Iso2k-Pro­jekt­team rekonstruiert glo­ba­le Was­ser­ge­schich­te der ver­gan­ge­nen 2.000 Jah­re

Untersuchung bringt Ver­än­de­run­gen im weltweiten Kreis­lauf mit hö­he­ren Tem­pe­ra­tu­ren in Ver­bin­dung

In den ver­gan­ge­nen 2.000 Jah­ren ha­ben stei­gen­de und fal­len­de Tem­pe­ra­tu­ren die Art und Wei­se ver­än­dert, wie sich das Was­ser auf der Erde be­wegt. Ohne Wasser gäbe es kein Leben auf der Erde. Ein internationales Team von Forschenden unter Leitung des Bremer MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten hat jetzt in einer umfangreichen Datenanalyse den Wasserkreislauf der vergangenen 2.000 Jahre rekonstruiert. In der am 02.11.2023 in Nature Geoscience veröffentlichten Studie untersuchen sie den Zusammenhang von Wasserkreislauf und Klimaveränderungen und tragen zu einem besseren Verständnis bei.

Mittelmeer bei Barcelona – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Es ist eine Mul­ti­mil­li­ar­den-Dol­lar-Fra­ge: Was wird mit dem Was­ser pas­sie­ren, wenn die Tem­pe­ra­tu­ren zu­künf­tig wei­ter stei­gen? Wenn sich än­dert, wo, wann und wie­viel Was­ser den Men­schen zum Trin­ken und zur Nut­zung zur Ver­fü­gung steht, wird es Ge­win­ner und Ver­lie­rer ge­ben.

Um Ant­wor­ten zu fin­den und fun­dier­te Vor­her­sa­gen zu tref­fen, bli­cken Wis­sen­schaft­lerIn­nen in die Ver­gan­gen­heit. Re­kon­struk­tio­nen ver­gan­ge­ner Kli­ma­ver­än­de­run­gen an­hand geo­lo­gi­scher Da­ten ha­ben dazu bei­ge­tra­gen, den weit­rei­chen­den Ein­fluss mensch­li­cher Ak­ti­vi­tä­ten auf die Tem­pe­ra­tu­ren seit dem In­dus­trie­zeit­al­ter auf­zu­zei­gen. Auf­zeich­nun­gen über das Hy­dro­kli­ma – also das viel­fäl­ti­ge Zu­sam­men­spiel von Kli­ma und Was­ser­kreis­lauf, wie zum Bei­spiel Nie­der­schlags­men­gen oder -in­ten­si­tä­ten oder das Ver­hält­nis von Nie­der­schlag und Ver­duns­tung auf lo­ka­len bis glo­ba­len räum­li­chen Ska­len – für den­sel­ben Zeit­raum zu­sam­men­zu­stel­len, hat sich je­doch als we­sent­lich schwie­ri­ger er­wie­sen.

Eine Stu­die des Iso2k-Pro­jekt­teams von Past Glo­bal Chan­ges (PA­GES), ein­schließ­lich Dr. Lu­kas Jon­kers vom MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men, ist es ge­lun­gen, die glo­ba­le Was­ser­ge­schich­te der ver­gan­ge­nen 2.000 Jah­re zu re­kon­stru­ie­ren. An­hand von geo­lo­gi­schen und bio­lo­gi­schen Be­le­gen, die in na­tür­li­chen Um­welt­ar­chi­ven welt­weit auf­be­wahrt wer­den – dar­un­ter 759 Pa­läo­kli­ma­auf­zeich­nun­gen von Ko­ral­len, Bäu­men, Eis, Höh­len­for­ma­tio­nen und Se­di­men­ten – konn­ten die For­schen­den zei­gen, dass sich der glo­ba­le Was­ser­kreis­lauf in Zei­ten hö­he­rer und nied­ri­ge­rer Tem­pe­ra­tu­ren in der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit ver­än­dert hat.

„Der glo­ba­le Was­ser­kreis­lauf ist eng mit der glo­ba­len Tem­pe­ra­tur ver­bun­den“, sagt Bron­wen Ko­ne­cky, As­sis­tenz­pro­fes­so­rin für Erd-, Um­welt- und Pla­ne­ten­wis­sen­schaf­ten an der Wa­shing­ton Uni­ver­si­ty in St. Lou­is (USA) und Haupt­au­to­rin der in Na­tu­re Geo­sci­ence ver­öf­fent­lichten Untersuchung. „Wir ha­ben fest­ge­stellt, dass sich in Zeit­räu­men, in de­nen sich die Tem­pe­ra­tur auf glo­ba­ler Ebe­ne än­dert, auch die Art und Wei­se än­dert, in der sich das Was­ser auf der Erde be­wegt“, sagt sie.

Ins­be­son­de­re der Nie­der­schlag un­ter­liegt geo­gra­fi­schen Schwan­kun­gen, die viel deut­li­cher sind als die der Luft­tem­pe­ra­tur. Da­her ist es schwie­rig zu be­ur­tei­len, wie sich die Nie­der­schlä­ge ver­än­dert ha­ben. „Wir ha­ben uns für Zeit­rei­hen von Was­se­r­i­so­to­pen ent­schie­den, weil sie ganz­heit­li­che Si­gna­le wi­der­spie­geln und weil sie in al­len mög­li­chen na­tür­li­chen Ar­chi­ven auf­ge­zeich­net sind“, so Ko­ne­cky. „Dies ist ein ers­ter Schritt zur Re­kon­struk­ti­on von Dür­re- oder Nie­der­schlags­mus­tern auf glo­ba­ler Ebe­ne wäh­rend der ver­gan­ge­nen 2.000 Jah­re.“

Ein verschlungener Kreislauf

Der glo­ba­le Was­ser­kreis­lauf ist kom­plex und ver­floch­ten. Was­ser ver­duns­tet von der Erd­ober­flä­che, steigt in die At­mo­sphä­re auf, kühlt ab und kon­den­siert in Wol­ken zu Re­gen oder Schnee und fällt als Nie­der­schlag wie­der auf die Ober­flä­che. Je­des Was­ser­mo­le­kül, das Teil des Kreis­laufs ist, hat ei­nen be­stimm­ten iso­to­pi­schen Fin­ger­ab­druck oder eine be­stimm­te Zu­sam­men­set­zung, die klei­ne Va­ria­tio­nen im Atom­ge­wicht der Sau­er­stoff- und Was­ser­stoff­ato­me, aus de­nen das Mo­le­kül be­steht, wi­der­spie­gelt. Ein­zel­ne Was­ser­mo­le­kü­le kön­nen also schwe­rer oder leich­ter sein.

In die­ser neu­en Stu­die fan­den die Wis­sen­schaft­lerIn­nen her­aus, dass Nie­der­schlag und an­de­re na­tür­li­che Wäs­ser bei hö­he­ren glo­ba­len Tem­pe­ra­tu­ren iso­to­pisch schwe­rer wer­den. Die For­schen­den in­ter­pre­tier­ten die­se Iso­to­pen­ver­än­de­run­gen und be­stimm­ten ih­ren zeit­li­chen Ver­lauf, in­dem sie Da­ten aus ei­ner Viel­zahl na­tür­li­cher Ar­chi­vquel­len aus den ver­gan­ge­nen 2.000 Jah­ren Erd­ge­schich­te zu­sam­men­fass­ten.

Das PA­GES Iso2k-Pro­jekt­team, dem mehr als 40 For­schen­den aus zehn Län­dern an­ge­hö­ren, sam­mel­te, ord­ne­te und di­gi­ta­li­sier­te teil­wei­se Da­ten­sät­ze aus Hun­der­ten von Stu­di­en, um die für ihre Ana­ly­se ver­wen­de­te Da­ten­bank auf­zu­bau­en. Am Ende ver­füg­ten sie über 759 welt­weit ver­teil­te Zeit­rei­hen, die die welt­weit größ­te in­te­grier­te Da­ten­bank von Was­se­r­i­so­to­pen-Proxy­da­ten dar­stel­len.

Das Zu­sam­men­set­zen von Si­gna­len aus vie­len ver­schie­de­nen Ar­ten von na­tür­li­chen Ar­chi­ven kann al­ler­dings wie das Zu­sam­men­set­zen von Äpfeln und Bir­nen sein. Das Pro­jekt­team wuss­te je­doch, dass Kli­ma­si­gna­le in ver­schie­de­nen na­tür­li­chen Ar­chi­ven auf spe­zi­fi­sche Wei­se in Was­se­r­i­so­to­pen auf­ge­zeich­net wer­den. Sorg­fäl­tig zu­sam­men­ge­setzt, konn­te die­ser rote Fa­den ih­nen hel­fen, ei­nen Baum­ring mit ei­nem Eis­kern zu ver­glei­chen.

„Je­des Ar­chiv ist an­ders“, sagt Ko­ne­cky. „Um die Sa­che noch kom­pli­zier­ter zu ma­chen, wer­den Da­ten­sät­ze aus ver­schie­de­nen Ar­chi­ven von ver­schie­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Ge­mein­schaf­ten mit ih­rer ei­ge­nen Ter­mi­no­lo­gie, ih­ren ei­ge­nen Nor­men und Re­fe­renz­ma­te­ria­li­en er­stellt. Wir ha­ben Da­ten­be­schrei­bungs­fel­der, also Me­ta­da­ten, für die Da­ten­bank ent­wi­ckelt, die die Be­son­der­hei­ten je­des Da­ten­sat­zes in eine ge­mein­sa­me Spra­che über­set­zen, die es er­mög­licht, Va­ria­tio­nen in ei­nem Ar­chiv mit Va­ria­tio­nen in ei­nem an­de­ren zu ver­glei­chen. Die­ser Pro­zess hat Jah­re ge­dau­ert!“

Das Team traf sich ein­mal per­sön­lich und da­nach in vir­tu­el­len Kon­fe­ren­zen. Sie or­ga­ni­sier­ten Ar­beits­sit­zun­gen zu un­ge­wöhn­li­chen Zei­ten, um Zeit­zo­nen von Ha­waii bis Ja­pan, von Aus­tra­li­en bis Eu­ro­pa und da­zwi­schen zu be­rück­sich­ti­gen. „Wir ha­ben so­gar ei­nen Sil­ves­ter­abend da­mit ver­bracht, an der Da­ten­bank und den Ana­ly­sen zu ar­bei­ten, die zu die­ser Ar­beit ge­führt ha­ben“, so Ko­ne­cky.

Die­ses Pro­jekt zeigt, dass es not­wen­dig ist, In­for­ma­tio­nen aus Hun­der­ten von Stu­di­en zu kom­bi­nie­ren, um et­was Neu­es über den glo­ba­len Was­ser­kreis­lauf zu er­fah­ren. „Die aus die­ser Stu­die ge­won­ne­nen Er­kennt­nis­se hät­ten nie­mals von ein­zel­nen Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern ge­won­nen wer­den kön­nen“, be­tont Lu­kas Jon­kers. „Wir konn­ten hun­der­te von Stu­di­en kom­bi­nie­ren, das funk­tio­niert nur, wenn For­schen­de aus vie­len ver­schie­de­nen Dis­zi­pli­nen zu­sam­men­ar­bei­ten, um Da­ten­sät­ze aus vie­len ver­schie­de­nen Quel­len zu ret­ten – und wenn sie cle­ve­re Wege fin­den, die­se zu kom­bi­nie­ren.“

Weitere Veränderungen im Wasserkreislauf stehen bevor

Glo­ba­le Zu­sam­men­hän­ge zwi­schen der Tem­pe­ra­tur und der Iso­to­pen­zu­sam­men­set­zung be­stimm­ter na­tür­li­cher Wäs­ser, wie Meer­was­ser und Glet­scher­eis, sind seit lan­gem be­kannt, da sich die Erde in Eis­zeit­zy­klen hin­ein und wie­der her­aus be­wegt. Lo­ka­le Zu­sam­men­hän­ge mit der Tem­pe­ra­tur auf Zeits­ka­len von Mi­nu­ten bis Mo­na­te sind eben­falls gut be­legt.

Die­se Stu­die lie­fert je­doch den ers­ten Be­weis da­für, dass die Tem­pe­ra­tur und die Iso­to­pen­zu­sam­men­set­zung na­tür­li­cher Wäs­ser auf Zeits­ka­len zwi­schen die­sen bei­den Grö­ßen­ord­nun­gen – also über Jahr­zehn­te bis Jahr­hun­der­te – Hand in Hand ge­hen.

Ko­ne­cky be­zeich­net das als schnel­le An­pas­sung. „Wenn sich der Pla­net er­wärmt und ab­kühlt, wirkt sich das auf das Ver­hal­ten des Was­sers aus, wenn es die Ozea­ne ver­lässt, und auf die Stär­ke sei­ner Be­we­gun­gen durch die At­mo­sphä­re“, sagt sie. „Die iso­to­pi­schen Si­gna­le in die­sen Wäs­sern re­agie­ren sehr stark auf Tem­pe­ra­tur­ver­än­de­run­gen.“

Das Team fand her­aus, dass die glo­ba­le mitt­le­re Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur ei­nen zu­sam­men­hän­gen­den Ein­fluss auf die Iso­to­pen­zu­sam­men­set­zung des welt­wei­ten Nie­der­schlags und so ge­nann­ten „me­teo­ri­schen Wäs­sern“ (Was­ser in Seen, Flüs­sen und Eis­schmel­zen) wäh­rend der ver­gan­ge­nen 2.000 Jah­re aus­üb­te. Die be­ob­ach­te­ten Ver­än­de­run­gen wur­den durch Ver­duns­tungs- und Kon­den­sa­ti­ons­pro­zes­se in den Welt­mee­ren ver­ur­sacht, mit nied­ri­ge­ren Wer­ten wäh­rend der so ge­nann­ten Klei­nen Eis­zeit (1450 bis 1850 un­se­rer Zeit­rech­nung) und hö­he­ren Wer­ten nach dem Ein­set­zen der vom Men­schen ver­ur­sach­ten Kli­ma­er­wär­mung ab etwa 1850.

Was die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen die­ser Ver­än­de­run­gen auf die künf­ti­gen Nie­der­schlä­ge und die Was­ser­ver­füg­bar­keit be­trifft, so ist es laut dem Iso2k-Team noch zu früh, um Ge­win­ner und Ver­lie­rer vor­her­zu­sa­gen. Die Da­ten die­ser Stu­die deu­ten je­doch dar­auf hin, dass wei­te­re Ver­än­de­run­gen im Was­ser­kreis­lauf wahr­schein­lich sind, wenn die glo­ba­len Tem­pe­ra­tu­ren wei­ter an­stei­gen.

Das MARUM ge­winnt grund­le­gen­de wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se über die Rol­le des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens im ge­sam­ten Erd­sys­tem. Die Dy­na­mik des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens prä­gen durch Wech­sel­wir­kun­gen von geo­lo­gi­schen, phy­si­ka­li­schen, bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Pro­zes­sen maß­geb­lich das ge­sam­te Erd­sys­tem. Da­durch wer­den das Kli­ma so­wie der glo­ba­le Koh­len­stoff­kreis­lauf be­ein­flusst und es ent­ste­hen ein­zig­ar­ti­ge bio­lo­gi­sche Sys­te­me. Das MARUM steht für grund­la­gen­ori­en­tier­te und er­geb­nis­of­fe­ne For­schung in Ver­ant­wor­tung vor der Ge­sell­schaft, zum Wohl der Mee­res­um­welt und im Sin­ne der Nach­hal­tig­keits­zie­le der Ver­ein­ten Na­tio­nen. Es ver­öf­fent­licht sei­ne qua­li­täts­ge­prüf­ten, wis­sen­schaft­li­chen Da­ten und macht die­se frei zu­gäng­lich. Das MARUM in­for­miert die Öffent­lich­keit über neue Er­kennt­nis­se der Mee­res­um­welt, und stellt im Dia­log mit der Ge­sell­schaft Hand­lungs­wis­sen be­reit. Ko­ope­ra­tio­nen des MARUM mit Un­ter­neh­men und In­dus­trie­part­nern er­fol­gen un­ter Wah­rung sei­nes Ziels zum Schutz der Mee­res­um­welt.

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