Subventionen für die fossile Wirtschaft belaufen sich auf eine Größenordnung, die der Bundesregierung im Transformationsfonds fehlt
Der Schock des Karlstuher Urteils für die Bundesregierung war groß. 60 Milliarden Euro ungenutzte Gelder aus der Corona-Krise sollten eigentlich in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Doch dagegen hatte die Unionsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt und recht bekommen. Es gehe um die Wirksamkeit der Schuldenbremse, so die VerfassungsrichterInnen. Die dürfe zwar in Notlagen, wie der Corona-Krise, umgangen werden, doch die GesetzgeberInnen hätten besser begründen müssen, warum die Mittel für das Klima später ausgegeben werden sollten und warum das helfen könnte, die Corona-Folgen abzumildern. 2021 hatte der Bund den Haushalt nachträglich in Form einer Kreditermächtigung um 60 Milliarden Euro aufgestockt. Wie der Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen funktionieren könnte, zeigt eine Analyse des UBA, die sich Manuel Grisard für energiezukunft näher angeschaut hat.
Die Unionsfraktion nannte das Urteil eine „Vollklatsche“ für die Ampel. Die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Gitta Connemann, sagte gegenüber dem Spiegel „Jetzt muss der Haushalt auf Neustart gestellt werden.“ Das größte Einsparpotenzial böten dabei die Sozialhaushalte. Auch die FDP forderte nach dem Verfassungsbeschluss einen Einschnitt bei den Sozialausgaben. Dem widersprach Grünenfraktionschefin Katharina Dröge: „Kürzungen im sozialen Bereich kommen aus unserer Sicht nicht infrage, weil das gerade in Zeiten hoher Inflation den sozialen Zusammenhalt gefährden würde.“ Sie sieht dagegen eine Reform der Schuldenbremse und Abbau klimaschädlicher Subventionen als probate Mittel.
65 Milliarden für fossile Brennstoffe
Laut Analyse des Umweltbundesamtes von 2021 belaufen sich die jährlichen klimaschädlichen Subventionen auf 65 Milliarden Euro. Dabei geht es um vielfältige Begünstigungen und Steuererleichterungen fossiler Wirtschaft und Fortbewegungsmittel – wie etwa der Freistellung des Braunkohletagebaus von der Förderabgabe für Bodenschätze oder der Wasserentnahme als auch dem sogenannten Diesel- und Dienstwagenprivileg. Auf europäischer Ebene wird an einem Abbau klimaschädlicher Subventionen gefeilt. Auf deutscher Ebene findet sich bislang keine Mehrheit auf Regierungsebene für Abbau und Streichung der Begünstigungen und Steuervorteilen.
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat gemeinsam mit der Prognos AG und im Auftrag der Bertelsmann Stiftung Vorschläge für eine Reform umweltschädlicher Subventionen gemacht. Im Industriesektor wird eine schrittweise vollständige Abschaffung bestehender Entlastungen auf allen Ebenen angemahnt. So können viele Unternehmen aktuell eine Entlastung von 25 Prozent auf die Regelsteuersätze für Strom und Heizstoffe beantragen. Unternehmen mit zeitweisen Energiespitzen haben darüber hinaus die Möglichkeit eine Entlastung von bis zu 90 Prozent der Energie- und Stromsteuerbelastung zu bekommen – im Zuge des sogenannten Spitzenausgleichs.
FÖS und Prognos schlagen vor, beide Steuerentlastungen schon ab 2024 abzuschaffen. Denn die bestehenden Entlastungen würden vor allem den fossilen Energieverbrauch fördern. Stattdessen sollten diese Unternehmen zeitnah bei der Verwirklichung regenerativer Energieprojekte für den eigenen Energieverbrauch unterstützt werden. Einen signifikanten Kostenfaktor, der die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtige, würde der Energieverbrauch der betroffenen Unternehmen indes nicht darstellen.
Anders bei Unternehmen mit besonders energieintensiven Prozessen. Die werden aktuell vollständig von der Stromsteuer befreit. Auch hier schlagen die StudienautorInnen eine Abschaffung der Entlastung vor, jedoch schrittweise bis 2027. Diese Zeit soll den energieintensiven Unternehmen eingeräumt werden, sich auf dekarbonisierte Prozesse vorzubereiten. Die Entlastung für den Verbrauch von Kohle als Heizstoff soll jedoch schon ab 2024 wegfallen. Nicht wegfallen soll die Entlastung jedoch für die Wasserstoffproduktion, um deren Aufbau nicht im Weg zu stehen.
An die Privilegien für AutofahrerInnen ran
An die Besteuerung rangehen wollen FÖS und Prognos auch beim sogenannten Dienstwagenprivileg. Arbeitnehmende können ihren Dienstwagen auch privat nutzen. Dafür gibt es aktuell die 1%-Regel, wonach monatlich pauschal ein Prozent des Brottolistenpreises des Pkw für die private Nutzung besteuert werden. Aus der Studie kommt nun der Vorschlag die Regel für Verbrenner und Plug-In-Hybride auf zwei Prozent des Bruttolistenpreises zu erhöhen. Für E-Autos soll die 1%-Regel hingegen bestehen bleiben. Lediglich teurere E-Autos sollen stärker besteuert werden. Ab 2030 sollen aber auch E-Autos mit zwei Prozent belangt werden, um nicht grundsätzlich den Anreiz für Dienstwagen weiter zu stärken.
Des Weiteren sollen die Steuersätze für Diesel und Benzin bei Pkws (optional auch Lkws) angeglichen werden. Und das ab 2024 sukzessive über fünf Jahre. Gleichzeitig soll die Kfz-Steuer angepasst werden. Damit soll der aktuellen Förderung hoher Fahrleistungen von Diesel-Pkw entgegengewirkt werden. Diesel-HalterInnen mit geringerer Fahrleistung könnten von dieser Reform sogar profitieren.
Die StudienautorInnen sehen zwar infolge der Reformen einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 0,2 bis 0,6 Prozent, aber dies könnte durch die frei gewordenen Mittel mehr als kompensiert werden. Die Reform der Dienstwagenbesteuerung würde zu Mehreinnahmen in Höhe von 5,7 Mrd. Euro pro Jahr führen, die Reform der Diesel-Besteuerung zu rund einer Mrd. Euro (bzw. 6,8 Mrd. Euro bei Einbeziehung von Lkw) jährlich.
Bundesregierung ringt um Gelder
Jährliche Mittel, die im Industriesektor durch die Reformen frei würden, betragen durch den Wegfall der Steuerbelastungen rund 1,85 Mrd. Euro. Die Bundesregierung muss indes aktuell alles dransetzen, Gelder an der einen Stelle einzusparen und einzunehmen, um sie an anderer Stelle weiterhin ausgeben zu können. Aussagen von Robert Habeck zufolge könnte auch ein Teil der 200 Mrd. Euro aus dem sogenannten Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds auf der Kippe stehen. Die Union kündigte bereits an, auch diesen Fonds verfassungsrechtlich prüfen zu lassen.
Finanzminister Christian Lindner verhängte derweil eine Haushaltssperre. Nahezu alle künftigen Ausgaben müssen nun überprüft und der gesamte Haushalt neu zusammengezurrt werden. Eine Lösung sehen vor allem VertreterInnen der Grünen und der SPD im Beschluss einer neuen Notlage, welche die Aufnahme neuer Kredite über die geltende Schuldenbremse hinaus möglich machen soll. Gegen das erneute Aufweichen der Schuldenbremse stemmt sich jedoch die FDP. Ein weitere Möglichkeit wäre die Ausrufung eines weiteren Sondervermögens für den Klimaschutz – wie dem für die Bundeswehr. Doch dafür bräuchte es eine zwei Drittel Mehrheit im Bundestag, die nur mit der Union möglich wäre. mg
->Quelle: energiezukunft.eu/reformvorschlaege-fuer-den-abbau-klimaschaedlicher-subventionen