Aus Industriegebieten werden Industrie-Hubs der Circular Economy
In einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft müssen unterschiedliche Branchen zusammenarbeiten, Symbiosen verschiedener Technologien sind zentrale Voraussetzung. Um dies zu erreichen, ist ein systemischer Wandel notwendig. Daran arbeitet ein Konsortium aus 35 Organisationen aus verschiedenen Ländern in Europa im Horizon-Europe Innovation Action Projekt mit dem Titel „Sustainable Circular Economy Transition: from Industrial Symbiosis to Hubs for Circularity (IS2H4C)“ unter der Leitung der Universität Twente (NL). In dem auf vier Jahre angelegten Projekt sollen laut einer Medienmitteilung vom 16.02.2024 vier Industrie-Hubs errichtet werden: in den Niederlanden, der Türkei, dem Baskenland und in Deutschland.
Die Europäische Union will die erste digital geführte, klimaneutrale und nachhaltige Kreislaufwirtschaft sein. Um dies zu erreichen, müssen verschiedene Branchen zusammenarbeiten Daher konzentriert sich das Projekt IS2H4C darauf, die Potenziale industrieller Symbiosen sowie ihrer schrittweisen Umsetzung in ausgewählten Industriehubs im Kontext der grünen Transformationen auszuloten. Im Zentrum stehen innovative Technologien wie Kohlenstoffabscheidung und Elektrolyse. Die Hubs sind durch Ressourceneffizienz, der Erzeugung erneuerbarer Energien, Abfallvermeidung und der Förderung der Symbiose von Industrie, Stadt und Land geprägt. Vier Jahre lang wird IS2H4C sein innovatives Modell in vier wichtigen Hubs in Europa umsetzen: Hub Twente in den Niederlanden (in Zusammenarbeit mit H2 Hub Twente und UT), Basque Hub in Nordspanien, Industriepark Höchst in Deutschland und Izmir-Manisa Hub in der Türkei. Das Projektvolumen beträgt 23,5 Millionen Euro.
Türkisches Industrie-Hub
Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) bringt seine Expertise im Bereich der Methanolsynthese und der Synthese von Dicarbamaten aus CO2 im türkischen Hub ein. In der Region Izmir-Manisa sind Unternehmen der Öl- und Gasindustrie sowie der Haushaltsgeräteindustrie ansässig, die sich in der Nähe eines industrialisierten Hafengebiets an der Ägäisküste befinden. Die geplante Zusammenarbeit umfasst mehrere Schritte: erstens die Herstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse unter Verwendung erneuerbarer Energien und die Abscheidung von Kohlendioxid aus der Ölraffinerie durch Kohlenstoffabscheidung mittels Adsorption. Dieser grüne Wasserstoff und das abgeschiedene Kohlendioxid werden dann zur Herstellung von Öko-Methanol verwendet. Das abgeschiedene Kohlendioxid kommt zur Herstellung von isocyanatfreiem Polyurethan zum Einsatz, einer umweltfreundlicheren Alternative zu herkömmlichem Polyurethan.
Ein Ziel ist es, eine Methanlosynthese auf der Grundlage von CO2/H2 oder CO2-reichen Synthesegasen zu entwickeln. Dabei kommen Labor- und Pilotanlagen für die Methanolsynthese sowie die erforderlichen nachgeschalteten Verfahren zur Trennung der Wasser-/Methanol-Gemische und zur Analyse der Produkte und Nebenprodukte zum Einsatz (siehe Carbon2Chem, an dem UMSICHT ebenfalls beteiligt ist).
Weiterhin werden die Synthese der Dicarbamate in Hochdruckreaktoren und die optimalen Reaktionsbedingungen in Bezug auf die verwendeten Katalysatoren und experimentellen Parameter entwickelt. „Wir freuen uns sehr, an diesem wegweisenden Projekt mitzuarbeiten. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, unsere Technologien zu skalieren und am Industriestandort einzubinden“, erklärt Nils Mölders, Abteilungsleiter Produktentwicklung bei Fraunhofer UMSICHT.
Zentrum Twente
In der Region Twente gibt es ein kleines Wasserstoffzentrum, das aus etwa 20 Unternehmen der verarbeitenden Industrie besteht und mit dem nahe gelegenen Dorf Aadorp verbunden ist. Dieses Dorf soll sich zu einem positiven Energiebezirk entwickeln, indem es von Erdgas und fossilem Strom unabhängig wird. Zu den geplanten Synergien gehört die Produktion von grünem Wasserstoffgas durch Elektrolyse auf der Grundlage von Sonnen- und Windenergie in fünf Häusern in Aadorp.
Dieses Wasserstoffgas wird über bestehende Erdgasleitungen und noch zu errichtende Wasserstoffgasleitungen transportiert. Der Wasserstoff wird auch in einem Krematorium in Twente verwendet werden und Erdgas ersetzen. Eine nahegelegene Abwasseraufbereitungsanlage wird das bei der Elektrolyse ebenfalls entstehende Sauerstoffgas zur Wasserreinigung nutzen. Das aufbereitete Wasser kann dann für die Elektrolyse verwendet werden, womit sich der Kreis schließt.
Zentrum Baskenland
Das baskische Zentrum umfasst die Ölraffinerie, die Stahlindustrie, die Zellstoff- und Papierindustrie, die Kalkindustrie und die öffentliche Kläranlage im hochindustrialisierten Gebiet des Baskenlandes. Die geplante Zusammenarbeit umfasst mehrere Schlüsselstrategien: erstens die Nutzung von Sauerstoff und Wasserstoff in der Stahlindustrie, möglicherweise aus der Elektrolyse im Ölraffineriesektor. Zweitens und drittens die Abscheidung von Kohlendioxid aus der Kalkindustrie und dessen Verwendung zur Herstellung von Methan oder in Zukunft zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe im Erdölsektor. Schließlich ist geplant, das abgeschiedene Kohlendioxid aus der Kalkindustrie zu nutzen, um aus Stahlabfällen Baustoffe für die Zementindustrie herzustellen. Diese Pläne zielen darauf ab, Ressourcen vernünftig zu nutzen und die Nachhaltigkeit in verschiedenen Branchen zu fördern.
Deutsches Zentrum
Der Industriepark Höchst umfasst die chemische und pharmazeutische Industrie in Frankfurt am Main. Die geplanten Kooperationen umfassen zwei Hauptschritte: erstens die Abscheidung von Kohlendioxid, z. B. aus Müllverbrennungsanlagen, und zweitens die Nutzung von Wasserstoff, der aus der bestehenden Elektrolyse gewonnen wird. Sowohl das abgeschiedene Kohlendioxid als auch der Wasserstoff werden dann zur Herstellung von chemischen Rohstoffen, z. B. Öko-Methanol, verwendet. Dieses Öko-Methanol dient als umweltfreundlichere Alternative zu herkömmlichem Methanol und ist für die Verwendung in der chemischen und pharmazeutischen Industrie bestimmt. Das Ziel dieser geplanten Maßnahmen ist die Förderung nachhaltigerer Praktiken durch die Wiederverwendung industrieller Nebenprodukte für die Herstellung wichtiger Chemikalien in diesen Branchen.
Neuer Standard für eine grünere Zukunft
Das Projekt soll einen neuen Standard für nachhaltige regionale Entwicklungsmodelle setzen und den Weg für eine sauberere und grünere Zukunft ebnen. Seine Umsetzung wird einen tiefgreifenden Einfluss auf industrielle Praktiken, das gesellschaftliche Wohlergehen und die ökologische Nachhaltigkeit haben, was es zu einer wegweisenden Initiative auf dem Weg Europas zu einer Kreislaufwirtschaft macht. IS2H4C erleichtert auch die Marktdurchdringung von Kreislaufwirtschaftszentren durch neuartige Finanzierungsmodelle und soziale Innovationsansätze, die öffentliche und private Investitionen freisetzen.
Förderhinweis
Projekt finanziert durch: HORIZON-CL4-2023-TWIN-TRANSITION-01-37: Kreislaufwirtschaft für Regionen mit nahezu Null-Emissionen unter Anwendung industrieller Symbiose und kooperativer Ansätze für schwerindustrielle Cluster und die sie umgebenden Ökosysteme (Processes4Planet-Partnerschaft, Innovations- und Aktionsprojekt)
->Quellen:
- utwente.nl/transitioning-industrial-zones-into-hubs-for-circularity
- is4ie.org/jobs/1817
- h4c-community.eu
- umsicht.fraunhofer.de/produktentwicklung
- umsicht.fraunhofer.de/forschung-fuer-den-markt/transformation-circular-economy
- Umsicht.Fraunhofer.de/de/industrie-hubs-der-circular-economy
- ec.europa.eu/horizon-cl4-2023-twin-transition-01-37
- idw-online.de/news828783