Stille Auswirkungen des unterirdischen Klimawandels auf zivile Infrastruktur

Untergrundwärme kann auch Als Wärmequelle dienen

Am 11.07.2023 erschien in Nature Communications Engineering unter dem Titel „The silent impact of underground climate change on civil infrastructure“ eine Untersuchung über das Aufheizen von Städten. Darin befasst sich der amerikanische Bau- und -Umweltingenieur Alessandro F. Rotta Loria von der Northwestern University vor allem mit der Erwärmung des Stadt-Untergrunds. Denn Abwasserkanäle, Garagen, Tunnel, U-Bahn-Linien und -höfe geben Wärme ab – mit dem Ergebnis eines unterirdischen Klimawandels. Diesen untersuchte der Autor im Chicagoer Stadtteil The Loop (dem  zweitgrößten Geschäftsbezirk der USA) mit dem Ergebnis, dass unterirdische Wärmeinseln zu Bodenverformungen und -verschiebungen führen können, die zwar nicht die Standsicherheit der Gebäude, wohl aber die Haltbarkeit der Infrastrukturen beeinträchtigen. Aber sie könnten als Energiequelle dienen.

U-Bahntunnel Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Städtische Gebiete leiden zunehmend unter unterirdischen Wärmeinseln: eine unterirdische Klimaveränderung, die zu Problemen in den Bereichen Umwelt, öffentliche Gesundheit und Verkehr führt. Lotta Loria untersucht, „ob Bodenverformungen, die durch unterirdische Wärmeinseln verursacht werden, zivile Infrastrukturen beeinträchtigen können. Ein 3-D-Computermodell, das auf Daten basiert, die über ein Netz von Temperatursensoren gesammelt wurden, wurde verwendet, um die durch den Klimawandel im Untergrund verursachten Temperaturschwankungen, Verformungen und Verschiebungen zu beschreiben. Diese sind teils erheblich und können von Fall zu Fall mit den Betriebsanforderungen von Bauwerken unvereinbar sein.“ Daher fordert er, „die Auswirkungen des unterirdischen Klimawandels auf die zivile Infrastruktur in künftigen Stadtplanungsstrategien“ zu berücksichtigen, „um mögliche strukturelle Schäden und Fehlfunktionen zu vermeiden“. Insgesamt deute die Arbeit darauf hin, „dass der unterirdische Klimawandel eine stille Gefahr für die zivile Infrastruktur im Chicago Loop und anderen städtischen Gebieten weltweit darstellen kann, aber auch eine Chance, die Abwärme im Boden wiederzuverwenden oder zu minimieren.“

Der Boden unter städtischen Gebieten erwärme sich, was zu unterirdischen städtischen Wärmeinseln führe. Dieser unterirdische Klimawandel habe anthropogene und meteorologische Ursachen. Die Hauptursache, die sich über Jahre hinweg entwickelt habe, bestehe in thermischen Störungen des Untergrunds aufgrund anthropogener Aktivitäten. Durch Gebäude und Infrastrukturen werde aufgrund von Wärmeverlusten im Zusammenhang mit der Beheizung von Innenräumen und dem Betrieb von Geräten ständig Wärme in den Boden abgegeben. Der unterirdische Verkehr beeinflusse das Temperaturfeld des Untergrunds immer wieder durch die von bremsenden Zügen oder fahrenden Autos und Personen abgegebene Wärme. Unterirdische Rohrleitungen, Abwasserkanäle, Hochspannungskabel und Fernwärmesysteme heizen den Boden ebenfalls auf. Eine weitere Ursache für unterirdische Wärmeinseln, die sich über Zeiträume von Jahrhunderten entwickeln, sind meteorologische Einflüsse. Der Anstieg der Lufttemperatur über dem Boden aufgrund der täglichen Absorption der Sonnenstrahlung und anderer Wärmequellen durch Baumaterialien führt zu meteorologischen städtischen Wärmeinseln. Da die Bodentemperatur (z. B. jenseits der obersten 4-6 m bis hinunter zu 50-100 m) in der Regel nahe an der mittleren jährlichen Oberflächentemperatur der Luft liegt und die Lufttemperatur aufgrund der städtischen Wärmeinseln ansteigt, erwärmt sich auch der Boden. Daher können unterirdische städtische Wärmeinseln teilweise als der unterirdische thermische Abdruck meteorologischer städtischer Wärmeinseln betrachtet werden.

Besorgniserregendes Phänomen

Lotta Loria: „In Abhängigkeit von der städtischen Dichte und Bevölkerung sowie der Topografie und Hydrogeologie des städtischen Raums sind unterirdische städtische Wärmeinseln ein besorgniserregendes Phänomen für städtische Gebiete, das oft intensiver sein kann als sein oberirdisches Gegenstück.“ Eine kürzlich durchgeführte Überprüfung der Literatur lege nahe, dass unterirdische Wärmeinseln in verschiedenen Städten die durchschnittlichen Bodentemperatur zwischen 0,1 und 2,5 °C pro Jahrzehnt in bis zu 100 m Tiefe habe ansteigen lassen. Untersuchungen belegen die vielfältigen Auswirkungen des Temperaturanstiegs im Untergrund auf städtische Gebiete.

Dieser könne sich auf den biochemischen und hydrogeologischen Zustand des städtischen Untergrunds auswirken. Er könne weiter auch zu Problemen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und der öffentlichen Gesundheit führen, z. B. zu überhitzten U-Bahn-Schienen, auf denen Züge langsamer fahren oder gar anhalten müssten, und zu extremen Lufttemperaturen im Untergrund, die thermisches Unbehagen und hitzebedingte Krankheiten wie Hitzekrämpfe, Dehydrierung, Bluthochdruck, Asthma und Hitzschlag verursachten.

Grundlegende Hypothese hinter dieser Arbeit sei, dass unterirdische Wärmeinseln eine stille Gefahr für städtische Gebiete darstellten, die sich nachteilig auf die Leistungsfähigkeit der zivilen Infrastruktur auswirken könnten. Diese Hypothese stütze sich auf drei Überlegungen:

  1. „Böden, Felsen und Baumaterialien werden von Temperaturschwankungen beeinflusst und unterliegen thermisch bedingten Verformungen und Eigenschaftsänderungen, die im Laufe der Zeit reversibel oder irreversibel sein können;
  2. die durchschnittliche Temperatur des oberflächennahen Untergrunds in städtischen Gebieten steigt mit alarmierender Geschwindigkeit an, wobei im Kern dichter Stadtviertel Anomalien der Bodentemperatur von bis zu +20 °C festgestellt wurden;
  3. Es hat sich gezeigt, dass vergleichbare Temperaturschwankungen, wie sie derzeit im Untergrund städtischer Gebiete gemessen werden, ein Problem für die geotechnische und strukturelle Leistungsfähigkeit geothermischer Bauwerke und Infrastrukturen darstellen und aus diesem Grund bei ihrer Planung berücksichtigt werden müssen; allerdings ist kein bestehendes Bauwerk oder keine Infrastruktur in Städten für steigende Bodentemperaturen ausgelegt und daher anfällig für betriebliche Probleme aufgrund von Wärmeinseln im Untergrund“.

Diese Untersuchung zeigt eine stille, aber potenziell problematische Auswirkung von Wärmeinseln im Untergrund auf die Leistungsfähigkeit von Bauwerken und Infrastrukturen (z. B. Gebäudefundamente, Erdbauwerke und andere unterirdische Strukturen und Einrichtungen). Die Ursache dieses Problems liegt in den thermisch bedingten Bodenverformungen und -verschiebungen, die langsam, aber kontinuierlich im städtischen Untergrund vonstatten gehen.

Die durch unterirdische Wärmeinseln verursachten Bodenverformungen und -verschiebungen können die Betriebsleistung von Bauwerken und Infrastrukturen beeinträchtigen. Lotta Loria: „Mit anderen Worten, die Entwicklung solcher Bodenverformungen und -verschiebungen droht zwar nicht zum Einsturz oder Bruch von Bauwerken und Infrastrukturen zu führen, kann aber potenziell deren Haltbarkeit, Ästhetik und Betriebsanforderungen beeinträchtigen. Die Auswirkungen des unterirdischen Klimawandels auf die zivile Infrastruktur bedrohen also nicht die Sicherheit der Menschen, können aber von Fall zu Fall die effiziente Nutzung und die Dauerhaftigkeit solcher Bauwerke und damit den Komfort der darin lebenden Menschen beeinträchtigen.“

Dank der Ergebnisse von Lotta Lorias Arbeit könnten, die Auswirkungen von unterirdischen Wärmeinseln realistisch vorhergesagt werden. Das verspreche Informationen für künftige Stadtplanungsstrategien: Diese allgegenwärtigen Phänomene könnten mit wirksamen und relativ einfachen Strategien eindgeämmt werden. „Aus dieser Perspektive können unterirdische Wärmeinseln als Ressource betrachtet werden, da sie die Möglichkeit bieten, große Mengen an Abwärme zu nutzen, die sonst im Boden verpuffen würden, oder alternativ und in erster Linie den Verlust solcher Wärme durch geeignete Nachrüstungsmaßnahmen an Gebäuden und Infrastrukturen zu minimieren. Der Temperaturanstieg im Untergrund stelle eine Chance dar, da geothermische Technologien zusätzliche Wärme aus dem Boden nutzen und wiederverwerten können.

Bereits stattfindende Nutzung von Abwärme – Luft

Götz Warnke befasst sich im Portal der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenrgie mit aktuellen Beispielen der Nutzung von unterirdischen Wärmeinseln als Wärmequellen: In Stockholm werde die Körperwärme der täglich über 300.000 NutzerInnen des Hauptbahnhofs und des U-Bahn-Knotenpunktes T-Centralen verwendet, um damit teilweise das Bürohaus Kungsbrohuset zu heizen; in DER Pariser Metro-Station Rambuteau würden mit der Abwärme der Menschen, aber auch der Beleuchtung, der Reibung der Metro-Räder und -Bremsen die mit Fußboden-Heizung ausgestatteten 17 Appartements eines daneben liegenden Wohnhauses geheizt.

Wasser

Wegen der höheren Wärmedichte sei dieser Bereich deutlich mehr im Focus von Wissenschaftlern und öffentlichen wie privaten Nutzern. Es gebe verschiedene Ratgeber wie z.B. „Heizen und Kühlen mit Abwasser“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) etc., oder den kommunalen Leitfaden „Energie aus Abwasser“ vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU).  Dazu kämen viele Praxisbeispiele wie das Neubaugebiet an der Dieselstraße in Hamburg-Barmbek, das aus einem entsprechenden Siel mit 53 Wärmetauscher-Modulen auf 106 Metern Länge versorgt wird. Erheblich größere Dimensionen habe die am Klärwerk Dradenau projektierte Abwasser-Großwärmepumpe des ebenfalls städtischen Unternehmens Hamburg Wasser: Sie solle 60 MW Wärmeleistung erzeugen, 39.000 Wohneinheiten klimafreundlich versorgen, und jährlich 66.000 Tonnen CO2-Emissionen einsparen. In Berlin gebe es seit dem vergangenen Jahr sogar einen Abwasser-Wärmeatlas, der die entsprechenden Potenziale der Bundeshauptstadt aufzeigt, nachdem man schon seit mehr als einem Jahrzehnt Abwärme für die Beheizung einzelner Liegenschaften genutzt habe.

Feststoffe

Im Zuge des Ausbaus der Eisenbahnmagistrale München-Verona habe man in der Tiroler Gemeinde Jenbach Anfang der 2010er Jahre einen Tunnelabschnitt großflächig thermisch aktiviert. Auch wenn hier eine energetische Nähe zur Geothermie gegeben sei, so werde doch ebenfalls auf die Wärmeeinträge der durchfahrenden Züge gesetzt. Ähnlich der U-Bahn-Tunnel der Linie 6 in Stuttgart-Fasanenhof; auch hier spielten die Wärmeeinträge durch die Züge. Personen und evtl. Wärmeverluste durch entweichende Tunnelluft eine Rolle.

Warnkes Fazit

„Obgleich es viele interessante Ansätze und Projekte gibt, findet die Abwärmenutzung noch längst nicht in dem für eine erfolgreiche Energiewende notwendigem Ausmaß statt. Dabei zeigen die Ergebnisse der Studie aus Chicago, dass sie auch auf anderen Gründen wichtig ist. Die Klimakrise wird diese Notwendigkeiten künftig nochmals dringlicher machen.“

->Quellen: