Asphalt ohne Bitumen

„Dieses neue Material könnte den Straßenbau weltweit verändern“

„Viel spricht dafür, dass Bitumenersatz den Straßenbau weltweit verändern wird“, schreibt die Wirtschaftswoche am 21.07.2023. Durch ein neu entwickeltes Asphalt-Bindemittel will der Straßenbau-Marktführer Strabag seine CO2-Bilanz verbessern und die Abhängigkeit vom Raffinerie-Abfallprodukt Bitumen senken. Bei der Herstellung von Bitumen, dem Bindemittel in Asphalt, werden jährlich mehr als 30 Megatonnen CO2 ausgestoßen. Durch Ersetzen der klassischen Bitumenkomponenten und natürliche Rohstoffe wird eine der größten CO2-Quellen der Welt zu einer der größten CO2-Senken.

Sogenannte Asphaltfertiger – Foto © Sonaz – Eig. Werk, CC BY 3.0, commons.wikimedia.org

„Biotumen“ heißt das Zauberwort für das neue Straßenbelagsmittel: Während herkömmliches Bitumen auf Rohöl und Raffinerierückständen basiert und pro Tonne Bitumen rund 350 Kilogramm CO2 emittiert, wird Biotumen aus natürlichen Rohstoffen hergestellt. Das gebundene CO2 verbleibt dabei dauerhaft im Biotumen. Biotumen ist ein Bindemittel, das aus Reststoffen natürlichen Ursprungs hergestellt wird und das Potenzial hat, die Baubranche zu revolutionieren. Es ist eine nachhaltige Alternative zu Bitumen, das aus Rohöl gewonnen wird und nicht nur eine begrenzte Ressource darstellt, sondern auch stark verschmutzend ist. Das Biotumen der Biofabrik wird aus organischen Abfällen hergestellt und ist damit nicht nur nachhaltig, sondern auch kosteneffizient. Biotumen hat ein breites Anwendungspotenzial, von Straßenbau und Dachabdichtung bis hin zum Brückenbau und zur Pipeline-Beschichtung.

Dank der Instant-Biotumen-Technologie wird die Bitumenproduktion unabhängig von Erdölraffinerien. Biotumen ist CO2-negativ: Eine Tonne bindet bis zu 1.516 kg CO2. Und es ist 10x haltbarer als herkömmliches Bitumen: In einem standardisierten Spurbildungsversuch habe Biotumen laut Hersteller deutlich besser abgeschnitten. (biofabrik.com/biotumen)

Strabag kooperiert mit dem Start-up B2Square/Bitumen beyond Oil aus Meerbusch bei Düsseldorf. Es hat einen Bitumen-Ersatz aus natürlich vorkommendem Kohlenwasserstoff-Harz und einen zähflüssigen Cashewschalen-Extrakt entwickelt. Sogenannte Asphaltene gewinnt B2Square aus einem Kohlenwasserstoff-Harz, das über und unter Tage mit Bergbautechnik abgebaut wird. Sogenannte Maltene stammen aus den Schalen von Cashewkernen. Beide Komponenten – das Kunstharz-Pulver und das zähflüssige Cashewschalen-Extrakt – werden für den Einsatz im Straßenbau mit dem Asphalt kalt vermischt.

Wirtschaftswoche: „Erst nach umfangreichen Prüfungen hat die für Qualitätssicherung und Innovation zuständige Strabag-Tochter TPA im eigenen Unternehmen grünes Licht für Biotumen gegeben. „Die Materialeigenschaften von Biotumen als Bindemittel haben uns auch beim Asphalteinbau überzeugt“, sagt der Kölner Strabag-Vorstand Thomas Nyhsen. Durch den Beimischungsprozess werde „die Produktionswärme deutlich verringert“. Das bedeutet weniger CO2-Ausstoß. Die eingesetzten Maltene haben sogar die Fähigkeit zur Speicherung von CO2.“

Viel spreche dafür, „dass das neue Material den Straßenbau weltweit verändern wird. Aber auch andere Branchen werden die Strabag-Entscheidung und die B2Square-Entwicklung mit Interesse verfolgen. Zweitgrößter Nutzer von Bitumen sind die Hersteller von Dachbahnen, wie sie Hochbau und Bauhandwerksbetriebe einsetzen. In Autos steckt die schwarze Masse ebenso wie in Haushaltsgeräten – als Geräuschdämmung. Rund 400 Gramm Bitumen befinden sich in normalen Waschmaschinen, rund 800 Gramm in Geschirrspülmaschinen.“

Strabag bietet den erdölfreien Asphalt „ab sofort deutschlandweit im Privatkundenbereich an und rechnet mit einer regen Nachfrage“ teilt das Unternehmen mit. Potenziell interessiert könnten beispielsweise Auftraggeber sein, die ihrerseits die CO2-Bilanz verbessern wollen, indem sie etwa Zufahrten oder Parkplätze auf dem Werksgelände erdölfrei asphaltieren. „Von der Hauseinfahrt bis zur Straße“ sieht Vorstand Nyhsen zahlreiche Einsatzmöglichkeiten. Da Strabag zunehmend auch recycelten Asphalt einsetzt, ergänzt Biotumen die Ökostrategie des Konzerns.

Der Siegeszug des Biotumens werde allerdings Zeit brauchen. Denn die Zulassung des Materials für den Bau von Autobahnen und anderen öffentlichen Straßen werde zum einen Zeitkosten. Zum anderen müssen Produktionskapazitäten erst einmal aufgebaut werden. In zwei bis drei Jahren könnten rund fünf Prozent des in Deutschland verarbeiteten Asphalts unter Verwendung von Biotumen hergestellt werden – zwei Millionen von insgesamt 40 Millionen Tonnen Walz- und Gussasphalt. Bevor das neuartige Bindemittel in die Regelwerke aufgenommen und auch im öffentlichen Straßenbau eingesetzt werden kann, wären noch weitere Bewährungsproben im Dauerbetrieb zu bestehen. Zum Beispiel auf eigenen Testflächen der Bundesanstalt für Straßenwesen im nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach.

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