Finanzinstituten fehlen wirksame Kriterien
Der deutsche Gebäudesektor verursacht mehr als ein Drittel der jährlichen Treibhausgas-Emissionen. Um dieses enorme Einsparpotenzial zu nutzen, muss die Transformation des Sektors deutlich beschleunigt werden – einerseits, um den Energieverbrauch und die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren und andererseits, um Materialkreisläufe zu schließen. Laut Pressemitteilung des WWF vom 25.05.2023 könne der Finanzsektor hierzu einen großen Beitrag leisten, wie auch das aktuelle Impulspapier des Projekts „Circular Economy als Innovationsmotor für eine klimaneutrale und ressourceneffiziente Wirtschaft“ (kurz CEWI Projekt) bestätige. CEWI ist ein Verbundvorhaben von WWF Deutschland, Stiftung KlimaWirtschaft und Wuppertal Institut.
Das Papier verdeutliche, dass Banken und Finanzinstitute eine deutliche Hebelwirkung erzeugen können, wenn sie beim Finanzieren von Immobilien wirksame Kriterien der Circular Economy anwendeten. Gleichzeitig könnten sie so wertstabile Immobilien schaffen und langfristige Risiken minimieren. Das CEWI-Impulspapier „Mit Circular Economy nachhaltig wertstabile Immobilien schaffen“, das gemeinsam mit Unternehmen aus dem Gebäude- und Finanzsektor entstanden ist, zeigt, wie Banken und Finanzinstitute einen zirkulären Gebäudebereich vorantreiben können. Anhand der acht Circular-Economy-Kriterien, die für die EU-Taxonomie entwickelt wurden, zeigt das Papier, wie deutsche Banken zirkuläre Bedingungen frühzeitig in ihre Kreditvergabe bei Immobilien integrieren können.
„Banken und Finanzinstitute profitieren ganz konkret davon, wenn sie zirkuläre Kriterien beim Finanzieren von Gebäudesanierung oder auch Neubau anwenden“, sagt Silke Küstner, Expertin für Circular Economy und Gebäude beim WWF Deutschland. „Betrachten wir den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, dann spart eine zirkuläre Bauweise, je nach Größe und Gebäudetyp, bis zu 32 Prozent der Gesamtkosten. Außerdem werden kreislaufgerechte und schadstoffarme Gebäude zu wertstabileren Immobilien und damit zu geringeren Risiken für Banken und Kreditgebern, nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Klima- und Biodiversitätskrise. Betrachten wir den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, dann spart eine zirkuläre Bauweise, je nach Größe und Gebäudetyp, bis zu 32 Prozent der Gesamtkosten.“
Für die EU-Taxonomie hat die ExpertInnenkommission der EU-Kommission acht Circular-Economy-Kriterien definiert: sechs Kriterien für Neubau, zwei zusätzliche Kriterien für Sanierung und Renovierung. „Die Circular-Economy-Kriterien der ExpertInnenkommission sind ein richtungsweisender Standard dafür, wohin sich der Gebäudebau entwickeln muss“, sagt Marina Fecke, Researcherin im Forschungsbereich Stoffkreisläufe am Wuppertal Institut und ergänzt: „Deshalb sollten Banken und Finanzinstitute diese Kriterien bereits jetzt bei ihren Finanzierungsentscheidungen anwenden und sich so ihr Kapital gegenüber Wertverlusten absichern.“
Konkret bedeutet das, dass Finanzinstitute gezielt Wissen zu Circular Economy aufbauen müssen und diese Nachweise für Bau- und Sanierungsprojekte einfordern sollten:
- einen Gebäuderessourcenpass,
- ein Rückbau- und Recyclingkonzept,
- eine Lebenszyklusanalyse bei Neubauten und
- einen Gebäudeenergieausweis, auch für gewerbliche Immobilien.
„Banken können als Kreditgeber einen positiven Einfluss auf EigentümerInnen und auf die gesamte Baubranche ausüben“, hebt Marina Fecke hervor. Allerdings muss auch der Gesetzgeber seinen Beitrag leisten, um die zirkuläre Transformation des Gebäudesektors zu beschleunigen. „Erst mit einem verpflichtenden Gebäuderessourcenpass und der Ökobilanzierung, die bereits im Herbst 2023 in der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes verankert werden sollten, schafft die Bundesregierung die Datengrundlage und damit eine zentrale Datenbank für Gebäudedaten“, so Küstner. „Diese zentrale Datenbank für Gebäudedaten ist dringend notwendig, damit der Finanzsektor zielgerichtete Finanzierungsentscheidungen treffen kann, die auch wirksam auf die Transformation des Gebäudesektors einzahlen. Diese Daten kann die Politik auch nutzen, um taxonomiekonforme Förderprogramme für Gebäudebau und Sanierung aufzusetzen – ein weiterer möglicher Treiber der Transformation im Gebäudesektor.“
Hintergrund CEWI
Das CEWI-Impulspapier stützt sich auf die im März 2022 von der Platform on Sustainable Finance (PSF), der ExpertInnengruppe der EU-Kommission, empfohlenen acht zentralen Circular-Economy-Kriterien der EU-Taxonomie für den Gebäudesektor im Rahmen des Umweltziels „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“. Der entsprechende delegierte Rechtsakt mit bindenden Vorgaben wurde für Ende Juni 2023 von der EU-Kommission angekündigt. Die CEWI-Projektgruppe Circular Finance besteht sowohl aus ExpertInnen im Bereich zirkuläre Gebäude/zirkuläres Bauen als auch aus VertreterInnen nachhaltiger Banken. Die Gruppe bringt somit Expertise zu Circular Economy im Gebäudebereich mit und kann wertvolle Impulse dazu liefern, wie Nachhaltigkeit sinnvoll im Geschäftsmodell einer Bank verankert werden kann.
Beim CEWI-Vorhaben entwickeln mehr als 40 Unternehmen zusammen mit AkteurInnen aus Wissenschaft, Verwaltung und Politik innovative, wertschöpfungsübergreifende, zirkuläre Geschäftsmodelle und Pilotprojekte in den Sektoren Gebäude und Automobil. Emissionen sollen reduziert, der Materialeinsatz transformiert und eine systemische Veränderung der Branchen angestoßen werden.
Das CEWI-Vorhaben besteht aus einem Konsortium aus dem WWF Deutschland, der Stiftung KlimaWirtschaft und dem Wuppertal Institut. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz fachlich begleitet.
->Quelle: