Wegfall der Zuteilung von Emissionsrechten verursacht weitere Kostenbelastungen
Die deutlich gestiegenen Preise im europäischen Emissionshandel für Treibhausgase führen zu spürbaren Zusatzkosten für die Industrie. Beim Wegfall der bisher freien Zuteilung von Emissionsrechten drohen zudem weitere Kostenbelastungen in Milliardenhöhe – schreiben
Der 2005 eingeführte Emissionshandel für Treibhausgase ist das zentrale europäische Klimaschutzinstrument für Energiewirtschaft und Industrie. Mit ihm ist für wesentliche Teile der Emissionen ein Preis etabliert worden, der den Druck auf die Unternehmen erhöht, ihre Klimaschutzanstrengungen zu verstärken. Da die zulässigen Emissionsmengen innerhalb dieses Handelssystems immer weiter zurückgehen, reduziert sich auch der Ausstoß von Treibhausgasen der betroffenen Sektoren. Ob hingegen in der einen Anlage mehr oder der anderen Branche weniger emittiert wird und wie sich das auf die europäischen Länder verteilt, hängt davon ab, an welcher Stelle die Klimaschutzmaßnahmen mit den geringsten Kosten verbunden sind. Dieser Anreiz zu effizientem Klimaschutz ist der fundamentale Vorteil des marktbasierten Emissionshandels.
Durch die Verknappung der Emissionsrechte und der durch Konjunktur und Krisen beeinflussten Nachfrage nach den Emissionszertifikaten unterliegen die Preise deutlichen Schwankungen. In den ersten Jahren lag der Preis mit unter 10 Euro je Tonne CO2-Äquivalent noch niedrig, inzwischen kostet ein Emissionsrecht seit Anfang des Jahres zwischen knapp 80 und in der Spitze über 100 Euro pro Tonne.
Da die betroffenen Unternehmen diese hohen Mehrkosten im Wettbewerb mit außereuropäischen Konkurrenten nur schlecht auf die Kunden weitergeben können, wird ein Teil der notwendigen Emissionsrechte kostenlos zugeteilt. Bei der Industrie lag der Anteil der zugeteilten Emissionsrechte im Jahr 2021 bei 79 Prozent der Gesamtemissionen, bei allen Branchen im Emissionshandel waren es insgesamt 35 Prozent.
Krisenbedingt lagen die Emissionen 2022 außergewöhnlich niedrig, weshalb im Weiteren die Mengen des Jahres 2021 berücksichtigt werden. Für die Industrie insgesamt lagen die Kosten des Emissionshandels 2021 bei etwa 1,4 Milliarden Euro, 2022 lagen sie bei niedrigeren Mengen und höheren Preisen fast auf gleicher Höhe. Bei gleichen Emissionen wie 2021 wären bei einem Preis von 80 Euro je Tonne weitere 660 Millionen hinzugekommen, die Beschaffung der nötigen Emissionsrechte wäre mit Kosten von rund 2,0 Milliarden Euro verbunden. Würden zudem die kostenlosen Zuteilungen vollständig wegfallen, fielen für die Industrie Emissionsrechte im Wert von derzeit 7,5 Milliarden Euro weg.
Wird die Zahl der jährlich ausgegebenen Emissionsrechte auch nach 2030 mit dem gleichen linearen Reduktionsfaktor wie nach der Verschärfung durch das Fit for 55-Paket der Europäischen Kommission in der aktuellen Handelsperiode gekürzt, werden schon 2039 keine neuen Zertifikate mehr ausgegeben. Angesichts des Ziels der Klimaneutralität, die in Deutschland bereits im Jahr 2045 gelten soll, ist eine Umstellung der Produktionsverfahren ohnehin in absehbarer Zeit notwendig. Durch die steigenden ETS-Preise können klimafreundliche Produktionsalternativen attraktiver werden. Währenddessen müssen Unternehmen jedoch den wettbewerbsfähigen Betrieb ihrer Produktion aufrechterhalten, wenn es nicht zu einer Deindustrialisierung oder einer Verlagerung der Emissionen an andere Produktionsstandorte kommen soll. Neben hohen Energiekosten, Schwierigkeiten in den Lieferketten und Inflationsdruck kommen mit den deutlich steigenden Kosten für die Emissionszertifikate weitere Belastungen auf die Unternehmen zu. Damit verringert sich der Spielraum für Investitionen, die gerade für den Klimaschutz dringend benötigt werden.
Besonders betroffen ist die Eisen- und Stahlerzeugung. Zu den früheren Kosten von 310 Millionen Euro kommen bei einem 80-Euro-Preisniveau noch einmal 150 Millionen Euro hinzu. Wenn die kostenlose Zuteilung mit der Einführung des Grenzausgleichs CBAM wegfallen sollte, müssten bei dem unterstellten Preisniveau Rechte im Wert von derzeit 2,4 Milliarden Euro gekauft werden. Damit würden die Kosten des Emissionshandels für die Branche allein auf 2,8 Milliarden Euro steigen (Abbildung). Das Auslaufen der kostenlosen Zuteilung ist auch für Zement und Teile der Chemieindustrie vorgesehen. Durch diese Maßnahmen würden (wenn die Branche insgesamt betroffen wäre) kostenlose Zuteilungen von 1,4 beziehungsweise 1,2 Milliarden Dollar zur Diskussion stehen. Durch die Preiserhöhung auf 80 Euro seit 2021 sind bereits Mehrkosten von 80 Millionen bzw. 60 Millionen Euro entstanden, die durch Minderverbräuche in begrenztem Maß reduziert werden.
Noch nicht berücksichtigt sind dabei die CO2-Kosten der Energieerzeugung, die an die Verbraucher weitergegeben werden können. 2021 mussten die Energieerzeuger Zertifikate im Wert von ca. 11 Milliarden Euro zukaufen, bei einem Preisniveau von 80 Euro wären es über 16 Milliarden. Bei vollständiger Überwälzung auf den Strompreis würde das eine weitere Steigerung der Kosten für die Industrie von 5,0 auf 7,4 Milliarden Euro abzüglich der Strompreiskompensation, für die statt bisher gut 800 Millionen für 2023 bis zu 3 Milliarden Euro vorgesehen sind, mit sich bringen. Diese Kosten sinken, wenn die Energieerzeugung weniger CO2-intensiv wird. Je höher der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung und je höher der Elektrifizierungsgrad, desto weniger Emissionshandelszertifikate benötigt die Energiewirtschaft.
Durch die Kürzung und den perspektivischen Wegfall der kostenfreien Zuteilung und der Strompreiskompensation steigen zunächst die Kosten für die einheimische Industrie. Die daraus resultierenden Wettbewerbsnachteile sollen durch den CBAM und die damit verbundenen Zertifikatspflichten für eingeführte Grundstoffe abgemildert werden. Doch dies gilt nur auf dem europäischen Binnenmarkt. Auf dem Weltmarkt tätige Unternehmen konkurrieren mit Wettbewerbern, die nicht unter die europäischen Regeln fallen. Dies gilt auch für die nachgelagerten weiterverarbeitenden Industrien. Und selbst bei den zertifikatspflichtigen Importeuren wird befürchtet, dass diese mithilfe von Umgehungsstrategien Kosten sparen können, solange es keine einheitlich verifizierbaren Abgrenzungen für den CO2-Gehalt auch von komplexen Produkten gibt (Schaefer et. al., 2021).
Die Anreizwirkungen des europäischen Emissionshandelssystems kommen demnach buchstäblich an ihre Grenzen, wenn der Druck zur Emissionsminderung angesichts der hiesigen ambitionierten Klimaziele zunimmt, außerhalb der EU-Grenzen jedoch nicht. Deshalb ist zweierlei erforderlich:
Die Verknappung der zulässigen Emissionen und die dadurch resultierende Verteuerung des Einsatzes fossiler Brennstoffe und emissionsintensiver Produktionsprozesse sorgt dafür, dass innerhalb des Geltungsbereichs des Emissionshandels der Treibhausgasausstoß sinkt. Damit die Emissionen nicht nur verlagert werden, sondern hierzulande klimafreundliche Alternativen aufgebaut werden können, sind insbesondere energieintensive Unternehmen zumindest übergangsweise auf staatliche Maßnahmen angewiesen. So wird die Transformation auf treibhausgasneutrale Produktionsverfahren ermöglicht, die perspektivisch international wettbewerbsfähig sind.
Jedweder hiesiger Reduktionserfolg verpufft, wenn anderswo die Emissionen weiter steigen. Ein unilateraler europäischer Ansatz in der Klimapolitik droht deshalb zu scheitern, wenn es nicht gelingt, Fortschritte bei der internationalen Koordination zu erzielen. Dies fängt bei Vereinbarungen über die Verifizierung von Emissionen bei grenzüberschreitend gehandelten Produkten an, kann zunehmend Bestandteil von sektorspezifischen Handelsvereinbarungen werden und in einem Klimaclub münden, der für die großen globalen Emittenten attraktive Vorteile bereithält.
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