Schwere Lkw wohl auch künftig nicht CO2-neutral

Ohne Anreize der Politik nicht erreichbar

Ohne politische Maßnahmen für emissionsfreie Technologien wird ein Großteil der schweren Lastwagen auch 2035 noch mit Diesel fahren. Dies zeigt eine Untersuchung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich vom 10.10.2023 zum Thema  Dekarbonisierung des Lastwagenverkehrs. Nur bei leichten und mittelschweren Fahrzeugen kommt die Elektrifizierung des Lastwagenverkehrs bis 2035 voran. Bei diesen Fahrzeugklassen werden sich batteriebetriebene Lkw mit hoher Wahrscheinlichkeit gegenüber Wasserstoff-Lkw durchsetzen.

Lkw-Schlange auf Autobahn – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Fahren Lkw in Zukunft mit klimaschädlichem Diesel oder mit emissionsfreien Technologien wie Batterien oder Wasserstoff? Ob die internationale Gemeinschaft das Pariser Klimaziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 erreicht, hängt auch davon ab, ob es gelingt, den Schwerverkehr auf der Straße zu dekarbonisieren. Denn dieser verursacht jährlich knapp ein Drittel der weltweiten Emissionen im Transportsektor, der für rund ein Fünftel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist.

ETH-Forschende haben nun in einem Modell untersucht, welche Technologien sich im Lkw-Verkehr bis 2035 durchsetzen werden. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Ein Großteil der schweren Lkw wird weiterhin mit Diesel oder Flüssigerdgas angetrieben. „Ohne politische Massnahmen zur die Dekarbonisierung des Schwerverkehrs sind grüne Technologien chancenlos“, erklärt Tobias Schmidt, Professor für Energie- und Technologiepolitik an der ETH Zürich und Mitautor der Studie, die am 09.10.2023 open access in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen ist.

Fokus auf Gesamtkosten

Die Forschenden berücksichtigen in ihrem Modell drei Gewichtsklassen mit verschiedenen Fahrprofilen: Im Schnitt legen Kleintransporter mit rund 3,5 Tonnen pro Tag 75 Kilometer zurück, mittelschwere Laster mit rund 7,5 Tonnen 200 Kilometer und schwere Lkw mit circa 32 Tonnen 600 Kilometer am Tag ohne Laden oder Tanken zurück.

Ob sich emissionsfreie Lastwagen, die mit Batterien oder grünem Wasserstoff fahren, im Lkw-Verkehr durchsetzen, hängt davon ab, wie viel sie verglichen mit Verbrennern kosten. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich Investoren dabei auf die Gesamtkosten konzentrieren, die über die Lebensdauer eines Lkw anfallen.

Diese Kosten bestehen aus den Anschaffungs- und Betriebskosten wie Kosten für Treibstoff, Löhne, Wartung, Versicherungen und Maut-Gebühren. Die Forschenden nehmen weiter an, dass Firmen teils selbst in die Lade- und Tankinfrastruktur von Batterie- und Wasserstoff-Lkw Lastwagen investieren werden. Diese Kosten werden mit denen eines Elektro-Lasters für die Nutzung der Infrastruktur über seine Lebensdauer verrechnet.

Betriebskosten entscheidend

„Berücksichtigt man alle Kosten über die gesamte Lebensdauer, sind in vielen europäischen Ländern batteriebetriebene Kleintransporter und mittelschwere Lastwagen bereits heute günstiger als Diesel-Lkw“, sagt Bessie Noll, Postdoktorandin in Schmidts Forschungsgruppe und Erstautorin der Studie. Geringere Betriebskosten über die Lebensdauer sind dabei entscheidend. Wasserstoff-Lastwagen sind in den beiden Gewichtsklassen mit Abstand am teuersten. Grund dafür sind hohe Preise für Brennstoffzellen und grünen Wasserstoff.

Bei den schweren Lkw sieht es anders aus: Diesel und Flüssigerdgas sind weiterhin die günstigsten Treibstoffe, grüner Wasserstoff ist die teuerste Option. Nur in der Schweiz sind schwere Lastfahrzeuge, die mit Batterien oder grünem Wasserstoff angetrieben werden, schon jetzt günstiger. Der Grund dafür sind die hohen Mautkosten, die wegen der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) für Diesel-Laster anfallen. Emissionsfreie Fahrzeuge über 3,5 Tonnen sind von dieser Abgabe befreit.

Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe ist die in der Schweiz und Liechtenstein erhobene Maut für Schwere Motorwagen (Lastwagen etc.) über 3,5 Tonnen. In der Schweiz wurde ab 1985 die Benutzung der Nationalstraßen (Autobahnen) abgabenpflichtig. Für Personenwagen wird seither die Autobahnvignette benötigt, für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen eine pauschale Schwerverkehrsabgabe. Sie glich der Euro-Vignette, die danach in mehreren EU-Ländern, darunter Deutschland, eingeführt wurde. Nach einem grundlegenden Volksentscheid von 1994 (Alpenschutz in der schweizerischen Verfassung, Artikel 84) wurde im September 1998 das Gesetz über eine leistungsabhängige Abgabe angenommen, aufgrund dessen anstelle der pauschalen Abgabe seit dem 01.01.2001 die LSVA erhoben wird. Im Gegensatz zur deutschen und österreichischen Maut wird die LSVA auf allen Strassen fällig, nicht nur auf den Autobahnen. (siehe: wikipedia.org/Schwerverkehrsabgabe_(Schweiz))

„Ob CO2-freie Lkw konkurrenzfähig sind, hängt derzeit vor allem davon ab, ob der höhere Kaufpreis über die gesamte Lebensdauer hinweg durch geringere Betriebskosten kompensiert wird“, erklärt Noll. Die Forschenden zeigen, dass dies größtenteils von den Treibstoffpreisen und den Mautkosten abhängt.

Keine Fortschritte beim Schwerverkehr

Die Modellrechnungen zeigen weiter, dass die Elektrifizierung des Lastwagenverkehrs bis 2035 nur bei leichten und mittelschweren Fahrzeugen vorankommt. Batteriebetriebene Neufahrzeuge erreichen bei diesen beiden Fahrzeugklassen bis 2035 einen weltweiten Marktanteil von mehr als 50 Prozent. In Europa und China kommen sie gar auf 70 Prozent. „Wir schätzen, dass 2035 weltweit rund ein Drittel der neu gekauften Lkw im kleineren und mittleren Gewichtssegment Dieselfahrzeuge sein werden“, sagt Noll.

Bei den schweren Lastwagen über 32 Tonnen sieht es schlechter aus. Die globalen Marktanteile neuer Lkw, die CO2-frei sind, bleiben bis 2035 unter 10 Prozent. Für die Forschenden ist klar: Ohne wirksame politische Maßnahmen, die grüne Antriebstechnologien unterstützen, wird ein Großteil der schweren Lastwagen auch 2035 mit Dieselmotoren betrieben werden.

Der Vergleich unterschiedlicher Maßnahmen zeigt außerdem, dass geringere Mautkosten für emissionsfreie Lastwagen, wie in der Schweiz praktiziert, das wirksamste politische Instrument wären, um grünen Technologien im Schwerverkehr zum Durchbruch zu verhelfen.

Wasserstoff nicht konkurrenzfähig

Gemäß der ETH-Studie erfolgt die Elektrifizierung des Lkw-Verkehrs bei kleineren und mittleren Fahrzeugen fast ausschließlich über Batterien. Wasserstoffbetriebene Laster sind schlicht zu teuer. Mit einer Ausnahme: In der EU könnten Wasserstoff-Lkw mit mehr als 32 Tonnen kleinere Marktanteile gewinnen. Dies hängt vor allem mit der Annahme zusammen, dass die EU grünen Wasserstoff künftig subventioniert, sodass dieser günstiger als in anderen Teilen der Welt wird.

Dass Batterien bei Lkw konkurrenzfähiger sind als grüner Wasserstoff, liegt zum einen daran, dass ein Wasserstoff-Lkw etwa dreimal so viel erneuerbaren Strom benötigt wie ein batteriebetriebener Lkw. „Die Betriebskosten sind beim grünen Wasserstoff deutlich höher, da bei der Herstellung, Verteilung und Umwandlung von grünem Wasserstoff in Strom viel Energie verloren geht“, erklärt Schmidt.

Zum anderen ist davon auszugehen, dass die Kosten für batteriebetriebene LKW schneller sinken als jene für Wasserstoff-Lkw. Der Grund: Der globale Marktanteil von batteriebetriebenen Fahrzeugen (Pkw und Lkw) ist bereits heute deutlich höher, was zu stärkeren Skaleneffekten führt. Zudem sind Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden, die komplexere Technologie: Sie benötigen ein umfangreiches Luft- und Kühlsystem und sind wartungsintensiv. Dazu ETH-Professor Schmidt: „Batterien haben bereits heute einen Startvorteil gegenüber Wasserstoff, den sie aufgrund einer steileren Lernkurve immer weiter ausbauen.“

Wie man zukünftige Kosten schätzt

Um herauszufinden, welche Technologie sich bis 2035 durchsetzen wird, haben die Forschenden die potenziellen Kaufentscheidungen von Schwerverkehrs-Investoren weltweit simuliert. Herausfordernd daran ist zu prognostizieren, wie sich die Gesamtkosten unterschiedlicher Technologien entwickeln. Basierend auf historischen Daten nutzen die StudienautorInnen den Zusammenhang, dass die Kosten einer Technologie umso schneller sinken, je breiter sie eingesetzt wird. Auf Grund der gestiegenen Markanteile einer Technologie in diesem Jahr, können sie beispielsweise ihre Kosten im nächsten Jahr und ihre Marktanteile im darauffolgenden Jahr schätzen.

Wie schnell sich Skaleneffekte einstellen, hängt aber auch von der Komplexität der Technologie ab. „Je komplexer eine Technologie ist, desto langsamer sinken ihre Kosten“, erklärt Schmidt. Die Forschenden nehmen zudem an, dass sich durch den Wechsel von einer etablierten Technologie auf eine neue Technologie Umstellungskosten ergeben, welche die neue Technologie weniger attraktiv machen. Sie modellieren diese Umstellungskosten als einen Aufschlag auf den Kaufpreis.

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