Remanufacturing als neuer DIN-Standard
Gebrauchte Geräte identifizieren, inspizieren, zerlegen, die Komponenten reinigen, aufarbeiten, Teile bei Bedarf ersetzen und das neu montierte Produkt testen und wieder nutzen: Remanufacturing (zu Deutsch: Refabrikation oder Aufarbeitung) wird in verschiedensten Industrien bereits erfolgreich genutzt. Die Wiederaufarbeitung gebrauchter Produkte spart Rohstoffe und Kosten – bei mindestens gleicher Qualität. Ein neuer DIN-Standard erhöht das Potenzial des Remanufacturings.
Doch welche Prozesse stecken hinter einem solchen Produkt? Wie ist die Qualität zu bewerten? Noch fehlen die Standards, um Transparenz und damit Vertrauen für Unternehmen und Kundschaft zu fördern. Die neue DIN SPEC 91472 schafft Verbindlichkeit: Unter dem Titel „Remanufacturing – Qualitätsklassifizierung für zirkuläre Prozesse“ grenzt sie Remanufacturing von anderen werterhaltenden Prozessen wie Reparatur und Refurbishment ab. Zudem definiert sie mehrere Qualitätsklassen, um verschiedene Aspekte der Prozessqualität von Remanufacturing und ihre Auswirkungen auf das Produkt zu unterscheiden. Die DIN SPEC steht beim Beuth Verlag unter www.beuth.de zum kostenlosen Download bereit.
Produkte wie neu – und besser
Remanufacturing hat eine Vielzahl ökonomischer und ökologischer Vorteile: Für die Wiederaufarbeitung sind verglichen mit der Neuproduktion meist deutlich weniger Materialien und ein geringerer Energieaufwand nötig. Weniger Ressourcenverbrauch und geringere CO2-Emissionen schützen das Klima. Für die Kundschaft sind diese Produkte außerdem günstiger. Gleichzeitig gilt: Produkte, die mittels Remanufacturing wiederhergestellt wurden, sind Neuprodukte – sie erhalten daher die marktübliche Gewährleistung, was Verbraucher*innen zusätzliche Sicherheit gibt. Remanufacturing-Produkte sind mindestens genauso funktional und leistungsfähig wie die ursprüngliche Ware – zum Teil sogar besser. Ob bei komplexen oder einfachen Produkten, in kleiner oder großer Stückzahl, mit hohen oder niedrigen Sicherheitsanforderungen – Remanufacturing lohnt sich in vielen Branchen. In so unterschiedlichen Industrien wie der Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik und im Automobilibau werden bereits Produkte wiederaufbereitet. Doch diverse Barrieren, zum Teil wegen fehlender Normen und Standards, bremsen noch das große Potenzial von Remanufacturing-Produkten.
Klare Unterscheidung von Remanufacturing, Reparatur, Refurbishment & Co.
Die DIN SPEC 91472 definiert, wie sich Remanufacturing in der Praxis von Begriffen wie Refurbishment, Reparatur und Reuse unterscheiden lässt. Sie legt Qualitätsanforderungen sowohl für Akteure aller Industriezweige fest, die Remanufacturing-Prozesse nutzen möchten, als auch für sogenannte Inverkehrbringer von Remanufacturing-Produkten. Damit können sich Anwender*innen der DIN SPEC von Mitbewerbern abheben, die keine klar definierten Prozesse nutzen. Für die Kundschaft dient ein Remanufacturing-Label nach dieser DIN SPEC als Entscheidungskriterium: Damit ist für sie transparent, was sie von einem bestimmten Prozess und dessen Produkten erwarten können.
Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, begrüßt den neuen Standard: „Die Wiederaufarbeitung und Weiternutzung von Produkten ist zentraler Bestandteil einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Durch Remanufacturing wird Wertschöpfung erhalten und die Abhängigkeit von Importen kritischer Rohstoffe reduziert. Viele Industrieunternehmen haben so schon bisher in erheblichem Maße Ressourcen und Energie eingespart. Mit der neu erarbeiteten DIN SPEC besteht jetzt ein verlässlicher produktübergreifender Qualitätsstandard für Remanufacturing, was die Umsetzung auch für andere Unternehmen und Branchen erheblich erleichtert. Dies ist ein wichtiger Schritt bei der notwendigen Anpassung und Weiterentwicklung von Normen und Standards hin zu einer Circular Economy, die Umwelt und Ressourcen schützt.“
Wichtiger Schritt in Richtung Circular Economy
Indem Normen und Standards Terminologien sowie Schnittstellen vereinheitlichen, stellen sie eine breite Akzeptanz sicher. Nachhaltige Technologien und Prozesse werden auf diese Weise gefördert. Im Januar 2023 veröffentlichten DIN, DKE und VDI vor diesem Hintergrund die Normungsroadmap Circular Economy: Sie gibt einen Überblick über die Anforderungen und Herausforderungen für sieben Schwerpunktthemen und formuliert konkrete Handlungsbedarfe für zukünftige Normen und Standards in der Circular Economy. Die neu erarbeitete DIN SPEC 91472 bietet somit nicht nur einen Industriestandard für Remanufacturing, sondern bildet zugleich den Auftakt für die Umsetzung umfangreicher Normungs- und Standardisierungsbedarfe, die im Bereich der Circular Economy identifiziert wurden.
Erarbeitet wurde der Standard von einem Konsortium aus Experten des Instituts für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule München, Experten von Airbus Operations GmbH, Automotive Parts Remanufacturers Association Europe (APRA), BPW Bergische Achsen KG, Liebherr-Ettlingen GmbH, Lorenz GmbH & Co. KG, roeren GmbH, TRUMPF Werkzeugmaschinen SE und ZF Friedrichshafen AG.
INATECH – Institut für Nachhaltige Technische Systeme
Das Institut für Nachhaltige Technische Systeme INATECH ist ein neu gegründetes Institut der Technischen Fakultät an der Universität Freiburg. Unsere Vision ist es, Nachhaltigkeit als Leitgedanken bei der Entwicklung technischer Systeme zu etablieren. Hierzu tragen wir mit exzellenter Forschung bei. In der Lehre bilden wir hochqualifizierte Ingenieurinnen und Ingenieure aus, die befähigt und motiviert sind, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.
Am INATECH suchen wir ingenieur-wissenschaftliche Lösungen im Kontext aktueller Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung. Unsere drei stärksten Kompetenzfelder sind dabei Nachhaltige Materialien, Energiesysteme und Resilienz. Gemeinsam mit unseren Partnern und Interessensgruppen aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor forschen wir in interdisziplinären Projekten an Methoden, Modellen, Materialien, Technologien und Demonstratoren und entwickeln technische Systeme, um die Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen zu befriedigen. Unser Institut besteht aus einer gleichwertigen Partnerschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie der fünf Freiburger Fraunhofer-Institute. Dieses Fundament macht uns einzigartig in der Forschungslandschaft und ermöglicht es, die gesamte Bandbreite von der Grundlagenforschung bis hin zur industriellen Anwendung abzudecken.
Die Bereiche Energiesysteme beschäftigt sich hauptächlich mit Entwicklung von Systemlösungen zur nachhaltigen Versorgung der Gesellschaft durch erneuerbare, zuverlässige und ausreichend vorhandene Energien sowie den effizienten Umgang mit Energie und deren Speicherung.
->Quellen: