WMO-Klimabericht: 2023 mit Abstand wärmstes Jahr seit Messbeginn

„Noch nie so nah an der 1,5-Grad-Schwelle“

Fast alle Ozeanregionen haben 2023 eine Hitzewelle erlebt: Der WMO zufolge gibt die Erderwärmung Anlass zu „besonderer Sorge“. Doch es fehle an Willen, die Klimakrise ernst zu nehmen. Diese erreichte 2023 einen neuen Rekordwert. Das zeigt der am 19.03.2024 veröffentlichte Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Der bestätigte die vorläufigen Schätzungen: Die global gemittelte Durchschnittstemperatur lag 2023 rund 1,45 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung (1850-1900). So hoch war sie noch nie seit Messbeginn. Bisher war 2016 das wärmste Jahr, mit rund plus 1,3 Grad. In den Meldungen war vielfach vom 1,5-Grad-„Ziel“ die Rede.

Johan Rockström, Chef PIK-Potsdam zu dieser Formulierung: „Ich werde einfach müde… Ich habe es satt zu hören, dass die 1,5° C ein  Z i e l  oder  R i c h t w e r t  sind. Das sind sie nicht. Sie sind eine Grenze. Das einzige wirkliche Ziel sind 0° C. Und keine schlechten 1,5° C.“

„Warming Stripes“ (Klima-Strichcode) – Durchschnittstemperaturen in Deutschland von 1881 bis 2017, von 6.6°C (dunkelblau) bis 10.3°C (dunkelrot) © Ed Hawkins, climate-lab-book.ac.uk, CC BY-SA 4.0

„Noch nie lagen wir – obgleich auch nur vorübergehend – so nah an der unteren 1,5-Grad-Schwelle des Pariser Abkommens zum Klimawandel,“ sagte WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo. Was die Forscher besonders beunruhigt, ist neben der ungewöhnlich hohen Abweichung der in zwei Metern Höhe gemessenen Lufttemperatur die beispiellose Erwärmung der Ozeane, der Rückzug der Gletscher sowie der Verlust antarktischen Meereises, so Saulo. „Alarmstufe Rot“ nannte sie die WMO-Werte.

„Beim Klimawandel geht es um viel mehr als nur um Temperaturen. „Was wir im Jahr 2023 erlebt haben, insbesondere die beispiellose Meereswärme, der Gletscherrückgang und der Meereisverlust in der Antarktis, gibt Anlass zu besonderer Sorge“, sagte sie. An einem durchschnittlichen Tag im Jahr 2023 wurde fast ein Drittel des globalen Ozeans von einer Meereshitzewelle erfasst, die lebenswichtige Ökosysteme und Nahrungsmittelsysteme schädigte. Gegen Ende des Jahres 2023 waren über 90 % der Ozeane irgendwann im Laufe des Jahres von Hitzewellen betroffen. Vorläufigen Daten zufolge erlitten die weltweiten Referenzgletscher den größten Eisverlust seit Beginn der Aufzeichnungen (seit 1950), der durch die extreme Schmelze sowohl im Westen Nordamerikas als auch in Europa verursacht wurde.

Die Meereisausdehnung in der Antarktis war mit Abstand die niedrigste seit Beginn der Aufzeichnungen, wobei die maximale Ausdehnung am Ende des Winters 1 Million km2 unter dem vorherigen Rekordjahr lag – was der Größe von Frankreich und Deutschland zusammen entspricht. „Die Klimakrise ist DIE entscheidende Herausforderung, vor der die Menschheit steht, und ist eng mit der Ungleichheitskrise verknüpft – wie die wachsende Ernährungsunsicherheit, die Vertreibung der Bevölkerung und der Verlust der biologischen Vielfalt zeigen“, sagte Celeste Saulo.

Jährliche globale Durchschnittstemperaturanomalien (relativ zu 1850–1900) von 1850 bis 2023. Die Daten stammen aus sechs Datensätzen Die Zahl der Menschen, die weltweit unter akuter Ernährungsunsicherheit leiden, hat sich mehr als verdoppelt, von 149 Millionen Menschen vor der COVID-19-Pandemie auf 333 Millionen Menschen im Jahr 2023 (in 78 vom Welternährungsprogramm überwachten Ländern). Dem Bericht zufolge seien Wetter- und Klimaextreme zwar nicht die Hauptursache, aber sie seien erschwerende Faktoren.

Wettergefahren führten auch 2023 weiterhin zu Vertreibungen und zeigen, wie Klimaschocks die Widerstandsfähigkeit untergraben und neue Schutzrisiken für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen schaffen. Es gibt jedoch einen Hoffnungsschimmer.

Die Erzeugung erneuerbarer Energien, die hauptsächlich durch die dynamischen Kräfte der Sonneneinstrahlung, des Windes und des Wasserkreislaufs angetrieben werden, ist aufgrund ihres Potenzials zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele in den Vordergrund des Klimaschutzes gerückt. 2023 stieg der Zubau erneuerbarer Kapazitäten gegenüber 2022 um fast 50 % auf insgesamt 510 Gigawatt (GW) – die höchste Rate, die in den letzten zwei Jahrzehnten beobachtet wurde.

Diese Woche werden sich beim Klimaministertreffen in Kopenhagen am 21. und 22. März Klimapolitiker und -minister aus der ganzen Welt zum ersten Mal seit der COP28 in Dubai versammeln, um sich für beschleunigte Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen. Die Verbesserung der Nationally Determined Contributions (NDCs) der Länder vor der Frist im Februar 2025 wird ganz oben auf der Tagesordnung stehen, ebenso wie die Erzielung einer ehrgeizigen Vereinbarung über die Finanzierung auf der COP29, um nationale Pläne in die Tat umzusetzen.

„Der Klimaschutz wird derzeit dadurch behindert, dass es an Kapazitäten mangelt, Klimadienste bereitzustellen und zu nutzen, um nationale Klimaschutz- und Anpassungspläne zu unterstützen, insbesondere in Entwicklungsländern. Wir müssen die Unterstützung für nationale meteorologische und hydrologische Dienste erhöhen, um Informationsdienste bereitstellen zu können.“ „Stellen Sie sicher, dass die nächste Generation national festgelegter Beiträge auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert“, sagte Celeste Saulo.

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