Werner Siemens-Stiftung fördert Forschungszentrum mit 100 Mio. Schweizer Franken
Mit effizientem Recycling von Kunststoffgemischen als erklärtem Ziel will ein Team um Regina Palkovits und Jürgen Klankermayer von der RWTH Aachen in einem WSS-Forschungszentrum katalytisch getriebene Produktionsverfahren entwickeln, die eine mehrdimensionale Kreislaufwirtschaft in der chemischen Industrie ermöglichen. Das „Jahrhundertprojekt“ der Werner Siemens-Stiftung (WSS) wird mit 100 Millionen Schweizer Franken, verteilt auf zehn Jahre, ausgestattet.
Anlässlich ihres 100jährigen Bestehens hatte die in Zug (Schweiz) ansässige Werner Siemens-Stiftung (WSS) einen Ideenwettbewerb für die Gründung eines WSS-Forschungszentrums ausgeschrieben, das Technologien für eine nachhaltige Ressourcennutzung erforschen und entwickeln wird. Das Interesse war enorm: Hochkarätige Forschende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bewarben sich mit insgesamt 123 Ideenskizzen um dieses Großprojekt, das die WSS für einen Förderzeitraum von zehn Jahren mit einem Finanzvolumen von insgesamt 100 Millionen Schweizer Franken ausstattet.
In einem ersten Schritt prüfte der Wissenschaftliche Beirat der Stiftung, unterstützt von einem interdisziplinären Projektteam mit großer Erfahrung in der Forschungsbewertung, die eingereichten Ideen. Auf seine Empfehlung hin wählten der Stiftungsrat und der Beirat der Familie im Frühjahr 2023 sechs Teams mit ihren Forschungsideen aus, die jeweils mit einem WSS-Forschungspreis, dotiert mit je 1 Million Schweizer Franken, ausgezeichnet wurden. Ausgehend von ihren Ideen, entwickelten die Preisträger jeweils detaillierte Konzepte für ein Forschungszentrum und präsentierten sie im Dezember den Gremien der WSS.
Exzellente Wissenschaft, innovatives Projekt
„Es war eine schwierige Entscheidung, wir hatten sechs hervorragende Projekte zur Auswahl“, sagt Dr. Hubert Keiber, der Obmann des Stiftungsrats der WSS. Die Wahl fiel schließlich auf das Projekt „catalaix: Katalyse für eine Kreislaufwirtschaft“ unter der Leitung von Professorin Regina Palkovits und Professor Jürgen Klankermayer vom Institut für Technische und Makromolekulare Chemie an der RWTH Aachen.
Den Ausschlag gegeben habe neben der exzellenten Wissenschaft des multidisziplinären Aachener Teams die Forschung zur sehr attraktiven Wiederverwendung der molekularen Bausteine von Wertstoffen auf einem hohen Produktionsniveau, erklärt Professor Matthias Kleiner, ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Leibniz-Gemeinschaft sowie langjähriges Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Werner Siemens-Stiftung. „Insbesondere das effiziente Recycling von Kunststoffgemischen wäre eine weitreichende, revolutionäre Innovation im Bereich Nachhaltigkeit. Man denke nur an die vielen Millionen Tonnen Plastikmüll in den Weltmeeren, für die es immer noch keine wirkliche Lösung gibt. Ich freue mich daher sehr über die Entscheidung für das Aachener Team und bin gespannt auf den Aufbau und die Entwicklung des WSS-Forschungszentrums.“
Gezielter Abbau dank neuer Katalyseverfahren
Die Forschenden werden ein Zentrum aufbauen, das den Weg zu einer kreislauffähigen chemischen Industrie ebnen soll. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten steht die Katalyse – die Technologie, welche die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen erhöht oder sie erst ermöglicht. Katalysatoren helfen dabei, die Ausgangsstoffe für eine Vielzahl von Produkten zu schaffen, die für unser tägliches Leben unverzichtbar sind. Noch immer aber landet ein Großteil dieser Produkte am Ende ihrer Lebenszeit im Abfall. Das Team um Palkovits und Klankermayer will das ändern, indem es solche Produkte durch neu entwickelte Katalysatoren und Verfahren ganzheitlich gezielt abbaut zu wiederverwendbaren molekularen Bausteinen.
Der erste Fokus des WSS-Forschungszentrums liegt auf dem Kunststoffsektor. Der Mensch produziert 400 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr – bis 2050 dürften 16 Gigatonnen zusammenkommen; so viel wiegen alle Menschen, Tiere und Pilze auf der Erde zusammen. Nur etwa neun Prozent aller Kunststoffe werden heute rezykliert. Das Aachener Team wird Kunststoffe durch die Kombination von chemischen, elektrochemischen und mikrobiellen Katalyseverfahren in wiederverwendbare Ausgangsstoffe umwandeln. Dass dies funktionieren kann, haben sie bereits für diverse Kunststoffklassen demonstriert.
Mehrdimensionale Kreislaufwirtschaft
Die Idee der Forschenden geht aber über einzelne und isolierte Stoffkreisläufe hinaus. Sie werden die Kreislaufwirtschaft nach dem „Open-Loop-Prinzip“ weiterentwickeln. Das bedeutet: Die molekularen Bausteine, die als Ausgangsstoffe durch das Recycling entstehen, sind maßschneiderbar und derart vielseitig einsetzbar, dass sie sich je nach Bedarf auch in andere Wertschöpfungsketten und Materialkreisläufe einspeisen lassen. Das wird die Grundlage für eine flexible, mehrdimensionale Kreislaufwirtschaft (siehe ausführliche Projektbeschreibung) schaffen.
„Wir freuen uns und sind stolz, dass die Werner Siemens-Stiftung ihr Vertrauen in unser Projekt setzt“, sagen Regina Palkovits und Jürgen Klankermayer. Sie seien überzeugt, dass das WSS-Forschungszentrum in Aachen dank der großzügigen Unterstützung zu einem Leuchtturmprojekt mit internationaler Strahlkraft wachsen und einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Transformation der Chemieindustrie leisten werde.
Für die Werner Siemens-Stiftung, die hervorragende wissenschaftliche Projekte generell langfristig und sehr gut ausgestattet fördert, ist das WSS-Forschungszentrum dennoch das größte Vorhaben, das sie bisher finanziert hat. „Zum Jubiläum wollten wir ein ganz besonderes Projekt lancieren und damit einen Beitrag leisten zu einem nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten“, sagt Stiftungsrats-Obmann Dr. Hubert Keiber. „Wir sind überzeugt, dass uns das mit dem Projekt „catalaix“ gelingt und das WSS-Forschungszentrum in Aachen ein großer Erfolg wird.“
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