Grünes Methanol für Schifffahrt und Industrie durch Kohlenstoff-Kreislauf

„Leuna100“-Projekt bekommt 10,4 Millionen Euro Förderung

Forschende aus Berlin-Adlershof wollen die Schifffahrt klimafreundlicher machen. Bisher fahren Seeschiffe meistens mit Schweröl. Das verursacht Gigatonnen CO2. Deshalb wird an der Produktion von grünem Methanol geforscht. Das kann aus Biomasseabfall oder CO2 und Wasserstoff gewonnen und mit Ökostrom erzeugt werden. Ein Problem dabei ist die mangelnde Effizienz der Herstellungsverfahren. Man braucht nämlich hohe Temperaturen und hohen Druck. Das Start-up „C1 Green Chemical AG“ in Berlin-Adlershof möchte grünes Methanol mit einem neuen Herstellungsverfahren wettbewerbsfähig machen. Ein neuer Katalysator wandelt das sogenannte Synthesegas um, während es in einer Flüssigkeit gelöst ist.

Fraunhofer IWES Hydrogen Lab Leuna – Bild © Till Schuster, Linde GmbH

Ein Konsortium aus zwei Fraunhofer-Instituten (IWES und UMSICHT), dem DBI-Gastechnologischen Institut Freiberg, der TU Berlin und dem Berliner Climate-Tech-Start-up C1 schreibt am Standort Leuna Industriegeschichte, so eine Medienmitteilung vom 15.08.2023: Das Verkehrsministerium fördert die ökologische Neuerfindung des 100 Jahre alten Verfahrens der Methanolherstellung. Ein Einsatz des grünen Kraftstoffs würde Gigatonnen CO2 einsparen.

Das Projekt will marktreife und skalierbare Herstellung grünen Methanols für die Schiff- und Luftfahrt erreichen. Der Alkohol gilt als Schlüssel, um diese Industrien zu defossilisieren und aus der Abhängigkeit von Erdöl zu befreien. Dafür setzt das Expertenkonsortium auf das neuartige sogenannte C1-Katalyseverfahren zur Herstellung von grünem Methanol. Das Projekt wird vom BMDV über die nächsten drei Jahre mit insgesamt 10,4 Millionen Euro gefördert.

Allein die Schifffahrt ist aktuell für den Ausstoß von rund 1,1 Milliarden Tonnen CO2 (rund drei Prozent der globalen CO2-Emissionen) sowie weiterer gesundheitsschädlicher Luftschadstoffe wie Schwefel- und Stickoxide oder Feinstaub verantwortlich. Der Ersatz fossilen Öls durch regenerative Schiffskraftstoffe lässt daher jedes Jahr mehr als eine Gigatonne CO2 einsparen. Für Container-Schiffe setzt sich grünes Methanol aktuell als klimaneutrale Treibstoffalternative in der Anwendung durch.

Keine CO2-Emissionen dank kontinuierlichen Kreislaufs

Neuartiges Verfahren zur wirtschaftlichen Herstellung grünen Methanols Die heutige Produktion von Methanol beruht auf einem einhundert Jahre alten, technisch ausgereizten und emissionslastigen Herstellungsverfahren basierend auf fossilem Erdgas oder Kohle. C1 hat einen neuen, hocheffizienten Katalysator entwickelt, der dieses Verfahren revolutioniert. Dieser ermöglicht die wirtschaftliche Produktion von grünem Methanol aus nicht-fossilen Rohstoffen wie Biomasse oder CO2. Das Verfahren ermöglicht eine Methanolwirtschaft, die den eingesetzten Kohlenstoff in einem kontinuierlichen Kreislauf genutzt wird, anstatt zusätzliche CO2-Emissionen zu erzeugen.

„Im Jahr 1923 wurde in Leuna die erste kommerzielle Methanol-Anlage der Welt errichtet. Wir schreiben diese Erfolgsgeschichte nun fort, indem wir genau 100 Jahre später am gleichen Ort den Herstellungsprozess von Methanol komplett neu erfinden“, erklärt Dr. Christoph Zehe, der als Mitgründer von C1 das Projekt verantwortet. „Wir ebnen damit den Weg für die effiziente Nutzung regenerativer Eingangsstoffe zur Herstellung von grünem Methanol im industriellen Maßstab und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung des Chemieparks Leuna zum Zukunftsstandort für grüne Chemie.“ „Leuna100“-Projekt für den Markthochlauf der grünen Methanolproduktion Für den Markthochlauf des E-Methanol-Verfahrens müssen einzelne Prozessschritte und insbesondere ihre Kopplung zu einem Gesamtprozess optimiert und skaliert werden. Ziel des Projektes ist die weltweit erstmalige Realisierung des Gesamtprozesses aus strombasierter Synthesegas-Erzeugung und einer grundlegend neu entwickelten Methanolsynthese unter Realbedingungen.

„Die Klimakrise erzwingt eine enorm ambitionierte Reduktion des CO2-Ausstoßes. Deutschland und die EU haben verbindliche Ziele für den Verkehrssektor und Quoten für erneuerbare Kraftstoffe vorgegeben. Schwer zu elektrifizierende Bereiche wie Schiffs- und Luftverkehr haben aber keinen technisch etablierten Weg, dies ökonomisch und skalierbar zu erfüllen. Regenerative Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff und CO2 bieten eine Alternative, sind aber noch nicht bereit für den Markthochlauf. Genau hier setzen wir mit dem Projekt ‘Leuna100’ an, indem wir von CO2 bis Methanol die komplette Prozesskette innovieren und so das günstigste Verfahren zur Herstellung von grünem Methanol etablieren.”, erklärt Dr. Kai junge Puring, Projektleiter am Fraunhofer UMSICHT.

Michael Seirig, Abteilungsleiter Wasserstofflabore und Feldtests am Fraunhofer IWES, ergänzt: “Das Projekt ‚Leuna100‘ adressiert eine zentrale Herausforderung: Es gibt gerade ein sehr großes Momentum im Bereich der regenerativen Kraftstoffe, mit vielen einzelnen Innovationen. Was aber fehlt, ist deren Verknüpfung, um wirklich einen großtechnischen Markthochlauf zu ermöglichen. Viele verschiedene Schritte in der Erzeugung von regenerativen Kraftstoffen lassen sich elektrifizieren und so auf erneuerbare Energien umstellen. Praktisch erfordert die Defossilisierung der Produktion jedoch nicht nur die Befähigung einzelner Teilschritte, sondern die Kopplung und den lastdienlichen Betrieb als Ganzes. Hier schafft die Förderung des BMDV eine Möglichkeit, das umzusetzen.

Mit dem Hydrogen Lab Leuna bietet das Fraunhofer IWES zudem eine einzigartige Forschungsinfrastruktur für die Erprobung von H2– und PtX-Technologien im Industriemaßstab und unter Realbedingungen – damit bestehen optimale Voraussetzung für das Projekt.“ Das Projekt „Leuna100“ startete im August 2023 im Chemiepark Leuna und ist auf drei Jahre angelegt. Es wird im Rahmen des Gesamtkonzepts Erneuerbare Kraftstoffe mit insgesamt 10,4 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Die Förderrichtlinie für die Entwicklung regenerativer Kraftstoffe wird von der NOW GmbH koordiniert und durch die Projektträger VDI/VDE Innovation + Technik GmbH sowie die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. umgesetzt.

Hintergrund: C1 stellt den neuen Katalysator sowie den eigens entwickelten und mit der Firma OilRoq aus Halle (Saale) realisierten Reaktor zur homogenen Katalyse von Methanol zur Verfügung. Dieser wird an zwei unterschiedliche Technologien zur CO2-basierten Erzeugung von Synthesegas als Eingangsstoff gekoppelt: Fraunhofer UMSICHT liefert eine neue Niedertemperatur-Co-Elektrolyse, DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg setzt eine Reverse-Water-Gas-Shift-Anlage ein. Fraunhofer IWES stellt den Standort und die Infrastruktur vor Ort im Hydrogen Lab Leuna zur Verfügung und evaluiert die Lastflexibilität der Komponenten und des Gesamtprozesses. Die TU Berlin entwickelt ein effizientes Betriebskonzept auf Basis eines dynamischen Gesamtprozessmodell und erstellt anwendungsnahe mathematische Methoden zur Bewertung und Optimierung der Lastflexibilität. Eine zentrale Innovation ist neben der Option der strombasierten und lastflexiblen Nutzung der Synthesegaserzeugung die homogene Katalyse für die Methanolerzeugung selbst.

Weltweit erstmalig kommt nicht wie bisher eine zweidimensionale Oberflächenreaktion mit Festkörperkatalysatoren (heterogene Katalyse) zum Einsatz, sondern die von C1 entwickelte, dreidimensional skalierbare Reaktion in der flüssigen Phase (homogene Katalyse). Diese ist nicht nur hochselektiv, besser skalierbar und geeignet für einen lastflexiblen Betrieb, sondern bietet auch Kostenvorteile unabhängig von der Anlagengröße.

Das eingesetzte CO2 stammt aus industriellen Prozessemissionen (siehe: solarify.eu/carbon2chem-stahlproduktion-klimafreundlich-gestalten). Mit der integrierten End-to- End-Prozesskette schafft “Leuna100” so die Voraussetzung für eine RED-II-konforme Produktion von grünem Methanol. Die abschließende Evaluation des produzierten Methanols auf seine Eignung als Schiffskraftstoff und zur weiteren Verarbeitung zu Kerosin stellt die Anwendbarkeit sicher.

Nach Angaben des Unternehmens gibt es viele Vorteile: Das neue Verfahren braucht nur halb so viel Druck und Temperatur. Und es produziert Methanol 20x schneller als das herkömmliche Verfahren. Ein Beispiel: Bisher werden nur etwa 15 Prozent des eingesetzten Synthesegases direkt umgesetzt. ?Beim neuen Verfahren über 95 Prozent. In immer größeren Forschungsreaktoren wird das neue Verfahren jetzt zur Marktreife gebracht.

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