Weltenergieverbrauch 2022: Erdgas stagniert, Kohle boomt wieder, auch Erdöl legt zu
Nach dem Pandemiejahr 2020 und dem nachholenden Konsumrausch des Jahres 2021 hat das Kriegsjahr 2022 die bisherigen Tendenzen etwas durcheinandergebracht, ohne die Gesamtsituation grundsätzlich zu verändern. Dies zeigen die vom Energy Institute kürzlich publizierten Weltenergie-Trends 2022 – schreibt das Schweizer Unternehmen Jenni Energietechnik in einer Medienmitteilung.
Neue Rekordwerte beim Primärenergieverbrauch
Der globale Primärenergieverbrauch ist 2022 um 1.1% angestiegen, eine Zunahme, wie sie mehrfach in den Jahren vor der Pandemie üblich war, und die damit die Rückkehr zum Business as usual bedeutet. Sie beschränkte sich allerdings auf die Regionen Nord- und Südamerika, Mittelost und Südostasien. In absoluten Zahlen war die Zunahme am größten in den USA, in Indien und in China. Bei einer Analyse des Mehrverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung weisen die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Island, die USA, Irland, Kasachstan, Australien und Malaysia die höchsten Werte auf. Der Pro-Kopf-Verbrauch von China dagegen stagnierte, derjenige der Schweiz ging um 3% zurück.
Verursacht auch durch die weiter gesteigerte individuelle Mobilität hat der CO2-Eintrag in die Atmosphäre im Jahr 2022 um 0.9% zugenommen und hat damit wiederum einen neuen Rekordwert erreicht. Eine Zunahme um 0.9 Prozent mag bescheiden aussehen, aber sie erfolgt auf einem sehr hohen Niveau und hat zur Konsequenz, dass weitere 322 Millionen Tonnen CO2 für hundert und mehr Jahre in der Atmosphäre verbleiben und damit den Treibhauseffekt verstärken. Die Methan-Emissionen aus industriellen Prozessen haben sich dagegen ganz leicht zurückgebildet. China bleibt mit seiner stark kohlebasierten Wirtschaft nach wie vor mit 30.7% mit Abstand der weltweit grösste CO2-Emittent, auch wenn sich sein Ausstoß 2022 leicht reduziert hat. Verantwortlich für den Mehrausstoß sind insbesondere Saudi-Arabien, Indonesien, die USA und Mexiko. Bemerkenswert ist der ausgewiesene Rückgang der Emissionen in Russland und Ukraine, bedingt wohl durch die Reduktion ökonomischer Prozesse infolge des Krieges. Offen bleibt, inwieweit dabei die kriegsbedingten Umweltverheerungen statistisch erfasst werden können. Unbestreitbar ist, dass dieser Krieg auch ein Umweltverbrechen darstellt.
Für die weitere Zunahme des globalen Primärenergieverbrauchs haben die drei fossilen Energieträger in unterschiedlichem Maß beigetragen: Erdöl plus 4.2%, Erdgas minus 0.2% und Kohle plus 7,9% (neuer historischer Rekordwert). Erschreckend ist, eigentlich gegen besseres Wissen, die Zunahme der Kohleförderung innert zwei Jahren um über 14%. Damit ist – was zwischenzeitlich abgewendet schien – demnächst möglich, dass die vergleichsweise schädlichste Kohle das Erdöl überflügelt und zum Leader der fossilen Energieträger wird. Aus schierer Verzweiflung infolge der Schwierigkeiten bei der globalen Gasversorgung haben sich viele Staaten wieder der Kohle zugewandt, auch europäische Staaten wie Bulgarien, Tschechien, Deutschland, Griechenland, Rumänien und die Türkei. Allerdings fällt die Mehrförderung dieser Staaten kaum ins Gewicht, denn die großen Treiber der beschriebenen Entwicklung sind nach wie vor China (Zunahme um 10.5%), Indien und Indonesien (beide mit Zunahmen von rund 12%). China ist mit 51.8% der globalen Produktion der grösste Kohleförderer.
Mit Bezug auf den Primärenergieverbrauch darf auch eine Analyse der Werte pro Kopf der Bevölkerung nicht ausser Acht gelassen werden. Nach Erdteilen betrachtet liegt hier Nordamerika mit Abstand an der Spitze, gefolgt von Russland mit seinen Nachbarstaaten und dem Raum des Mittelosten. Europa weist nur halb so hohe Werte auf wie Nordamerika, und Südostasien, beinhaltend somit auch China, nur einen guten Viertel. Die Schweiz weist immer noch einen leicht höheren Wert als China auf.
Für das Berichtsjahr 2022 sind mit Bezug auf die Produktion von Energieträgern die folgenden Ergebnisse relevant:
- Nach dem Rückgang um 7.2% im Jahr 2020 konnte die Erdölförderung 2021 bloß um 1.5% gesteigert werden. Bedingt auch durch gewisse Turbulenzen bei der Versorgung mit Erdgas hat die Erdölförderung im Jahre 2022 um 4.2% in außerordentlich hohemn Maß zugenommen. Für die Mengenzunahme waren insbesondere die Erdölstaaten um den Persischen Golf sowie die USA und Russland verantwortlich. Abgesehen von einem kurzen Unterbruch im Jahre 2016 hatte der prozentuale Anteil des Erdöls bei den Energieträgern seit Jahrzehnten kontinuierlich abtgenommen. Durch die Mehrförderung im Jahre 2022 wurde diese Entwicklung vorerst gestoppt.
- Der unaufhaltsam scheinende beinahe lineare Anstieg der Erdgasförderung in den letzten Jahrzehnten, der nur selten ins Stocken geriet (Finanzkrise 2008, Pandemiekrise 2020) hat auch im Berichtsjahr 2022, bedingt durch den Krieg in der Ukraine, eine Unterbrechung (minus 0.2%) zu verzeichnen. Der massive Einbruch der russischen Erdgasförderung wurde weitgehend durch eine Mehrförderung Nordamerikas sowie in einem geringen Maße durch Europa und Mittelost kompensiert. Sobald sich die Distributionsströme neu konsolidiert haben, ist mit einem weiteren Anstieg der Erdgasproduktion zu rechnen.
- Der neue Rekordwert bei der Kohleförderung sowie dessen Verursacher wurden bereits angesprochen. Der südostasiatische Raum hat einen Anteil von 77% an der globalen Kohleförderung. Ergänzend kann festgehalten werden, dass bisherige Exporteure wie Australien, Südafrika und Kolumbien ihre Quoten nicht weiter gesteigert, sondern leicht reduziert haben. Interessant ist, dass der Kohleverbrauch sich mit der Förderung nicht deckt und im Jahr 2022 bloß eine Zunahme von 0.6% vorliegt. Kohle wurde offenbar aus Panik auf die Halde gefördert. Die aktuellen kriegsbedingten Entwicklungen lassen befürchten, dass der Kohleboom noch nicht vorbei ist.
- Der Prozentanteil nichtfossiler Energieträger pendelt seit 1995 bis heute zwischen rund 13 und 17 Prozent. Die Menge erneuerbarer Energien konnte im Jahr 2022 wiederum beachtlich gesteigert werden, teilweise mit rekordhohen prozentualen Zunahmen (Sonne plus 24.9%, Wind plus 13.5%, Hydro plus 1.1%). Wegen der enormen Steigerung der Erdöl- und Kohleförderung hat der Anteil nichtfossiler Energieträger von 17.69% auf 17.67% abgenommen. Allein diese Zahlen sind ein klares Indiz, dass grössere Anteile von erneuerbaren Energieträgern sowie die aktuellen Wachstumsraten allein nicht ausreichen werden, um eine tatsächliche Energiewende herbeizuführen.
Die größten Beiträge bei der Solarenergie lieferten China (globaler Anteil 32.3%), die USA, Japan und Indien, bei der Windenergie China (globaler Anteil 36.2%), die USA und Deutschland und bei der Energie aus Wasserkraft China (globaler Anteil 30.2%), Brasilien, Kanada und die USA. Auffallend ist, dass Japan nach der Katastrophe des Atomkraftwerks Fukushima im Jahre 2011 bei der Solarenergie die Produktion innert 11 Jahren von 5.4 auf 102.3 Terawattstunden gesteigert hat und zum drittgrössten Produzenten weltweit aufgestiegen ist. Die Not kann ein guter Lehrmeister sein.
Die Produktion von Elektrizität hat im Jahr 2022 um 2.3% zugenommen. Die Beiträge von Erdas, Kohle, Wasserkraft und anderen erneuerbaren Energie haben zugenommen, diejenige des Erdöls und der Nuklearenergie haben abgenommen. Elektrizität basierend auf Kohle hat in absoluten Zahlen einen weiteren neuen Rekordwert erreicht; es ist zu befürchten, dass diese Entwicklung so weitergeht.
Erderwärmung nimmt weiter zu
Unaufhaltsam hat der Anteil an atmosphärischem CO2 mit 418.56 ppm einen neuen Rekordstand erreicht; solange nicht entschiedener Gegensteuer gegeben wird, wird sich dies Jahr für Jahr wiederholen. Die Haupttreiber sind derzeit weiterhin die Staaten Süd- und Ostasiens; Nordamerika und Europa stagnieren, haben aber immer noch eine grössere «historische Schuld» als andere Erdteile, weil das CO2 sehr lange in der Atmosphäre verbleibt. Um den Treibhauseffekt und die Erderwärmung tatsächlich zu stoppen, wäre ein entschiedeneres Umdenken erforderlich. Zu beachten ist, dass der Umfang des atmosphärischen CO2 nicht nur durch den Verbrauch fossiler Energieträger zunimmt, sondern mit den durch die Erderwärmung hervorgerufenen Veränderungen wie dem Auftauen des nördlichen Permafrostgürtels, des Vegetationsverlustes infolge Dürren, der Erwärmung der Ozeane etc. zusätzlich angetrieben wird. Jede weitere Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur kann rückkoppelnde Entwicklungen auslösen wie im Falle des Auftauens von arktischen Böden, die doppelt so viel CO2 enthalten wie sich derzeit in der Atmosphäre befindet, eine Menge die dann sukzessive freigesetzt würde.
Gefahren der falschen und ungenügenden Strategien
Die Klimaproblematik wird, wenn nicht endlich konsequent Gegensteuer gegeben wird, zu Problemen und zu einem Finanzbedarf in einer bedrohlichen Grössenordnung führen, auch mit den
daraus resultierenden gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die derzeit drohenden Lieferengpässe zu weiteren Investitionen in die Infrastruktur von fossilen Energieträgern führen werden, wodurch einerseits deren Nutzung verstetigt wird und andererseits Gelder für Investitionen in nachhaltige Energien fehlen werden. Unverständlich ist auch, auf welche sinnlose Art und Weise der Energieverbrauch gefördert (Kryptowährungen, Weltraumtourismus, etc.) und dies vielfach mit unkritischen und sogar belobigenden Stimmen begleitet wird. Wünschbar wäre auch, dass Menschen mit einem Milliardenvermögen ihrer umweltbezogenen Verantwortung besser nachkommen würden.
Gemäß dem neuesten Sachstandsbericht des Weltklimarates sind die bisherigen Maßnahmen zum Klimaschutz völlig ungenügend und es drohen in Abhängigkeit von der Entwicklung der Treibhausgasemissionen schwerwiegende Konsequenzen für die Natur und die Menschheit mit irreversiblen Auswirkungen auf ökologische Systeme bis hin zu deren totalem Zusammenbruch. Zu wenig im Bewusstsein ist, dass die maximale Entfaltung der Treibhauswirkung von CO2 ungefähr 10 Jahre nach der Freisetzung erfolgt und dieses eine Verweildauer in der Atmosphäre von weit über 100 Jahren hat.
Was tun?
Die Energiewende muss jetzt erfolgen, die entsprechenden Bemühungen sind zu verstärken und mit grösserer Konsequenz anzugehen. Insbesondere sind die einheimischen erneuerbaren Energieträger besser zu nutzen, um damit auch Arbeitsplätze im eigenen Land zu schaffen und die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern. Neben der Solarenergie und der Windenergie sollten vermerkt aber gleichzeitig auch behutsam die Potentiale des Holzes konsequent genutzt werden. Dies einerseits als Energieträger und andererseits – durch die Produktion von Pflanzenkohle – als CO2-Binder und Bodenverbesserer (Humusaufbau).
Die Energiewende muss jetzt erfolgen, mit den vorliegenden bekannten und bewährten technischen Verfahren. Das Spekulieren auf neue und bloss gedanklich konzipierte Verfahren, deren Realisation noch aussteht und allenfalls noch Jahre oder Jahrzehnte dauern wird und deren Nebenwirkungen unterschätzt oder sogar unterschlagen werden, bringt uns nicht weiter. Solche «Lösungen» dienen vielfach bloss als Rechtfertigung, jetzt noch nicht handeln zu müssen. Wie im statistischen Teil oben aufgezeigt worden ist, nehmen die Anteile fossiler Energieträger trotz beachtlichen Wachstumsraten bei den erneuerbaren Energien nicht ab. Wollen wir tatsächlich Effekte in Richtung einer ökologisch und energetisch nachhaltigeren Welt erzielen, können wir dies letztlich nur mit mehr Bescheidenheit erreichen, mehr Bescheidenheit generell als Lebenshaltung wie auch in unseren Ansprüchen als Konsumentinnen und Konsumenten.
->Quellen: