PwC-Untersuchung: Sollte gesetzlicher Rahmen für zukunftstaugliche Compliance der Netzwirtschaft optimiert werden?
Die Energiewende für einen besseren Klimaschutz stellt die deutsche Energiewirtschaft bekanntermaßen vor große Herausforderungen. Ein wesentliches Element ist die für eine erfolgreiche Energiewende notwendige Digitalisierung. Energiewende und Digitalisierung erfolgen in einem dynamischen und komplexen gesetzlichen Rahmen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Strom- und Gasnetzbetreibern zu, weil sie für die sichere Energieversorgung Deutschlands als Mittelpunkt der Energiewirtschaft verantwortlich sind. Die PwC-Untersuchung „Energiewende und Digitalisierung“ überprüft, ob die die Strom- und Gasnetzbetreiber ihre Pflichten nach dem Energiewirtschaftsrecht erfüllen.
Die Studie untersucht, ob der geltende gesetzliche Rahmen für eine zukunftstaugliche Compliance der Netzwirtschaft zur Bewältigung der Herausforderungen Energiewende und Digitalsierung optimiert werden sollte. An der Studie teilgenommen haben Entscheider von 70 Netzbetreibern.
Studienergebnisse im Überblick: Compliance braucht mehr Aufmerksamkeit – Risikovermeidung statt strategischer Positionierung im Wettbewerb
Die Fragen zum Compliance-Verständnis ergaben unter anderem, dass die Unternehmen externe Regeln und Vorgaben (z. B. des Gesetzgebers) doppelt so häufig wie interne Regeln mit Compliance verbinden. Oder anders ausgedrückt: Sie scheinen unter Compliance eher reaktiv-defensive Risikovermeidung zu verstehen als eine aktive, offensive strategische Ausrichtung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dass hier Nachholpotenzial besteht, zeigen die Compliance-Ziele: Rechtssicherheit und Haftungsvermeidung überwiegen stark; eine strategische Ausrichtung ist nur für rund ein Drittel der Studienteilnehmer relevant. Interessant ist auch, dass erst rund jedes zweite Unternehmen ein Compliance-Management-System (CMS) nutzt.
Weitere Informationen aus der Untersuchung: Zwei Drittel der Strom- und Gasnetzbetreiber verpflichten ihre Führungskräfte, die Einhaltung des Energierechts zu prüfen. Umgekehrt ist zu vermuten, dass etwa jeder dritte Netzbetreiber eine solche Verpflichtung nicht verbindlich vornimmt und die Einhaltung des geltenden Rechts damit unsicher ist. Gerade einmal knapp jede dritte Führungskraft sagt, dass das eigene Unternehmen über eine systematisch ausgearbeitete Übersicht des geltenden Energierechts verfügt.
Biogas-Vorgaben stoßen auf Skepsis
Zu den Kernpflichten der Netzbetreiber gehören
- die allgemeinen Entflechtungspflichten,
- die Netzanschlusspflichten (auch hinsichtlich erneuerbarer Energien),
- die Netzzugangspflichten und
- die Netzentgeltregulierung.
Die Studie „Energiewende und Digitalisierung“ zeigt, dass die Strom- und Gasnetzbetreiber ihre Kernpflichten weitgehend erfüllen. Gasnetzbetreiber haben Biogas-Aufbereitungsanlagen auf Erdgasqualität gemäß § 33 Abs. 1 GasNZV vorrangig anzuschließen. Mit dem Ausbau der Biogaseinspeisung will die Bundesregierung den Klimaschutz forcieren und die Versorgungssicherheit erhöhen. Bezüglich einer problemlosen Vorgabenerfüllung sind 50 % der befragten Unternehmen pessimistisch.
Unzufrieden mit der Netzentgeltregulierung: Kritik am geltenden Regulierungsregime
Die den Strom- und Gasnetzbetreibern bekanntesten Kernpflichten sind die Pflichten zur Netzentgeltregulierung. Die Studienteilnehmer wurden unter anderem gefragt, ob sie mit der Entgeltregulierung zufrieden sind – und ob sie diese für einen wirksamen Mechanismus halten. Zudem wurde das Einverständnis mit den festgelegten Erlösobergrenzen der zweiten und der dritten Regulierungsperiode abgefragt. Die Ergebnisse können als Protest gegen das geltende Regulierungsregime gewertet werden. So sind lediglich 7 % der Befragten mit der staatlichen Entgeltregulierung in der dritten Regulierungsperiode einverstanden.
Skeptischer Blick auf Netzausbau und Versorgungssicherheit
Die Informationen der Befragten bezüglich der Pflichten der Versorgungssicherheit verdeutlichen die überragende Verantwortung der Transportnetzbetreiber. Während diese die Fragen zu den Pflichten der Versorgungssicherheit weitestgehend „souverän“ beantworteten, äußerten sich die Verteilnetzbetreiber – als es um die Kenntnis, Verständlichkeit und problemlose Erfüllung der Pflicht ging – weniger positiv. Es gibt bei diesen Unternehmen große Unsicherheiten hinsichtlich der Einhaltung der Pflichten zur Versorgungssicherheit in der Zukunft. Dasselbe gilt für den für die Energiewende entscheidenden Netzausbau. Der flächendeckende Transport und die Verteilung der dezentral erzeugten Energie aus Erneuerbaren Energien kann nur gelingen, wenn der Netzausbau Fahrt aufnimmt. Aktuell kann der Netzausbau nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien Schritt halten, was insbesondere der verhaltene Blick in die Zukunft der Netzbetreiber unter Beweis stellt.
Große Defizite bei den Kooperationspflichten
Alle maßgeblichen Themengebiete des Energierechts enthalten auch Kooperationspflichten. So müssen zum Beispiel Transportnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber zusammenarbeiten, um Netzengpässe zu verhindern und somit die Systemstabilität aufrecht zu erhalten. Vom Inhalt der Kooperationspflichten haben nur 58 % eine positive materielle Kenntnis. Lediglich 45 % der Befragten berichten von problemlosen Kooperationen. Und ebenfalls 45 % der Netzbetreiber kooperieren nicht regelmäßig. Das offenbart ein deutliches Nachholpotenzial bei Kooperationen. Diese bisherige Entwicklung ist ungenügend. Ein Ausbau von Kooperationen muss das Ziel sein. Dabei geht es auch um eine schnellere digitale Transformation. Die Digitalisierung der Unternehmen im Bereich Energie dauert noch zu lange.
Gebremster digitaler Messstellenbetrieb: Realisierungspläne für Smart Meter gefährdet
Ein extrem wichtiger Schritt bei der digitalen Transformation im Sektor Energie sind digitale Stromzähler, sogenannte Smart Meter. In diesem Zusammenhang enthalten die gesetzlichen Maßgaben auch Pflichten aus dem Messstellenbetrieb. So ist laut Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) der grundzuständige Messstellenbetreiber für den Einbau und Betrieb digitaler Messinfrastrukturen verantwortlich. Der grundzuständige Messstellenbetreiber ist nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung grundsätzlich der Netzbetreiber.
Die in der PwC-Studie abgefragten Pflichten wurden deshalb nur von jenen Netzbetreibern abgefragt, die grundzuständige Messstellenbetreiber sind. Die gesetzlichen Regelungen sehen einen festen Zeitplan für den verpflichtenden Einbau digitaler Messsysteme vor. Voraussetzungen dafür sind jedoch, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die technische Möglichkeit der Ausstattung feststellt und mindestens drei voneinander unabhängige Unternehmen digitale Messsysteme anbieten, die den Anforderungen des MsbG genügen. Bis zu dieser Feststellung kann der flächendeckende Einbau der digitalen Messsysteme nicht starten. Deshalb sind die Realisierungsfristen gefährdet. Insoweit verwundern die negativen Umfrageergebnisse nicht. Die gebremste Entwicklung spiegelt auch das Digitalisierungsbarometer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), das dem Rollout digitaler Messsysteme durch die Messstellenbetreiber nur 14 von 100 Punkten gibt.
Fazit der Studie : Erhebliche Verbesserungspotenziale
Die empirische Erhebung für die Studie „Energiewende und Digitalisierung“ legt nahe, dass die Netzbetreiber ihren Aufgaben derzeit größtenteils gewachsen sind, aber auch erhebliches Verbesserungspotenzial besteht. Der Ausblick auf die dritte Regulierungsperiode fällt meist deutlich negativer aus als der Rückblick auf die zweite, was auf Verunsicherung und eventuell Unzufriedenheit mit den gesetzlichen Vorgaben hindeutet.
Die Untersuchung der Legal Compliance der Netzbetreiber zeigt, dass der gesetzgeberische und regulatorische Rahmen mit Blick auf die Herausforderungen der Energiewende und der Digitalisierung aktuell nicht vollständig zur Aufgabenerfüllung der Strom- und Gasnetzbetreiber geeignet ist. Die großen Unsicherheiten bei der Einhaltung der Pflichten zur Versorgungssicherheit und beim Netzausbau, aber auch die Umfrageergebnisse zu den Kooperationspflichten signalisieren, dass der Gesetzgeber nachjustieren sollte. Er sollte zum Beispiel Kooperationen gesetzlich forcieren und dafür wirtschaftliche Anreize schaffen. Auch die Verschiebungen der Kompetenzen zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern sind zu evaluieren. Die Bundesregierung sollte die Entwicklungen weiter gezielt vorantreiben. Dann werden Digitalisierung, Energieeffizienz und Klimaschutz nicht im Energie-Bereich, sondern in der gesamten Wirtschaft gelingen.
->Quelle: pwc.de/Studie_Digitalisierung_und_Energiewende.pdf