Rätsel um Kern des Mars gelöst
Ein Jahr nach dem Ende der Mars-Mission InSight liefert die Analyse der aufgezeichneten Marsbeben in Kombination mit Computersimulationen noch immer neue Erkenntnisse: Der Marskern aus flüssigem Eisen ist kleiner und dichter als gedacht. Darüber gibt es eine Schicht aus flüssigem Mantelmaterial. Das schließen ForscherInnen der Eidgenössischen Tecchnischern Hochschule Zürich aufgrund von seismischen Daten der Sonde.
Die Auswertung der seismischen Wellen zeigt, dass die durchschnittliche Dichte des Marskerns deutlich geringer sein muss als die von flüssigem Eisen, und, dass der Radius des Marskerns rund 150 Kilometer kleiner ist als ursprünglich ermittelt. Vier Jahre lang registrierte die Nasa-Sonde InSight mit ihrem Seismometer auf dem Mars Beben. Forschende an der ETH erfassten und analysierten die zur Erde übermittelten Daten, um die innere Struktur des Planeten zu bestimmen. „Obwohl die Mission bereits im Dezember 2022 beendet wurde, haben wir jetzt etwas sehr Interessantes entdeckt“, sagt Amir Khan, Privatdozent im Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich.
Die Analyse der registrierten Marsbeben kombiniert mit Computersimulationen zeigen ein neues Bild des Inneren des Planeten. Zwischen dem Marskern aus einer flüssigen Eisenlegierung und dem Mantel aus festem Silikatgestein befindet sich eine rund 150 Kilometer dicke Schicht aus flüssigen Silikaten. „Eine solche, völlig geschmolzene Silikatschicht sehen wir auf der Erde nicht“, sagt Khan.
Diese Erkenntnis, die jetzt in der Wissenschaftszeitschrift Nature veröffentlicht wurde, liefert auch neue Werte für die Größe und Zusammensetzung des Marskerns und löst damit ein Rätsel, das sich die Forscher bisher nicht erklären konnten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Studie unter der Leitung von Henri Samuel vom Institut de Physique de Globe de Paris, die gleichzeitig erschienen ist.
Die Analyse der ersten beobachteten Marsbeben hatte nämlich ergeben, dass die mittlere Dichte des Marskerns bedeutend kleiner sein musste als diejenige von reinem, flüssigen Eisen. Der Erdkern besteht zu rund 90 Gewichtsprozenten aus Eisen. Leichte Elemente wie Schwefel, Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff machen ungefähr 10 Gewichtsprozente aus. Im Marskern hatten die leichten Elemente gemäss der ersten Analysen einen Anteil von 20 Gewichtsprozenten. „Über dieses seltsame Resultat haben wir uns damals gewundert“, sagt Dongyang Huang, Postdoktorand am Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich.
Weniger leichte Elemente
Aufgrund der neuen Berechnungen beträgt der Radius des Marskerns nun anstatt 1800 bis 1850 Kilometer noch 1650 bis 1700 Kilometer und macht damit ungefähr 50 Prozent des Radius vom Mars aus. Ist der Marskern kleiner als bisher angenommen, aber gleich schwer, so bedeutet das: Seine Dichte ist größer, und er enthält weniger leichte Elemente. Gemäß der neuen Berechnungen sinkt der Anteil der leichten Elemente auf 9 bis 14 Gewichtsprozente. „Damit ist die mittlere Dichte des Marskerns zwar immer noch etwas klein, aber nicht mehr unerklärbar“, sagt Paolo Sossi, Assistenzprofessor im Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich und Mitglied des NCCR Planet S. Denn man nimmt an, dass der Mars sehr früh entstanden ist, als die Sonne noch von einem Gasnebel mit leichten Elementen umgeben war, die sich im Kern ansammeln konnten.
Die ersten Berechnungen stützten sich auf Beben, die ziemlich nahe bei der InSight-Sonde stattgefunden hatten. Im August und September 2021 registrierte das Seismometer jedoch zwei Beben, die sich auf der anderen Seite des Mars ereigneten. Eines davon stammte von einem Meteoriteneinschlag. „Diese Beben produzierten seismische Wellen, die durch den Kern liefen“, erklärt Cecilia Duran, Doktorandin im Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich. „Damit konnten wir den Kern durchleuchten.“ Bei den früheren Beben hingegen wurden die Wellen an der Kerngrenze reflektiert und lieferten keine Informationen über den inneren Bereich des Roten Planeten. Neu konnten die Forschenden nun Profile der Dichte und der Geschwindigkeit der Bebenwellen im Kern erstellen, die bis in eine Tiefe von rund 1000 Kilometer im Kern reichen.
Simulationen mit Supercomputer
Um aus solchen Profilen auf die Zusammensetzung des Materials zu schliessen, vergleichen Forschende normalerweise die Werte mit jenen von künstlich hergestellten Eisenlegierungen, die unterschiedliche Anteile anderer Elemente enthalten. Im Labor setzt man diese Legierungen hohen Temperaturen und Drücken aus, wie sie im Planeteninnern herrschen, und misst die entsprechende Dichte und Geschwindigkeit der Bebenwellen. Doch die meisten dieser Experimente beziehen sich auf das Innere der Erde und lassen sich kaum auf den Mars anwenden. Die ETH-Forschenden verwendeten deshalb eine andere Methode. Sie bestimmten die Eigenschaften verschiedenster Legierungen mit quantenmechanischen Berechnungen, die sie am Nationalen Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz (CSCS) in Lugano durchführten.
Doch als die Forschenden die berechneten mit den gemessenen Profilen verglichen, stiessen sie auf ein Problem: Es gab kein Material, das gleichzeitig zu den Werten im Innern und am äußeren Rand des Kerns passte. An der Kerngrenze hätte die richtige Eisenlegierung beispielsweise viel mehr Kohlenstoff enthalten müssen als im Kerninnern. „Das brachte uns auf die Idee, dass der Bereich, den wir früher als den äusseren, flüssigen Eisenkern betrachtet hatten, gar nicht der Kern ist, sondern der tiefste Bereich des Mantels“, erklärt Huang. Tatsächlich stimmten die in den äußersten 150 Kilometer gemessenen und berechneten Profile überein mit denjenigen einer flüssigen Schicht aus Silikatmaterial, aus dem auch der Marsmantel besteht.
Weitere Analysen der früheren Marsbeben sowie zusätzliche Computersimulationen bestätigten dieses Resultat. Die Forschenden bedauern, dass die InSight-Sonde aufgrund der verstaubten Solarpanels keine weiteren Daten liefern konnte, die noch mehr Aufschluss über die genauere Zusammensetzung des Materials im Marsinnern hätten geben können. „Doch InSight war eine sehr erfolgreiche Mission, aus der wir viel herausgeholt und viel Neues gelernt haben“, fasst Khan zusammen.
Die NASA Mars-Mission InSight
InSight (Interior Exploration using Seismic Investigations, Geodesy and Heat Transport) war eine unbemannte externe Mars-Mission der NASA. Im November 2018 gelangte die Raumfähre, ausgestattet mit einem Seismometer und einer Wärmeflusssonde, auf den Mars. Vier Jahre lang lieferte das Seismometer Daten über die Bebenaktivität des roten Planeten. Im Dezember 2022 wurde die Mission für beendet erklärt, da der Kontakt zwischen der Sonde und der Erde abgebrochen war. Die geophysikalischen Instrumente auf dem Mars ermöglichten die Erforschung seines Inneren.
Zu den Partnern des Programms zählten neben der ETH Zürich das Centre National d’Études Spatiales (CNES) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das CNES stellte der NASA das Instrument Seismic Experiment for Interior Structure (SEIS) zur Verfügung. Wesentliche Beiträge für SEIS kamen vom Institut de Physique du Globe de Paris, dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen (MPS), dem Imperial College London und der Universität Oxford in Großbritannien sowie dem Jet Propulsion Laboratory (in Pasadena, Kalifornien, USA).
->Quellen:
Originalpublikation(en):
- Khan A, Huang D, Duran C, Sossi PA, Giardini D, Murakami M: Evidence for a liquid silicate layer atop the Martian core. Nature, 25.10.2023, doi: 10.1038/s41586-?023-06586-4 – open access
- Henri Samuel, Mélanie Drilleau, Attilio Rivoldini, Zongbo Xu, Quancheng Huang, Raphaël F. Garcia, Vedran Leki?, Jessica C. E. Irving, James Badro, Philippe H. Lognonné, James A. D. Connolly, Taichi Kawamura, Tamara Gudkova & William B. Banerdt: Geophysical evidence for an enriched molten silicate layer above Mars‘ core, Nature, 25.10.2023, doi: 10.1038/s41586-?023-06601-8 – open access