plastikverschmutzung zu beraten. Doch das Thema Kunststoff ist komplex und zahlreiche Interessensgruppen arbeiten daran, das ehrgeizige Ziel des UN-Plastikvertrags zu schwächen. „Wir brauchen Regeln, die in großem Maßstab wirken und für alle Länder und Unternehmen die gleichen Bedingungen schaffen“, so Heike Vesper, Geschäftsleiterin Transformation und Politik des WWF Deutschland. „Weltweite Verbote für bestimmte, besonders schädliche Kunststoffprodukte sind als Teil der Lösung unumgänglich.“
In zwei umfassenden Studien haben wir untersucht, welche Plastikprodukte unsere Umwelt am meisten schädigen und welche wir am wenigsten brauchen, also leicht ersetzen können. Wir machen konkrete Vorschläge für sofortige Verbote, eine schrittweise Abschaffung und die Verbesserung von Nutzung, Recycling und Entsorgung. Die WWF-Studien sollen und können die Grundlage bilden für verbindliche, weltweit geltende Maßnahmen im neuen UN-Plastikvertrag.
Summary: Putting an End to Plastic Pollution
To put an end to the plastic crisis, the treaty must introduce comprehensive, binding rules across the plastic life cycle to ban the most damaging plastics, reduce production and consumption, promote reuse and recycling, and properly manage plastic waste. – PDF – 5,12 MB
Die Welt produziert Plastik in kolossalem Ausmaß. In den letzten zwei Jahrzehnten sind die Mengen noch einmal sprunghaft angestiegen. Plastik erstickt unsere Flüsse und Ozeane, tötet Arten und verunreinigt unsere Lebensmittel, unsere Luft und unser Wasser. Die Masse aller jemals hergestellten Kunststoffe ist inzwischen doppelt so groß wie die Masse aller Land- und Meerestiere zusammen.
Plastik ist in alle Umweltbereiche unserer Erde eingedrungen und kann jetzt überall gefunden werden – von den Höhen des Mount Everest bis in die Tiefen des Marianengrabens. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird sich die weltweite Plastikproduktion bis 2040 verdoppeln. Wir brauchen dringend wirksame, globale Lösungen.
„Wir brauchen Regeln, die in großem Maßstab wirken und für alle Länder und Unternehmen die gleichen Bedingungen schaffen. Weltweite Verbote für bestimmte, besonders schädliche Kunststoffprodukte sind als Teil der Lösung unumgänglich.“ (Heike Vesper, Geschäftsleiterin Transformation und Politik des WWF Deutschland)
Welches Plastik ist am schädlichsten? Die große WWF-Analyse
Welche Plastik-Produkte schaden unserer Umwelt am meisten – und wie misst man das? Unsere Studie bewertet die Plastikerzeugnisse der Welt nach den Eigenschaften ihres Materials, nach ihrem Verwendungszweck und vor allem danach, wie schnell, leicht und in welcher Menge das Plastik in die Umwelt gelangt und welche Schäden es dort anrichtet. So konnten wir verschiedene Risikogruppen an Produkten ausmachen, die am drängendsten angegangen werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel Einwegverpackungen und Mikroplastik. Schon heute schwimmen in unseren Meeren über eine Billion winzige Plastikpartikel – 500-mal mehr, als es Sterne in unserer Galaxie gibt.
Welches Plastik ist am unnötigsten?
Wir haben die Plastikprodukte außerdem danach unterteilt, wie sehr wir sie brauchen und wie kostspielig ein Ersatz wäre. Denn Plastik ist nicht lebenswichtig und in vielen Bereichen können wir sofort darauf verzichten. Zu den Produkten der Klasse 1, die problemlos kurzfristig erheblich reduziert oder ganz beseitigt werden können, gehören beispielsweise Plastikfasern in Zigarettenfiltern, Mikroplastik in Kosmetika oder Plastikbesteck. Es gibt keinen logischen Grund, warum wir Einwegplastik wie dieses noch länger weltweit im Umlauf halten sollten. Zu den Produkten der Klasse 2, die nicht so leicht oder sofort abgeschafft werden können, gehören Kontaktlinsen, Fischernetze oder Autoreifen. Für Kunststofferzeugnisse wie diese, auf die wir nicht sofort verzichten können, beschreiben wir in unserer Studie entweder einen schrittweisen Ausstieg oder Kontrollmaßnahmen für das Recycling und eine verantwortungsvolle Nutzung und Entsorgung.
Große Risiko-Gruppen statt des Verbots einzelner Artikel
Gesetze für einzelne Kunststoffartikel zu erlassen, ist auf globaler Ebene kompliziert, führt nicht weit genug und öffnet viele Schlupflöcher. Als Basis für die Regelungen des UN-Plastikvertrages haben wir deshalb große Produktgruppen erarbeitet und dargestellt, wie und in welchen Bereichen ihr Umweltrisiko jeweils minimiert werden kann und muss.
Welt-Plastik-Vertrag: Einmalige Gelegenheit
Das globale Abkommen zur Plastikverschmutzung ist eine große Chance, die Beziehung zu unserem Planeten neu zu gestalten. Es ist die Gelegenheit, Produkte auszumerzen, die den Menschen, Tieren und Lebensräumen den größten Schaden zufügen. Der UN-Plastikvertrag hat das Potential, uns von der Einweg-Mentalität in eine nachhaltige Zukunft zu bringen. Doch dafür muss er wegweisend sein und ehrgeizige Maßnahmen fordern und kontrollieren. Der Mensch hat das Plastikproblem geschaffen. Aber wir haben auch das Wissen und die Mittel, es zu lösen.
Plastikarten
Verpackungen – Der Verpackungssektor ist für den größten Teil der Plastikproduktion verantwortlich. 460 Millionen Tonnen Kunststoff wurden weltweit im Jahr 2019 hergestellt. Davon wurde schätzungsweise ein Drittel bis fast die Hälfte für Verpackungen verwendet.
Die WWF-Analyse unterscheidet für verschiedene Regularien zwischen Einweg- und Mehrwegverpackungen und danach, wie berührungsempfindlich das verpackte Gut ist. So kann es notwendiger sein, ein bestimmtes Lebensmittel in Plastik zu verpacken, als einen Fernseher.
Konsumgüter – Vieles, das an unseren Stränden angeschwemmt wird oder im Meer treibt, sind kurzlebige Wegwerfartikel wie Wattestäbchen, Plastikbesteck, Feuchttücher und Windeln. Sie werden oft direkt in die Umwelt oder die Abwassersysteme entsorgt und können derzeit kaum recycelt werden. Zur Gruppe gehören aber auch länger haltbare Kunststoffprodukte. Bei einigen von ihnen – wie Möbeln und Spielzeug – ist die Wahrscheinlichkeit der Umweltverschmutzung geringer. Andere Produkte wie Autoreifen und synthetische Textilien tragen während ihrer Lebensdauer erheblich zur Umweltverschmutzung bei, da sie Mikrofasern aus Kunststoff freisetzen.
Branchen-Produkte – Besonders in der Fischerei und in der Landwirtschaft werden Kunststoffprodukte in und um natürliche Ökosysteme verwendet und teilweise hier sogar entsorgt. Bekannt sind die sogenannten „Geisternetze“ – weggeworfene oder verlorene Fischernetze, in denen zahlreiche Tiere unnötig qualvoll verenden. In der Landwirtschaft können Folien auf Feldern Mikropartikel freisetzen. Kunststoffe, die in anderen Sektoren wie der Elektronik- und der Automobilindustrie verwendet werden, gelten dagegen unter Umweltgesichtspunkten momentan nicht als unmittelbare Priorität.
Primäres Mikroplastik – Mikroplastik und Nanoplastik bilden die am wenigsten sichtbare, aber heimtückischste Form der Kunststoffverschmutzung und gelangen leicht in die Nahrungskette. Ein Großteil der Mikroplastikverschmutzung entsteht durch den Abbau anderer Produkte wie beim Waschen synthetischer Kleidung. Doch Mikroplastik wird auch als eigenständiges Produkt hergestellt. Wir bezeichnen das als primäres Mikroplastik. Dazu gehören Mikroperlen in Zahnpasta, Hautpflege und Peelings oder Antifouling-Anstriche auf Schiffsrümpfen.
->Quellen und weitere Informationen: