Windkraft kostet Siemens Energy Milliarden

Reparaturen für Verlust verantwortlich

Siemens Energy befürchtet einen Jahresverlust in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Verantwortlich für die hohen Kosten sind Mängel (und dadurch nötige Reparaturen) bei den Windrädern an Land und das Hochfahren der Offshore-Anlagen, berichtet das Handelsblatt am 07.08.2023. Nach eingehender Analyse und zur Vorlage der Quartalszahlen teilte Siemens Energy laut der Frankfurter Allgemeinen am gleichen Tag mit, allein im abgelaufenen dritten Quartal belaufe sich der Nettoverlust auf fast 3 Milliarden Euro. Für das Geschäftsjahr, das Ende September endet, rechnet der Dax-Konzern nunmehr mit einem Minus von rund 4,5 Milliarden Euro, wovon allein rund 4,3 Milliarden Euro auf Gamesa entfallen.

Windgeneratoren im Bau bei Weißenfels – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

„Unsere Ergebnisse des dritten Quartals zeigen die Herausforderungen beim Turnaround von Siemens Gamesa“, sagte Vorstandschef Christian Bruch. Nun will der Vorstand die Strategie im Wind-Geschäft insgesamt auf den Prüfstand stellen, das seit Jahren Negativ-Überraschungen und Verluste produziert. „Aufgrund der Entwicklungen bei Siemens Gamesa überprüfen wir den aktuellen Strategie- und Maßnahmenplan im Windgeschäft“, so eine Mitteilung von Siemens Gamesa vom 07.08.2023. Einzelheiten dazu will Bruch auf einem Kapitalmarkttag im November vorstellen. Allein bei der spanischen Siemens Gamesa dürften 4,3 Milliarden Euro Verlust auflaufen.

Bisher hatte Siemens Energy bereits mit einem Minus von mehr als 800 Millionen Euro gerechnet. Ende Juni ahnte Siemens Energy aber bereits, dass das Ausmaß der Schäden größer sein würde als gedacht und warnte vor zusätzlichen Belastungen in Milliardenhöhe bei der Windkraft-Tochter.

Nun sieht Vorstandschef Christian Bruch klarer: Rund 1,6 Milliarden Euro werde es kosten, die Schäden an Rotorblättern und Lagern bei den Onshore-Plattformen 4.X und 5.X von Siemens Gamesa zu beheben. Die Turbinen liefen zwar, die Reparaturen sollen aber größtenteils erst 2024 und 2025 stattfinden. Als Konsequenz will sich Siemens Gamesa von einigen Lieferanten trennen.

Prognose für das gesamte Jahr 2023
Die Ergebnisse der Analyse führen zu einer Neubewertung der Gesamtjahresprognose. Für das am 30. September endende Geschäftsjahr erwartet Siemens Energy ein vergleichbares Wachstum der Umsatzerlöse in einer Bandbreite zwischen 9 % und 11 % (bisher zwischen 10 % und 12 %) und eine Ergebnis-Marge vor Sondereffekten zwischen minus 10 % und minus 8 % (bisher am unteren Ende der Prognosespanne von plus 1% bis plus 3%). Der Konzern erwartet nun einen Verlust nach Steuern von rund 4,5 Mrd. Euro. Den Free Cash Flow vor Steuern im Geschäftsjahr 2023 erwartet Siemens Energy nun im negativen Bereich bis zu einem niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.

Kosten für Stahl und Energie laufen davon

600 Millionen Euro veranschlagt Siemens Energy für die aus dem Ruder laufenden Material- und Beschaffungskosten für Offshore-Windräder und den lahmenden Hochlauf – dafür müssten Fabriken auf größere Turbinen umgerüstet und Mitarbeiter angelernt werden. Gamesa hatte mit den Kunden feste Preise vereinbart. Doch nun entpuppen sich viele Aufträge als verlustträchtig, weil den Herstellern die Kosten für Stahl und Energie davonlaufen. Dazu kommen negative Steuereffekte: Siemens Energy kann Verlustvorträge in Höhe von 700 Millionen Euro vorerst nicht mehr nutzen, weil nicht absehbar ist, wann der Konzern wieder schwarze Zahlen schreibt. Im vierten Quartal befürchtet der Vorstand rechnerisch operative Verlusten von mindestens 600 Millionen Euro.

Verlust im dritten Quartal vervielfacht

Im dritten Quartal brach der Umsatz von Siemens Gamesa um zwölf Prozent ein, obwohl sich der Auftragseingang auf 7,4 Milliarden Euro mehr als verdoppelte, unter anderem wegen Großaufträgen für Offshore-Anlagen. Das drückt das erwartete Umsatzwachstum im Konzern auf neun bis elf (bisher zehn bis zwölf) Prozent. Auch das Ergebnis vor Sondereffekten von Siemens Energy dürfte nun tiefrot ausfallen; bisher hatte der Konzern wenigstens noch mit einer Marge von einem Prozent gerechnet. Unter dem Strich vervielfachte sich der Verlust im dritten Quartal auf 2,9 Milliarden Euro, nach einem Minus von 564 Millionen Euro im Vorjahresquartal. Dagegen zeigten sich das übrige Energietechnikgeschäft robust. Sowohl im Geschäft mit Gasturbinen, Energienetzen sowie im Bereich Transformation of Industrie konnten die operativen Ergebnisse gesteigert werden.

Geschichte von Siemens Energy (nach tagesschau.de)

Joe Kaeser hatte in seiner Zeit als Siemens-Chef die Energiesparte abgespalten, um ihr Bewegungsfreiheit für die Energiewende zu geben – unter anderem mit Gasturbinen und Windturbinen für Land und See, ab 2020 im eigenständigen Unternehmen Siemens Energy – auch für die Geschäfte mit Erneuerbaren Energien. Vorstandschef ist Christian Bruch, Aufsichtsratschef  Joe Kaeser. Insgesamt arbeiten 93.000 Menschen für das Unternehmen.

Der spanische Windturbinenhersteller Gamesa (Gamesa Corporación Tecnológica, davor Grupo Auxiliar Metalúrgico, S. A.) wurde 1976 gegründet, 1994 begann Gamesa Eólica, ein auf die Montage von Windkraftanlagen spezialisiertes Unternehmen. 1995 wurde mit der Entwicklung und dem Bau von Windparks begonnen – 1996 nahm Gamesa seinen ersten Windpark in Betrieb. Die Verbindung zu Siemens entstand ab Mitte der 2000er Jahre durch die Übernahme einer Gamesa-Tochter. Ab 2017 begann eine neue Ära: Gamesa fusionierte mit dem Windkraft-Geschäft des deutschen Konzerns, blieb aber eigenständig an der Börse. Neben Windkraftanlagen produzierte Gamesa auch PV-Anlagen und Solarparks. Gemessen an der neu installierten Leistung von 3700 Megawatt war Gamesa 2016 nach Vestas, GE Wind Energy und Goldwind weltweit der viertgrößte Hersteller von Onshore-Windkraftanlagen (2015: 3100 MW). Im April 2017 ging das Unternehmen nach Fusion mit der Windenergiesparte von Siemens im neu gegründeten Unternehmen Siemens Gamesa auf. 2022 machte Siemens Energy ein Angebot zur Komplettübernahme, erst Mitte Juni 2023 machten die letzten Aktionäre den Weg für die vollständige Integration frei. Insgesamt hat der Konzern gut 4 Milliarden Euro für die Akquisition ausgegeben.
Siemens Energy hat im ersten Halbjahr des Geschäftsjahrs 2023 (bis Ende März) rund 15,1 Milliarden Euro umgesetzt. Das war etwa ein Fünftel mehr als noch im selben Zeitraum 2022. Allerdings stiegen gleichzeitig auch die Verluste. In diesem Jahr stand unterm Strich ein Minus von 787 Millionen Euro nach Steuern, das waren 56 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Den größten Verlust häufte im ersten Halbjahr die Windtochter Gamesa an: bei 4,4 Milliarden Euro Umsatz stand am Ende ein Minus von 1,2 Milliarden Euro – während alle andere Konzernsparten mit positiven Margen zum Ergebnis beitrugen.

Am 22. Juni veröffentlichte Siemens Energy eine Gewinnwarnung, die zum Absturz des Aktienkurses führte: „Aufgrund der deutlich erhöhten Ausfallraten bei Windturbinen-Komponenten hat der Verwaltungsrat von Siemens Gamesa eine erweiterte technische Überprüfung der installierten Flotte und des Produktdesigns eingeleitet“, hieß es darin. Gerade bei den Onshore-Windrädern würden höhere Kosten anfallen, sie „werden derzeit noch bewertet und liegen voraussichtlich bei über 1 Milliarde Euro“. Weitere Details sollen mit den nächsten Quartalszahlen bekannt gegeben werden.

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