Climate Overshoot Comission fordert vorläufigen Stopp von Experimenten mit bestimmten Climate-Engineering-Techniken
Die globalen Temperaturen steigen, extreme Wetterereignisse nehmen zu und vielerorts werden Menschen auf Grund von Wassermangel und Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen müssen. Damit das nicht wie in Griechenland und Libyen noch weiter bitterernst Realität wird, gibt es bereits viele angeblich spannende Ideen des Geoengineerings den Klimawandel zu stoppen. Eine Sammlung des Für und Wider aus zahlreichen Medien.
ExpertInnen diskutieren immer häufiger Overshoot-Szenarien – was wohl geschehen wird, wenn bestimmte planetare Grenzen wie die 1,5- oder auch 2-Grad-Grenze perspektivisch überschritten werden – ob und wenn ja mit welchen Mitteln dasrückgängig gemacht werden könne. Es drängt sich förmlich auf, darüber nachzudenken, da sich in Sachen Klimaschutz zu wenig bewegt, was einmal mehr Hunderttausende von Demonstranten anlässlich der weltweiten Fridays-for-Future-Demo am 15.09.2023 offen beklagt haben.
Beim Geo- oder auch Climate-Engineering werden technische Methoden und Maßnahmen entwickelt, um die Erderwärmung aktiv zu stoppen. Also gewissermaßen die Klempnerei des Universums. Dabei kann auf zwei verschiedenen Wegen aktiv in das Klimasystem der Erde eingegriffen werden. Weg eins führt über Maßnahmen, Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen. Weg zwei leitet entlang von Maßnahmen, die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche zu vermindern.
Eine 15köpfige Kommission aus ehemaligen Präsidenten, Ministern und Vertreterinnen internationaler Organisationen („Climate Overshoot Comission“ – unter anderem der ehemalige Chef der Welthandelsorganisation Pascal Lamy, der ehemalige mexikanische Präsident Felipe Calderón oder mit Laurence Tubiana eine der Architektinnen des Pariser Abkommens) beschäftigt sich seit fast zwei Jahren genau mit solchen Aussichten. Sie diskutiert über Optionen zur Anpassung an eine solche verschärfte Klimakrise, aber auch über technische Rückholoptionen eines Overshoot. Die Climate Overshoot Commission führt die notwendigen Gespräche darüber, ob und wie diese zusätzlichen Ansätze die Risiken einer Klimaerwärmung verringern könnten, und wird eine integrierte Governance-Strategie empfehlen. Die Kommission ist die erste hochrangige Gruppe, die sich mit all diesen Optionen auf ganzheitliche, integrierte Weise und frei von konventionellen politischen Zwängen befasst.
Das Gremium forderte am 14.09.2023 einen vorläufigen Stopp von Experimenten mit bestimmten Geoengineering-Techniken. Bisher gebe es kein internationales Abkommen für die Entwicklung oder den Einsatz solcher Technologien, deshalb müssten sich die Länder auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Besonders kritisiert die Kommission die technischen Methoden zur Abschwächung der Sonneneinstrahlung. Laurence Tubiana, European Climate Foundation: „Wir brauchen ein Moratorium. Wir kennen die Risiken, das ist kein Allheilmittel.“
Besonders umstritten: „Solar Radiation Management“ (SRM) zur Reduktion des einfallenden Sonnenlichts. Das kann entweder durch einfache Mittel – das Weißstreichen von Hausdächern – aber auch durch die aufwendige Platzierung von Spiegeln im Weltall geschehen.
Die Methode, die gegenwärtig am meisten Erfolg verspricht, ist jedoch angeblich, Aerosolpartikel in der Stratosphäre auszubringen. Ähnlich wie nach großen Vulkanausbrüchen würde das die Erde relativ schnell herunterkühlen, hätte jedoch nur zeitlich begrenzte Wirkung. Partikel des 1991 ausgebrochenen Vulkans Pinatubo auf den Philippinen senkten die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde durch Sonnenlichtreduktion um 5 Prozent. Das führte zu einem durchschnittlichen Temperaturabfall in der nördlichen Hemisphäre um 0,5 bis 0,6 °C und weltweit um 0,4 °C. In der gleichen Zeit stieg die Temperatur in der Stratosphäre um mehrere Grad.
Mit der zweiten Methode, dem „Carbon Dioxide Removal“ (CDR), soll Kohlendioxid aus der Atmosphäre zurückgeholt werden. Diese Form des Geoengineering sieht die Climate Overshoot Commission hingegen positiv. So sollten die Länder schnellstens mit dem Einsatz von Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre beginnen. Dazu zählten auch die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) sowie die CO?-Abscheidung direkt aus der Luft („Direct Air Capture“). Auch das ist allerdings nicht unumstritten: Bei CCS wird CO? dort, wo es entsteht, etwa über sogenannte Abscheidetürme abgefangen. Komprimiert und verflüssigt überführt man es anschließend über Pipelines, Lastwagen oder Tanker in ein Endlager.
Aus Fossilen aussteigen!
In ihrem Bericht fordert die Climate Overshoot Commission die Regierungen auf, aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen, mehr Mittel für die Anpassung an die Auswirkungen extremer Wetterereignisse bereitzustellen und Technologien zur Beseitigung von Kohlendioxid einzusetzen, wie z. B. die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung und die Abscheidung von Kohlenstoff direkt aus der Luft.
Die Regierungen sollten den Wissenschaftlern auch gestatten, die Möglichkeiten des Geo-Engineering zu erforschen, vor allem in Form des Sonneneinstrahlungsmanagements, bei dem versucht wird, die Menge des auf die Erdoberfläche treffenden Sonnenlichts zu verringern, indem beispielsweise die Wolken aufgehellt werden, um sie besser zu reflektieren, oder indem Spiegel im Weltraum installiert werden.
Die Regierungen sollten jedoch keine derartigen Maßnahmen ergreifen, warnte das Gremium wegen der Gefahren, die damit verbunden sind, das globale Klima auf eine Weise zu beeinflussen, die noch nicht gut verstanden sind. Pascal Lamy, Ex-WTO-Chef, und früherer Vorsitzender der Climate Overshoot Commission, sagte im Guardian, es sei „nicht unvermeidlich“, dass die Welt die von den Regierungen vereinbarte globale Temperaturgrenze von 1,5 °C überschreiten werde, aber die Wahrscheinlichkeit steige. „Es hängt davon ab, was wir tun“, sagte er.
Er warnte jedoch, die Welt dürfe die Möglichkeit des Geo-Engineering nicht missachten, da einige Länder damit beginnen könnten, auf eigene Faust zu experimentieren und zu forschen. Er sagte: „Es gibt eine zunehmende internationale Diskussion über das Management der Sonneneinstrahlung. Aber es besteht die Gefahr unbeabsichtigter und grenzüberschreitender Folgen. Wissenschaftler könnten nicht sagen, ob das Management der Sonneneinstrahlung sicher sei, und es müsse das Vorsorgeprinzip angewandt werden, sagte er. Lamy forderte vielmehr alle Regierungen auf, einseitig ein Moratorium zu beschließen, anstatt auf eine globale Vereinbarung zu warten. „Ich schlage keine große internationale Konferenz vor – das würde meiner Erfahrung nach sehr viel Zeit in Anspruch nehmen“, sagte er in einem Interview mit dem Guardian. Er sagte, die akademische Forschung zur Steuerung der Sonneneinstrahlung sollte gemeinsam, offen und transparent sein.
Während das Nachwachsen von Bäumen in der Regel als sicher gilt, aber lange dauert, könnte das Anbringen von rflektierenden Spiegeln im Weltraum oder das „Impfen“ von Wolken, die mehr Strahlen in den Weltraum reflektieren, enorme Auswirkungen haben, die nur schwer zu kontrollieren und unmöglich innerhalb der Landesgrenzen zu begrenzen wären. Neben den Risiken, die mit der Veränderung des Klimas an einem Ort verbunden sind, könnte es auch zu einem „Abbruchschock“ kommen, d. h. zu der Befürchtung, dass, wenn die Emissionen weiterhin in die Atmosphäre strömen, während Geo-Engineering eingesetzt wird, die Beendigung des Einsatzes der Technologie zu einer schwerwiegenden Störung des Klimas führen würde, da der zugrunde liegende Erwärmungseffekt wieder einsetzt.
Peter Kalmus, ein Klimawissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory der NASA, der in seinem eigenen Namen sprach, warnte vor dieser Gefahr. „Geoengineering ist wie die direkte Luftabscheidung eine zutiefst unsichere Technologielösung, die von den Führungskräften der fossilen Energieträger gerne vorangetrieben wird, um den Druck von ihrem Kerngeschäft, dem Verkauf von Öl, Gas und Kohle, zu nehmen, das, wie immer mehr Menschen erkennen, eine rasche und unumkehrbare Zerstörung der Bewohnbarkeit unseres Planeten verursacht“, sagte er dem Guardian. „Die Eliten der fossilen Energieträger werden Geoengineering als Vorwand benutzen, um weiterzumachen wie bisher. Als Klimawissenschaftler ist mein schlimmster Albtraum die fortgesetzte Expansion der fossilen Brennstoffe in Verbindung mit solarem Geoengineering, gefolgt von einem Terminierungsschock. Das wäre das Aus für die menschliche Zivilisation und einen Großteil des Lebens auf der Erde.“
Mark Maslin, Professor für Erdsystemwissenschaften am University College London, der nicht an dem Gremium beteiligt war, sagte, viele Wissenschaftler hätten eine starke Meinung zum Geoengineering. „Die Bemühungen zur Steuerung der Sonneneinstrahlung sind gefährliche Experimente und werden zu unvorhersehbaren Klimaveränderungen führen, denn die Verteilung der Sonnenenergie auf der Erde ist das, was unser dynamisches Klima ausmacht“, sagte er. „Die Verringerung der Sonnenenergie in einer Region wird die Art und Weise verändern, wie die Atmosphäre und die Ozeane Energie von den Tropen zu den Polen in unvorhersehbarer Weise transportieren.“
Die Climate Overshoot Commission
Die Kommission ist das erste internationale, unabhängige politische Gremium, das dazu Stellung nimmt, wie mit den Risiken einer Klimaüberschreitung umgegangen werden kann.
Sie stellt einen einzigartigen und bedeutenden internationalen Prozess dar:
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- Fast zwei Jahre Beratungen und Konsultationen;
- Zwölf herausragende globale Führungspersönlichkeiten mit früheren hohen Ämtern in Regierung und Zivilgesellschaft.
- Hochrangiges wissenschaftliches Beratergremium, das sicherstellt, dass die Kommission auf den solidesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und neuesten Erkenntnissen beruht.
- Einbindung einer Jugendgruppe in ihre Beratungen, um die Perspektiven und Anliegen der nächsten Generation einzubeziehen.
Sie hat auch mit vielen zwischenstaatlichen Organisationen und anderen wichtigen Interessengruppen zusammengearbeitet. Das Risiko, die 1,5C-Grenze des Pariser Abkommens zu überschreiten, ist hoch und nimmt zu. Die Auswirkungen auf die Menschen und den Planeten wären schwerwiegend und ungleich verteilt, wobei die extremsten Schäden auf klimatisch gefährdete Entwicklungsregionen mit niedrigem Einkommen entfallen würden.
Ein Überschießen kann immer noch vermieden werden
Dieser Bericht ist ein dringender Aufruf, sich mit der zunehmenden Wahrscheinlichkeit und den Folgen eines Overshoot auseinanderzusetzen und alle verfügbaren Instrumente zur Risikominderung in Betracht zu ziehen: Diese Folgen sind so gravierend, dass sie weitaus stärkere Maßnahmen erfordern, als bisher in Betracht gezogen wurden.
Die „CARE-Agenda“: Senkung der Emissionen, Anpassung an die Auswirkungen, Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre, Erforschung von SRM.
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- Dies ist der erste große internationale politische Prozess, der eine ganzheitliche Strategie zur Verringerung der Risiken einer Klimaüberschreitung entwickelt, die auf einer Reihe kohärenter Empfehlungen beruht.
- Die grundlegende Strategie zur Vermeidung oder Begrenzung der Überschreitung ist die Beschleunigung tiefgreifender Emissionssenkungen – um das Problem nicht weiter zu verschärfen. Gleichzeitig sollte diese klare Handlungspriorität durch eine Reihe von Ansätzen zur Kühlung des Planeten ergänzt werden.
- Die CARE-Agenda umfasst einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, eine verstärkte lokale Anpassung, die den unterschiedlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen von Industrie- und Schwellenländern Rechnung trägt, eine rasche Ausweitung der hochwertigen Kohlendioxidbeseitigung, ein Moratorium für die großflächige Veränderung der Sonneneinstrahlung und die Forderung nach deren Steuerung und Erforschung sowie eine schrittweise Verbesserung der öffentlichen und privaten Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen.
Im Einzelnen fordert die Kommission Folgendes:
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- Einen schrittweisen, differenzierten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, je nach Einkommensniveau der Länder, sowie die Verfolgung eines globalen Ökostromziels.
- Die Industrieländer sollten die Vorreiterrolle übernehmen, indem sie die Produktion und den Verbrauch auf das derzeitige Niveau begrenzen, gefolgt von einem schrittweisen Abbau, einschließlich der Subventionen.
- Eine Aufforderung an die Industrieländer, sich nicht nur Netto-Null-Ziele zu setzen, sondern Netto-Negativ-Ziele, d.h. mehr CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen als sie emittieren.
- Ziel ist es, Raum für die am wenigsten industrialisierten Länder zu schaffen, um ihre Energiewende voranzutreiben und gleichzeitig die Armut zu beseitigen und ihre Entwicklungsziele zu erfüllen.
Für die am wenigsten industrialisierten Länder könnten die Übergangsprogramme beispielsweise einen erweiterten Zugang zu erschwinglicher und zuverlässiger Energie beinhalten, um die Armut zu lindern, oder den Ersatz traditioneller Biomasse-Kochherde durch Flüssiggas. Im Rahmen eines begrenzten Kohlenstoffbudgets müssen die reichsten Länder – einschließlich der Erdöl exportierenden Länder – ihre Emissionen schneller reduzieren, um den am wenigsten entwickelten Ländern mehr Spielraum für ihre Umstellung zu geben. - Notwendige Intensivierung der Anpassungshilfe, die auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten ist, durch langfristige Aktionspläne auf Länderebene, unterstützt durch internationale Finanzierungszusagen.
- Besonderer Fokus auf landwirtschaftliche Praktiken bei der Anpassung, um Risiken der Ernährungsunsicherheit zu begegnen.
- Ein globaler Klimaanfälligkeitsindex und internationale Anpassungsmetriken als Grundlage für Anpassungsmaßnahmen.
- Kohlenstoffrücknahmeverpflichtungen zur raschen Ausweitung des Abbaus von Kohlendioxid in hoher Qualität sowie eine solide Rechnungslegung, um Greenwashing zu verhindern.
- Kohlenstoffrücknahmeverpflichtungen würden Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, dazu verpflichten, einen Teil des Kohlenstoffs, der durch die von ihnen verkauften Produkte entsteht, aus der Atmosphäre zu entfernen und zu speichern.
- Die Beseitigung von Kohlendioxid wird teuer sein, und die Verpflichtung zur Rücknahme von Kohlendioxid ist eine Möglichkeit, die Verursacher dafür zahlen zu lassen.
Eine Reihe von Instrumenten zur massiven Aufstockung öffentlicher und privater Finanzquellen für den Klimaschutz:
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- Eine grundlegende Änderung der Kreditvergabe und der Gewährung von Zuschüssen durch multilaterale Entwicklungsbanken.
- Dringende Aufmerksamkeit für innovative Finanzierungsquellen und Schuldenerlassmechanismen.
Spezifische Werkzeuge und Instrumente, die im Katastrophenfall schnell, reichlich und bedingungslos Liquidität bereitstellen können. - Eine neue Organisation der Kohlenstoffmärkte im Finanzbereich. Ein internationaler öffentlicher Zertifizierungsmechanismus könnte eingerichtet werden, um die Zusätzlichkeit, Dauerhaftigkeit und Umweltverträglichkeit von Projekten zur Emissionsreduzierung oder zum Emissionsabbau zu überprüfen.
- Die Weltbank könnte mit der Aufgabe betraut werden, die derzeit auf dem Markt geltenden Standards unverzüglich zu verschärfen.
Ein Moratorium für den Einsatz der solaren Strahlungsmodifikation und für groß angelegte Experimente, wenn sie das Risiko erheblicher grenzüberschreitender Schäden mit sich bringen, bei gleichzeitiger Unterstützung international umfassender Forschung und Bewertung des zukünftigen Potenzials. SRM ist ein Ansatz, bei dem viel auf dem Spiel steht, der globale Auswirkungen hat und mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Die Länder sollten ein solches Moratorium beschließen, ohne auf einen formellen, rechtsverbindlichen Vertrag zu warten. Gleichzeitig sollten sie die wissenschaftliche Forschung ausweiten und den internationalen Dialog darüber fortsetzen, wie sie effektiv, umsichtig und gerecht gesteuert werden kann.
->Quellen: