BMWK legt Eckpunkte einer Carbon Management Strategie und Entwurf zur Änderung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes vor – Kritik
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hat am 26.02.2024 die Eckpunkte für eine Carbon Management-Strategie und einen darauf basierenden Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid- Speicherungsgesetzes vorgelegt. Demnach sollen die Anwendung von CCS/CCU, der Transport und die Offshore-Speicherung in Deutschland ermöglicht werden. Meeresschutzgebiete werden ausgeschlossen. Der strategische Fokus für den Einsatz von CCS liegt dabei auf schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen. CCS (Carbon Capture and Storage) steht für die Abscheidung und Speicherung von CO2, CCU (Carbon Capture and Usage) für die Abscheidung und Nutzung von CO2.
Die Eckpunkte und der Gesetzentwurf sind eine Richtungsentscheidung. Ihr waren intensive Vorarbeiten vorangegangen, unter anderem ein eingehender Dialogprozess mit Umweltverbänden, der Wirtschaft und der Wissenschaft im vergangenen Jahr zur Meinungsbildung sowie erste regierungsinterne Abstimmungen. Die Eckpunkte und den Gesetzentwurf hat das BMWK in die Ressortabstimmung gegeben. Nach Abschluss der Ressortabstimmung folgen die Länder- und Verbändeanhörung und anschließend die Kabinettbefassung.
Dazu Bundesminister Habeck: Wir treffen heute eine pragmatische und verantwortungsvolle Richtungsentscheidung: CCS und CCU sollen in Deutschland ermöglicht werden. Sonst sind die Klimaziele unmöglich zu erreichen. Die Technologie ist auch wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Industriestandorts Deutschland. Ein Verzicht darauf würde uns Wettbewerbsnachteile verschaffen und uns teuer zu stehen kommen.
Wir werden auch die Offshore-Speicherung erlauben; Meeresschutzgebiete nehmen wir aber aus. Mit der Erlaubnis schließen wir zu unseren europäischen Nachbarn wie Norwegen und vielen weiteren Staaten auf. Wir stellen uns so der Verantwortung anstatt sie auf andere zu verlagern.
Unstrittig ist für mich, dass die CCS-Technologie nur eine notwendige Ergänzung in der Klimapolitik ist. Im Zentrum unserer Anstrengungen steht immer, Emissionen erst gar nicht entstehen zu lassen. Deshalb forcieren wir mit enormer Kraft und Erfolg den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Wir treiben den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern, mehr Energieeffizienz und eine Kreislaufwirtschaft voran. All das ist Klimaschutz. Aber Deutschland hat das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein. Das ist sehr ambitioniert. Und es gibt Emissionen in der Industrie, die nur sehr schwer oder gar nicht vermeidbar sind. Das gilt vor allem bei der Herstellung von Zement und Kalk und der thermischen Abfallbehandlung. Hier müssen wir verbleibendes CO2 abscheiden und speichern. Nur dann können wir diese Industriezweige in Deutschland halten und unsere Klimaziele in der Industrie erreichen.
Wir blicken mittlerweile auf viele Jahre der Erforschung, Erprobung und Anwendung der CCS-Technologie zurück. Mit diesem Erfahrungsschatz können wir heute sagen: Diese Technologie ist sicher. Risiken sind – wie die im Bergbau oder in der Chemieindustrie – managebar. Deutschland ist auch nicht allein, wenn wir CCS ermöglichen. Im Gegenteil. Viele Industrieländer gehen bei der Entwicklung der Technologie bereits mit großen Schritten voran. Deutschland agiert hier im europäischen und internationalen Konzert. Mit dieser Entscheidung ermöglichen wir auch, dass deutsche Unternehmen hier Know-how aufbauen und so zukünftige Wertschöpfung mit der CCS/CCU-Technologie sichern.
Der Minister ergänzte: Um wieder ein nachhaltiges Gleichgewicht in der Atmosphäre herzustellen, brauchen wir auch negative Emissionen. Eine wichtige Möglichkeit ist die Stärkung natürlicher CO2 Senken wie Böden und Moore. Das allein wird aber bei allen Anstrengungen nicht reichen. Wir müssen auch mit Technik ran und sogenannte technische Senken schaffen. Auch dafür brauchen wir eine CCS-Infrastruktur. Mein Haus arbeitet deshalb ebenfalls mit Hochdruck an einer Strategie für Negativemissionen. Sie wird eine Art Schwesterstrategie zur Carbon Management-Strategie.
Das Vorhaben
Der Weltklimarat IPCC hat in seinem jüngsten Bericht klargestellt, dass neben anderen Minderungsmaßnahmen auch CCS/CCU in emissionsintensiven Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen eine notwendige Klimaschutztechnologie ist, um 1,5 Grad Temperaturerhöhung nicht zu überschreiten. In Europa betreiben bzw. planen Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Island, Italien, Frankreich, Kroatien, Polen, Rumänien und das Vereinigte Königreich daher bereits geologische Speicher. Die USA fördern mit dem Inflation Reduction Act die CCS/CCU-Technologien. Auch die Europäische Kommission treibt die europaweite Anwendung der Technologie u.a. über den Net Zero Industry Act voran. Am 6. Februar 2024 wurde zudem eine Mitteilung der Kommission mit einer Industrial Carbon Management Strategy veröffentlicht.
Die heute vorgelegten Eckpunkte zeigen wichtige Weichenstellungen auf, die dann in der Carbon Management-Strategie fachlich tiefer ausbuchstabiert und quantifiziert werden. Die vorliegenden Eckpunkte bilden zudem die Grundlage für Anpassungen des Rechtsrahmens zu CCS/CCU in Deutschland. Hierzu hat das BMWK einen Referentenentwurf für die Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) vorgelegt, die vor allem einen klaren Rechtsrahmen für den Aufbau einer CO2-Pipelineinfrastruktur schaffen soll. Im Referentenentwurf wird zudem die Speicherung Offshore, d.h. in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. dem Festlandsockel, in engen Grenzen und unter Ausschluss einer Injektion von Kohlendioxid in Meeresschutzgebieten, erlaubt. Die Speicherung Onshore wird weiterhin nicht ermöglicht.
Die Eckpunkte für die Carbon Management-Strategie und der Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes wurden auf der Grundlage des Ende 2022 veröffentlichten Evaluierungsberichts zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz erarbeitet. Bei dem breit angelegten Stakeholderdialog von März bis August 2023 waren Vertreterinnen und Vertretern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft einbezogen. Dabei wurden alle relevanten Fragen zu Quellen, Transport, Nutzung und Speicherung von CO2 in Deutschland diskutiert, bevor erste regierungsinterne Abstimmungen folgten.
Kerninhalte
Kerninhalte der Eckpunkte der Carbon Management Strategie und des Referentenentwurfs zur Novelle des KSpG:
- Da Emissionen in bestimmten Bereichen nur schwer oder anderweitig nicht vermeidbar sind, werden die momentan bestehenden Hürden für die Anwendung von CCS/CCU in Deutschland beseitigt. Das betrifft insbesondere Prozesse, die man weder in Gänze vermeiden, noch unmittelbar auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen oder Wasserstoff umstellen kann.
- Um klimaschädliche Emissionen in der Stromerzeugung zu vermeiden, setzt die Bundesregierung auf den beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien sowie auf den in der Kraftwerksstrategie beschriebenen Kapazitätsmechanismus und im Vorgriff darauf den Neubau von Gaskraftwerken, die auf Wasserstoff umgestellt werden. Für Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern oder Biomasse wird die Anwendung von CCS/CCU im Sinne eines technologieoffenen Übergangs zu einem klimaneutralen Stromsystem ebenfalls ermöglicht, aber jedenfalls bei fossilen Energieträgern nicht gefördert. Es bleibt beim Kohleausstieg; für Emissionen aus der Kohle-Verstromung wird der Zugang zu CO2-Pipelines ausgeschlossen.
- Die staatliche Förderung für CCS/CCU wird auf schwer oder nicht vermeidbare Emissionen fokussiert.
- Der Hochlauf von CCS/CCU muss im Einklang mit den Treibhausgasminderungszielen des deutschen Klimaschutzgesetzes (KSG) und dem Erreichen der Klimaneutralität 2045 stehen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird die Bundesregierung im Dialog mit den Unternehmen Lösungen suchen, wie Betriebsgenehmigungen für Energieinfrastruktur (Kraftwerke oder Gasleitungen) mit fossilen Brennstoffen rechtssicher so erteilt werden können, dass der Betrieb über das Jahr 2045 hinaus nur mit nicht-fossilen Brennstoffen fortgesetzt werden kann, ohne einen Investitionsstopp, Fehlinvestitionen und Entschädigungsansprüche auszulösen.
- Um mit dem Bau von CO2-Pipelines in privater Trägerschaft innerhalb eines staatlichen Regulierungsrahmens beginnen zu können, wird das KSpG entsprechend den Vorschlägen der Bundesregierung im Evaluationsbericht von Ende 2022 aktualisiert. Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des Gesetzes werden behoben. Konkret wird im Referentenentwurf ein einheitliches Zulassungsregime für Kohlendioxidleitungen geschaffen.
- Die Bundesregierung ratifiziert die Änderung des London-Protokolls zur Ermöglichung des CO2
- -Exports zwecks Offshore-Speicherung und nimmt die hierfür notwendigen Änderungen am Hohe-See-Einbringungsgesetz vor.
- Die Erkundung von Offshore-Speicherstätten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. dem Festlandsockel wird gesetzlich ermöglicht. Bei nachgewiesener Standorteignung, unter Berücksichtigung von Sicherheitsstandards und ökologischen Kriterien sowie bei Ausschluss einer Übernutzung des Meeres können entsprechende Speicher für die industrielle Nutzung erschlossen werden. Eine Injektion von Kohlendioxid in Meeresschutzgebieten ist ausgeschlossen.
- Dagegen wird die dauerhafte Speicherung von CO2 im geologischen Untergrund auf dem Gebiet des deutschen Festlands (onshore) weiterhin nicht ermöglicht.
Kritik von Greenpeace
Künftig soll CO2 in der Nordsee verpresst werden können und ein grenzüberschreitender Handel mit CO2 erlaubt werden. Das sehen die heute von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgestellten Eckpunkte der Carbon Management Strategie und eines darauf basierenden Gesetzentwurfs zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes vor. Diese Strategie erlaubt der Industrie ein “Weiter so” und bremst dringend notwendige drastische Maßnahmen zur Emissionsvermeidung aus, kritisiert Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace: “Robert Habecks Eckpunkte tragen die Handschrift der Energie- und Schwerindustrie. Statt die klimaschädlichen Treibhausgase bei ihrer Entstehung zu minimieren und diese Branchen zu modernisieren, soll eine gigantische CO2-Entsorgungsinfrastruktur entstehen. Selbst Industrien, für die es längst klimaschonende Lösungen gibt, können weitermachen wie bisher. Das ist teuer, nicht nachhaltig und bürdet künftigen Generationen weitere Ewigkeitslasten auf.
Der grenzüberschreitende Handel mit CO2-Müll fördert ein neues Geschäftsmodell: Je mehr CO2 entsteht, umso mehr Geld lässt sich verdienen. Geplant ist ein tausende Kilometer langes Pipelinenetz quer durch Europa und riesige CO2-Endlager in der Nordsee, bei denen niemand die Verantwortung für die Haftung über zehntausende von Jahren übernehmen will. Kohlendioxid aus Industrieprozessen unter dem Meeresboden zu verpressen führt zu giftigen Ablagerungen in den Böden und kann Erdbeben auslösen. Dass die CO2-Endlager dauerhaft dicht bleiben, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Robert Habeck ist der Industrielobby auf den Leim gegangen: Die vorgeschlagene Strategie erlaubt ein ‘Weiter so’ durch den Einstieg in eine großindustrielle CO2-Endlagerstrategie.”
BUND: „Dammbruch im Wirtschaftsministerium zu CCS-Gaskraftwerken und CO2-Deponien im Meer“
Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Das Wirtschaftsministerium hat mit der Deregulierung kommerzieller CCS-Technik die Büchse der Pandora geöffnet: Mit den Planungen zu CCS an Gaskraftwerken setzt Bundesminister Robert Habeck den Ausstieg aus den fossilen Energien aufs Spiel. Auch CO2-Mülldeponien unter dem Meer sollen schon bald Realität werden. Tausende Kilometer CO2-Pipelinenetze sollen durch dicht besiedelte Regionen an die Nordsee führen, trotz der gefährlichen Risiken, die Abscheidung, Transport und die Verpressung der klimaschädlichen Abgase für die menschliche Gesundheit und marines Leben mit sich bringen. Die angebliche Begrenzung der Anwendung von CCS ist ein Etikettenschwindel. Denn mit dem heute verkündeten Freifahrtschein für CCS werden CO2-Leitungsnetze und Deponien für die Gaskonzerne zum Geschäft, das umso profitabler ist je mehr CO2 entsteht. Die Fraktionen im Bundestag müssen nun unbedingt dafür sorgen, dass die Risiken für die Bevölkerung und die Klima- und Umweltfolgen dieser fossilen CCS-Pläne abgeschätzt und öffentlich bekannt werden und diese drohende Kehrtwende in der Klimaschutzpolitik verhindern.“
DUH kritisiert Habecks „Roll-Back in die fossile Vergangenheit“
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Habeck bedeuten einen doppelten Dammbruch: Einerseits erlaubt Habeck lebensverlängernde Maßnahmen für fossile Gaskraftwerke, andererseits widmet er die Nordsee zu einem fossilen Entsorgungspark um. Seine Carbon Management Strategie ist ein Rückfall in das fossile Zeitalter und bleibt sogar hinter den Standards der Großen Koalition zurück. Der Fortsetzung fossiler Geschäftsmodelle wird so Tür und Tor geöffnet, notwendige Investitionen in Energieeinsparungen und der Umstieg auf Erneuerbare werden dadurch erschwert. Wir fordern Bundeskabinett und Bundestag auf, diesem Vorschlag nicht zuzustimmen.“ Im Dialogprozess zur Carbon Management Strategie hatten die DUH und andere Umweltverbände immer wieder unterstrichen, dass die Abscheidung von CO2 keine Option für den Stromsektor und insbesondere Gaskraftwerke ist. Diese Position hatte die Bundesregierung auch erst kürzlich auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai gegenüber der Staatengemeinschaft vertreten. Dass der Bundeswirtschaftsminister nun eine Kehrtwende hinlegt und die Abscheidung von CO2 auch als lebensverlängernde Maßnahme für Gaskraftwerke erlauben möchte, stellt die Glaubwürdigkeit früherer Äußerungen der Regierung auch international in Frage. Zusätzlich ist die Öffnung der deutschen Nordsee für die Speicherung von CO2 ein schwerer Schlag für den Meeresschutz.
Constantin Zerger, Bereichsleiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Neubau von LNG-Terminals für den Gas-Import, Subventionierung neuer Gaskraftwerke in der Kraftwerksstrategie, jetzt noch die Zulassung der CO2-Abscheidung an ebendiesen Kraftwerken: Der Bundeswirtschaftsminister schafft eine fossile Abwärtsspirale, die zur Gefahr für die Energiewende wird. Fatal sind die Folgen aber nicht nur energiepolitisch, sondern auch für die Nordsee: Bereits jetzt ist der Druck auf die Nordsee hoch, nicht zuletzt durch die ambitionierten und richtigen Pläne für den Ausbau der Offshore-Windenergie. Zusätzlich mit der Speicherung von CO2 den großflächigen Ausbau einer neuen Infrastruktur aus Bohrinseln, Pipelines und Kabeln zuzulassen, hätte für das Ökosystem jedoch verheerende Folgen. Wir werden entschieden dafür eintreten, dass diese Pläne von Wirtschaftsminister Habeck wieder abgesagt werden.“
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