Suffizienz als „Strategie des Genug“

„Eine Einladung zur Diskussion“ des Sachverständigenrats für Umweltfragen

Der menschliche Naturverbrauch muss schnell und drastisch verringert werden. Gleichzeitig haben viele Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Energie und Ressourcen. Anhand von 16 Thesen lädt der Sachverständigenrat für Umweltfragen dazu ein, am 29.04.2024 über eine bisher vernachlässigte Dimension von Zukunftspolitik zu diskutieren: Suffizienz.

Suffizienz als „Strategie des Genug“ – Foto © Sachverständigenrat für Umweltfragen

Suffizienz zielt darauf ab, den Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen mit besonders schädlichen Umweltauswirkungen zu reduzieren. Sie ist ein in den Umweltwissenschaften etabliertes Konzept, das ergänzend neben Effizienz (mehr Output je Input) und Konsistenz (gleicher Output mit weniger umweltschädlichem Input) tritt. Suffizienz wird oft nur als individuelle Lebensstilfrage diskutiert. Dabei ist sie vielmehr eine strukturelle Aufgabe, die entsprechende politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen erfordert. Diese sollten eine umweltschonende gesellschaftliche Praxis fördern – anstatt sie, wie häufig, zu erschweren. Die Entwicklung nachhaltiger Wirtschafts- und Lebensweisen ist eine gemeinsame gesellschaftliche und politische Verantwortung.

Mit diesem Papier legt der SRU 16 Thesen vor, die Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft zur Diskussion einladen sollen. Es wird etwa dargestellt, warum wir Suffizienz zur Einhaltung der planetaren Belastungsgrenzen brauchen und warum Suffizienz auch eine Frage der Gerechtigkeit ist. Die Thesen betreffen unterschiedliche Lebensbereiche und fachliche Perspektiven (u.a. Ökonomik, Kreislaufwirtschaft, Recht und Kultur). Sie thematisieren auch, dass eine Diskussion über eine „Strategie des Genug“ absehbar schwierig und strittig verlaufen wird.

der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) will eine neue Debatte über Suffizienz im Wirtschaftssystem fördern. In seinem heute veröffentlichten Diskussionspapier „Suffizienz als ‚Strategie des Genug‘“ regen die sieben Umweltweisen dazu an, Konflikte zwischen den Paradigmen Green Growth und Degrowth zu überwinden, indem der Fokus auf Vorsorge gesetzt wird.

Gut, dass der SRU sich für eine vorsorgende Wachstumsunabhängigkeit starkmacht und sich zentrale Empfehlungen unserer „vorsorgeorientierten Postwachstumsstrategie“ für gesellschaftliches Wohlergehen innerhalb planetarer Grenzen zu eigen macht, die das IÖW gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) für das Umweltbundesamt erarbeitet hat. Was jetzt auf der Tagesordnung steht: Suffizienzpolitiken erfordern eine wirtschaftspolitische Rahmung und angepasste gesellschaftlichen Zielsysteme, die deutlich über das BIP hinausweisen. Auch müssen dafür gesellschaftliche Institutionen wie die Sozialversicherungen wachstumsunabhängiger gestaltet werden. Der Rat hat die wichtigen Themen Suffizienz und Vorsorge nun auf eine breitere politische Ebene gehoben. Das ist gut und wir bringen uns weiterhin ein! (IÖW-Newsletter 03/2024)

Diskussionspapier und Online-Veranstaltung: „Suffizienz als ‚Strategie des Genug‘: Eine Einladung zur Diskussion“

Ökologische Krisen schreiten weltweit mit besorgniserregender Geschwindigkeit voran. Sechs von neun planetaren Belastungsgrenzen sind überschritten, ebenso ökologische Grenzen in Deutschland. Ganz offensichtlich reichen bisherige Ansätze für den Schutz der Umwelt nicht aus. In einem heute veröffentlichten Papier spricht sich der SRU für eine gesellschaftliche Debatte über Suffizienz aus, also über eine „Strategie des Genug“. Wir laden Sie ein, Ihre Perspektive in einer Online-Veranstaltung am 29. April 2024 beizusteuern.

Technische Innovation und Effizienzgewinne sind wichtig, reichen aber nicht aus

Wir scheitern aktuell daran, die enormen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Es gelingt beispielsweise nicht, das Klima zu stabilisieren und den Artenschwund zu stoppen. Dies gefährdet stabile und gesunde Lebensbedingungen gerade für junge und künftige Generationen. Technische Innovationen und Effizienzgewinne leisten unentbehrliche Beiträge zur Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs. Sie reichen aber allein nicht aus, um die notwendigen Einsparungen zu erzielen. In zentralen Bereichen müssen auch Suffizienzstrategien einen Beitrag leisten.

Suffizienz: Für alle genug, aber nicht zu viel

Suffizienz zielt darauf ab, den Verbrauch ökologisch kritischer Güter und Dienstleistungen zu reduzieren. Gleichzeitig haben viele Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Energie und Ressourcen. Für Menschen in Armut kann „genug“ also auch „mehr“ bedeuten. Ein „Weniger“ erfordert Suffizienz für ressourcenintensiv lebende Gruppen. Dies sind die Mittel- und Oberschichten vor allem (aber nicht nur) in den reichen Ländern. Ein Leben in Würde für alle innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen ist auch das Leitbild deutscher ebenso wie internationaler Nachhaltigkeitsstrategien.

Suffizienz ist weit mehr als eine Frage individueller Lebensstile

Suffizientere Produktions- und Konsumformen können sich nur dann etablieren, wenn Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenwirken. Daher sollte Suffizienz vorrangig als kollektive Herausforderung verstanden werden. Suffizienz erfordert politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die eine umweltschonende gesellschaftliche Praxis fördern – anstatt sie, wie häufig, zu erschweren. Die Betonung gemeinsamer Verantwortung entschärft auch den kulturellen Konflikt um die gesellschaftliche Bewertung verschiedener Lebensstile, der bei Diskussionen über nachhaltigen Konsum mitschwingt.

Einladung zur Diskussion

Der SRU möchte mit seinem Diskussionspapier eine wissenschaftliche und gesellschaftliche Auseinandersetzung über Suffizienz fördern. Auch wenn Suffizienz ein unbequemes Thema ist und angesichts einer wachsenden Polarisierung womöglich als politisch riskant wahrgenommen wird, ist ein Diskurs darüber notwendig. Die Frage, wie der gesamtgesellschaftliche Ressourcenverbrauch reduziert und gleichzeitig gerechter gestaltet werden kann, birgt aus Sicht des SRU aber auch Chancen für einen Dialog über neue Verständnisse von Lebensqualität, Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit.

Online-Veranstaltung am 29.04.2024 von 16:00 bis 18:30 Uhr
Wir freuen uns, wenn Sie bei unserer Veranstaltung zum Thema Suffizienz dabei sind. Um die Teilnahme zu erleichtern, wird sie als reine Videokonferenz durchgeführt – mit Beiträgen von
• Prof. Wolfgang Lucht (SRU)
• Staatssekretär Sven Giegold (BMWK)
• Staatssekretär Stefan Tidow (BMUV)
• Diskussionsbeiträge aus Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft
• Moderation: Susanne Bergius

Einladung zu Diskussionsbeiträgen

Was denken Sie zu den im Diskussionspapier des SRU vertretenen Positionen? Was ist aus Ihrer Sicht zu betonen, zu ergänzen oder zu kritisieren? Wir suchen Perspektiven aus Zivilgesellschaft, Politik, oder Wissenschaft: Wenn Sie Interesse haben, bei der Veranstaltung eine maximal 5-minütige Reaktion auf das Diskussionspapier beizutragen, senden Sie bitte bis 8. April 2024 die drei wichtigsten Stichpunkte und kurze Informationen zu Ihrer Person an info@umweltrat.de. Gerne können Sie die Einladung zur aktiven Teilnahme an unserer Diskussionsveranstaltung mit anderen teilen.

Online-Veranstaltung

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