Könnte Flugzeug-Kerosin aus menschlichen Abwässern hergestellt werden?
Das Unternehmen Firefly Green Fuels (Gloucestershire) will Flugzeugtreibstoff aus menschlichen Fäkalien herstellen. Der Abfallstrom wird außer als Düngemittel für die Landwirtschaft derzeit nicht genutzt. Noch werden menschliche Abwässer zersetzt und emittieren dabei unter anderem CO2. Wenn Abwasser zur Herstellung kohlenstoffarmen Düsentreibstoffs verwendet wird, müsste es aufwändig und energieintensiv aufbereitet werden, schreibt das britische Portal Airportwatch am 05.01.2024. Die Luftfahrtindustrie versucht, Kraftstoffe zu finden, die sie als „kohlenstoffarm“ bezeichnen kann, wenn sie aus Kohlenstoff hergestellt werden, der von Pflanzen oder Tieren stammt – und nicht aus fossilen Brennstoffen.
Flugzeuge fliegen derzeit fast vollständig mit flüssigen fossilen Kohlenwasserstoffen. Autos und andere Landfahrzeuge dagegen können bereits mit Batterien angetrieben werden, aber der Antrieb von Flugzeugen – insbesondere von großen Verkehrsmaschinen – mit Elektrizität ist aus Gewichtsgründen ab einer bestimmten Größe nicht möglich – Wasserstoff ist eine Herausforderung und unterliegt vielen Unbekannten. Firefly hat jetzt einen Weg gefunden, die bestehenden Treibstoffäquivalente aus einer besseren Quelle – Kohlenstoffabfall – herzustellen.
Insbesondere gibt es eine Form von Kohlenstoffabfällen, die der Menschheit im Überfluss zur Verfügung steht und die, solange wir Toiletten benutzen, niemals ausgehen wird: Abwässer, menschliche Abfälle, dem neuen Rohstoff für SAF. Abwasser wird in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich gehandhabt, aber egal, wo es anfällt, es ist ein problematischer und umweltschädlicher Abfall mit sehr wenigen Entsorgungsmöglichkeiten. In Großbritannien wird eine große Menge an Landwirte als Düngemittel abgegeben, in anderen Ländern wird es manchmal verbrannt (ein sehr energieintensiver Prozess) oder sogar in Wasserläufe eingeleitet.
Keiner der derzeit bestehenden Entsorgungswege für dieses Material ist optimal, und eines ist klar: Abwasser ist ein globales Problem, das eine innovative Lösung erfordert. Das Firefly-Verfahren kann von Land zu Land etwas anders aussehen, aber im Vereinigten Königreich wird das Modell darin bestehen, aufbereitetes Abwasser von Wasserwerken in etwas Nützliches und Rentables umzuwandeln.
Firefly: „Wir verwenden ein Verfahren namens hydrothermale Verflüssigung (HTL) – eine Kombination aus hohem Druck und Hitze, die sich gut für nasse Abfälle eignet. Dabei wird der Klärschlamm in ein Rohöl und ein Pulver oder ‚Biokohle‘ aufgetrennt.“ Biokohle ist ein guter Dünger, der an die Landwirtschaft geliefert werden kann. Außerdem bindet sie den Kohlenstoff für Hunderte von Jahren im Boden. Das Rohöl hingegen kann mit dem von Firefly entwickelten Verfahren zu nachhaltigem Flugbenzin (SAF) verarbeitet werden.
Im Labor wurden bereits kleine Mengen SAF hergestellt, um die Treibstoffeigenschaften zu testen, und die Ergebnisse sind laut Firefly „aufregend“. Die Zusammensetzung des Treibstoffs ist dem fossilen Düsenkraftstoff A1 sehr ähnlich. Firefly: „Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesem Treibstoff Verkehrsflugzeuge antreiben und zum Wandel in der Luftfahrt beitragen können. Der Kraftstoff von Firefly wurde von unabhängigen Expertenlabors in Großbritannien, der EU und den Vereinigten Staaten getestet. Ihre Analysen zeigen, dass Fireflys Treibstoff dem fossilen Treibstoff ermutigend ähnlich ist“.
Dies umfasst beispielsweise die Emissionen, die bei der Gewinnung/dem Anbau, der Verarbeitung, dem Transport und der Verbrennung beider Arten von Brennstoffen entstehen, und berücksichtigt umfassende indirekte Auswirkungen wie Landnutzung und Artenvielfalt.
Nachhaltiger Flugkraftstoff (SAF) ist zwar nicht neu, aber die Idee, Abwasser zu verwenden, ist ein Novum. Könnte das also wirklich die Zukunft des Flugverkehrs sein? Der kommerzielle Luftverkehr trägt mit etwa 2,5 % der weltweiten Kohlenstoffemissionen zum Klimawandel bei. Mit der Entwicklung elektrischer und wasserstoffbetriebener Flugzeuge sind Bemühungen im Gange, die Auswirkungen des Sektors zu verringern. Die Technologie ist jedoch noch weit davon entfernt, Passagierflüge auf Langstrecken anzutreiben. Die International Air Transport Association (IATA) schätzt, dass SAF bis zu 65 % der Emissionsreduzierung beitragen könnte, die erforderlich ist, damit der Luftverkehr im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen erreicht.
SAF verbrennt wie normaler Düsenkraftstoff und erzeugt während des Flugs die gleiche Menge an Emissionen, hat aber während seines gesamten Produktionszyklus einen geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck, da es in der Regel aus Pflanzen hergestellt wird, die zu Lebzeiten Kohlendioxid CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Oder, im Falle von Abwasser, aus Pflanzen und anderen Nahrungsmitteln, die von Menschen gegessen wurden und das Verdauungssystem durchlaufen haben. Dieses absorbierte CO2 wird bei der Verbrennung von SAF wieder in die Atmosphäre freigesetzt, während bei der Verbrennung von Flugzeugtreibstoff aus fossilen Brennstoffen Kohlenstoff entsteht, der zuvor eingeschlossen war.
Bisher war Abwasser eine ungenutzte Ressource, wenn es um SAF ging, aber James Hygate, CEO von Firefly, hält das für eine verpasste Gelegenheit. „Es gibt Unmengen davon, es ist überall auf der Welt zu finden, und es gibt derzeit keine wirklich gute Verwendung dafür, so dass es sich um ein sehr geringwertiges Material handelt“, erklärt er gegenüber CNN.
Firefly beabsichtigt, die Produktion in den kommenden Jahren auszuweiten. Das Unternehmen will noch in diesem Jahr einen Antrag auf ein Kraftstoffqualifizierungsverfahren bei der Normenorganisation ASTM International einreichen. Dann wird es mit dem Bau einer Verarbeitungsanlage in Großbritannien beginnen, die vor 2030 betriebsbereit sein soll und 100.000 Tonnen Kerasin pro Jahr produzieren kann – das entspricht etwa 40 Millionen Litern SAF, eine Menge, die für 800 Flüge von London nach New York ausreicht. Er fügt hinzu, dass SAF zwar teurer sei als herkömmliches Kerosin, aber billiger in der Herstellung als andere Biokraftstoffe.
Die Beschaffung des Abwassers sollte einfach sein, sagt er und fügt hinzu, dass Firefly bereits mit einer Reihe von britischen Wasserversorgungsunternehmen im Gespräch ist. Er räumt jedoch ein, dass die Finanzierung der Aufbereitungsanlagen eine Herausforderung darstellen könnte. „Es handelt sich um große Infrastrukturprojekte, die Geld benötigen, um tatsächlich realisiert werden zu können“, sagt er. Bisher hat das Unternehmen von der britischen Regierung einen Forschungszuschuss in Höhe von 2 Millionen Pfund (2,5 Millionen Dollar) und von der europäischen Fluggesellschaft Wizz Air eine Investition in Höhe von 5 Millionen Pfund (6,3 Millionen Dollar) erhalten.
Nicht skalierbar: Nur 5 %
Die Menge des Abwassers ist jedoch eine Sache, die sich nicht skalieren lässt. Hygate schätzt, dass, wenn alle verwertbaren britischen Abwässer für die Herstellung von Flugkraftstoff verwendet würden, dies immer noch nur 5 % des britischen Bedarfs an Flugkraftstoff decken würde. Daher müsste es zusammen mit anderen SAF-Rohstoffen wie Rapsöl verwendet werden.
Ein Bericht der Royal Society über Netto-Null-Lösungen für den Luftverkehr stellte 2023 fest, dass „Umfang und Verfügbarkeit von Rohstoffen“ eine Einschränkung für Biokraftstoffe darstellen und dass für die Produktion von genügend Rohstoffen zur Deckung des britischen Luftverkehrsbedarfs mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes benötigt würde. Es wird auch darauf hingewiesen, dass es umstritten ist, ob es sich bei landwirtschaftlichen Abfällen wirklich um „Abfall“ handelt, da sie oft als Einstreu oder Futtermittel verwendet werden. Cait Hewitt, Policy Director bei der Aviation Environment Federation, einer britischen gemeinnützigen Organisation, die die Umweltauswirkungen des Luftverkehrs überwacht, stellt dieselbe Frage in Bezug auf Abwässer.
Trotz ihrer Einschränkungen werden Biokraftstoffe in der Zukunft der Luftfahrt wahrscheinlich eine große Rolle spielen. Der erste kommerzielle Transatlantikflug, der zu 100 % mit SAF aus Altspeiseölen und Tierfetten betrieben wurde, startete im November 2023 von London nach New York.
Kondensstreifen nicht gelöst
Abwasser ist eine interessante potenzielle Lösung, an der man nicht vorbeikommt, sagt Hewitt. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass wie bei allen SAF-Methoden die Kohlenstoffemissionen während des Fluges gleich bleiben und das Problem der Kondensstreifen, die ebenfalls erheblich zur Erwärmung durch den Flugverkehr beitragen, nicht gelöst wird.
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