Vergleich potenzieller Kosten dreier Technologien
Noch am 20.06.2018 titelte Solarify: „CO2-Extraktion aus der Luft bald wirtschaftlich?“ Allerdings weiß man heute: CO2 in großem Stil aus der Luft zu filtern, wird zwar mittelfristig günstiger, aber nicht so günstig wie bisher gehofft. Zu diesem Schluss kommen ETH-Forschende am 04.03.2024 aufgrund einer neuen Schätzung in einem Open-Access-Text in Joule. Sie berechneten, dass eine Tonne CO2 2050 zwischen 210 und 490 Eurokosten könnte. Bisher ging man von halb so hohen Kosten aus. „Die Anstrengungen zur Vermeidung von CO2-Emissionen sollten aber keinesfalls reduziert werden“, schreiben sie.
Die Forschenden vergleichen die potenziellen Kosten von drei Technologien, die bereits heute im Einsatz sind: jene des ETH-Spin-offs Climeworks sowie die Abscheidung von CO2 in wässriger Lösung und durch Kalziumoxid. Mit Blick auf die möglichen Kosten hat aus heutiger Sicht keine dieser Technologien klare Vorteile gegenüber den anderen. Alle drei sollten daher den Forschenden zufolge weiterentwickelt werden.
Die Schweiz will bis spätestens 2050 klimaneutral werden. Dazu muss sie ihre Treibhausgasemissionen deutlich senken. Gemäss der Klimastrategie der Regierung gilt ein Teil dieser Emissionen – vor allem in der Landwirtschaft oder in der Industrie – als kaum vermeidbar. Die Schweizer Klimapolitik sieht deshalb vor, fünf Millionen Tonnen CO2 aktiv aus der Luft zu filtern (Direct Air Capture – DAC) und dauerhaft unterirdisch zu speichern. Zum Vergleich: Weltweit müssten nach Berechnungen des Weltklimarats IPCC ab 2050 bis zu 13 Milliarden Tonnen CO2 jährlich aus der Atmosphäre entfernt werden.
Wie einfach diese Ziele zu erreichen sind, hängt davon ab, ob es gelingt, die Kosten der als Direct Air Capture (DAC) bezeichneten Technologien zu senken. Das ETH-Spin-off Climeworks betreibt eine Anlage in Island, die heute 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr absaugt. Die Kosten pro Tonne liegen dabei etwa zwischen 920 und 1.200 Euro. Doch wie schnell werden diese Kosten durch Skaleneffekte sinken?
ETH-Forschende haben eine neue Methode entwickelt, um die zukünftigen Kosten verschiedener DAC-Technologien besser abschätzen zu können. CO2 aus der Luft zu filtern wird mit zunehmender Skalierung der Technologien zwar deutlich billiger werden, aber nicht so billig, wie das manche Akteure erwarten. Statt der oft kolportierten 90 bis 270 Euro pro Tonne CO2 dürfte der Preis eher bei 210 bis 490 Euro liegen.
„Die Verfügbarkeit von DAC-Technologien sollte auf keinen Fall unsere Anstrengungen reduzieren, CO2-Emissionen zu vermeiden. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht mit dem Ausbau von DAC-Anlagen warten, da wir diese Technologien für kaum vermeidbare Emissionen brauchen“, sagt Bjarne Steffen. Der ETH-Professor für Klimafinanzierung hat die Methode gemeinsam mit Katrin Sievert, Doktorandin an seiner Forschungsgruppe, und ETH-Professor Tobias Schmidt entwickelt.
Drei Technologien und ihre Kosten
Die ETH-Forschenden vergleichen mit ihrer neuen Methode die mögliche Kostenentwicklung von drei Technologien, die bereits heute CO2 aus der Luft filtern. Das Verfahren der Schweizer Firma Climeworks, bei dem ein festes Filtermaterial mit einer grossen Oberfläche CO2 bindet, könnte bis 2050 zwischen 255 und 530 Euro pro Tonne kosten.
Die geschätzten Kosten der beiden anderen DAC-Technologien liegen in ähnlichen Bereichen: Für die Abscheidung von CO2 als wässrige Lösung mit Kaliumhydroxid – ein Verfahren das zum Beispiel die kanadische Firma Carbon Engineering kommerzialisiert hat – nennen die Forschenden eine Spanne von 230 bis 540 Dollar pro Tonne. Und für die Abscheidung mit Kalziumoxid, das aus Kalkstein gewonnen wird, liegen die geschätzten Kosten zwischen 230 und 835 Dollar. Dieses Verfahren wird zum Beispiel von der US-amerikanischen Firma Heirloom Carbon Technologies angeboten.
Komponenten im Fokus
Die Kostenentwicklung neuer Technologien ist vor allem dann schwer abzuschätzen, wenn es dafür kaum Erfahrungswerte gibt. Dies trifft auf DAC-Technologien zu: Sie sind noch nicht lange genug im Einsatz, um die zukünftige Kostenentwicklung auf der Grundlage vergangener Daten vorhersagen zu können. Die ETH-Forschenden lösen dieses Problem, indem sie sich auf die Komponenten der verschiedenen DAC-Anlagen konzentrieren und deren Kosten einzeln schätzen. Diese Komponenten liessen sie dann von 30 ExpertInnen aus der Industrie daraufhin bewerten, wie komplex ihr technologisches Design ist und wie gut sie standardisierbar sind.
Bei wenig komplexen Komponenten, die sich für die Massenproduktion eignen, gehen die Forschenden davon aus, dass die Kosten stärker fallen. Bei komplexen Teilen hingegen, die für jede Anlage neu angepasst werden müssen, dürften die Kosten nur langsam sinken. Zudem werden in DAC-Anlagen auch bereits ausgereifte Komponenten wie Kompressoren eingesetzt, deren Kosten sich kaum mehr senken lassen. Zu den geschätzten Kosten für die einzelnen Teile kommen dann noch die Kosten für die Integration aller Komponenten sowie die Energie- und Betriebskosten hinzu.
Trotz der großen Unsicherheiten in den Schätzungen ist die Botschaft der Forschenden klar: „Aus heutiger Sicht ist nicht abschätzbar, welche der verfügbaren Technologien sich durchsetzen werden. Es ist daher entscheidend, alle Optionen weiterhin zu verfolgen“, sagt Katrin Sievert, die Erstautorin der kürzlich in Joule erschienenen Untersuchung.
->Quelle und weitere Informationen:
- ethz.ch/co2-aus-der-luft-filtern-bleibt-teurer-als-erhofft
- Originalpublikation: Sievert K, Schmidt T, Steffen B: Considering technology characteristics to project future costs of direct air capture, Joule, 01.03.2024, doi: 10.1016/j.joule.2024.02.005 – open access