Leopoldina empfiehlt Schlüsselelemente des Kohlenstoffmanagements: Pro CCS-Onshore

Leopoldina plädiert für unterirdische CO2-Speicherung auch an Land – nicht als Ausrede für fossilen Weiterbetrieb

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt, für die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid auch Standorte an Land zu erschließen. Um in Deutschland und Europa Klimaneutralität bis 2045 bzw. 2050 zu erreichen, wurden zwar schon bisher Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien verstärkt in den Fokus genommen. Jedoch reichen Emissionsreduktionen nicht mehr aus, um die Klimgrenzen einzuhalten. Der Atmosphäre muss zusätzlich auch das wichtigste Treibhausgas CO2 aktiv und dauerhaft entzogen werden. So wird ein dritter Handlungsbereich auf dem Weg zur Klimaneutralität bedeutend: das Kohlenstoffmanagement. Die am 10.04.2024 veröffentlichte Ad-hoc-Stellungnahme „Schlüsselelemente eines Kohlenstoffmanagements“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gibt Empfehlungen zu den verschiedenen Möglichkeiten der Speicherung und langfristigen Nutzung von CO2. Die WissenschaftlerInnen empfehlen zudem Maßnahmen zur technischen Umsetzung, für ökonomische Anreize und zur internationalen Zusammenarbeit.

Wasserdampf-, CO2– und Rauchausstoß in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Die WissenschaftlerInnen sprechen sich in der Stellungnahme dafür aus, Forschung und Entwicklung zur CO2-Abtrennung in industriellen Prozessen und zur direkten Entnahme aus der Atmosphäre (Direct Air Capture, DAC) zu fördern. DAC sollte vor allem an Standorten, an denen die klimatischen Bedingungen (z. B. eine niedrige Luftfeuchte) oder die Energiekosten aus regenerativen Quellen günstig sind, etabliert werden. Die Fachleute betonen, dass CO2-Speicherung im Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS) nicht dafür eingesetzt werden sollte, die Nutzung fossiler Energieträger zu verlängern, sondern für nicht vermeidbare CO2-Emissionen beispielsweise aus der Landwirtschaft und Industrie. Zudem empfehlen sie, CCS-Verfahren nicht nur im marinen Bereich, sondern auch auf dem Festland zu nutzen. Auch das Potenzial einer natürlichen Speicherung von CO2, vor allem durch Wiederaufforstung und die Wiedervernässung von Mooren, sollte weiter erforscht und wissenschaftlich gefördert werden, so die Fachleute. Neben der Speicherung ist auch der Aufbau einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft für Kohlenstoff notwendig, um CO2 stofflich zu nutzen und dauerhafte oder möglichst langlebige Güter herzustellen (Carbon Capture and Utilization, CCU).

Die Fachleute betonen, dass CO2-Speicherung im Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS) nicht dafür eingesetzt werden sollte, die Nutzung fossiler Energieträger zu verlängern, sondern für nicht vermeidbare CO2-Emissionen beispielsweise aus der Landwirtschaft und Industrie.

Die Ad-hoc-Stellungnahme schlägt vor, ökonomische Rahmenbedingungen für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre zu etablieren, die Entwicklung entsprechender Märkte zu fördern und privates Kapital dafür zu aktivieren. Die Transportinfrastruktur für CO2 und CCU-Produkte muss im europäischen Verbund ausgebaut, durch Investitionsanreize gefördert und mit vergleichbaren Planungen für Wasserstoff und andere stoffliche Energieträger zusammengeführt werden. Vorhandene Infrastrukturen, wie das Gasnetz, sollten möglichst umfassend genutzt und daher nicht vorschnell aufgegeben werden. Für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre müssen Rahmenbedingungen etabliert werden, damit sich darauf aufbauend Geschäftsmodelle und stabile Märkte entwickeln können, so die Fachleute. Dafür könnten beispielsweise eigene Zertifikatmärkte entwickelt werden. Wichtig wäre ein Regelwerk, das europaweit die Entnahme und ökonomische Bewertung von CO2 organisiert. Die Fachleute empfehlen zudem internationale Kooperationen in Forschung, Entwicklung und Pilotprojekten. Insbesondere Ländern des Globalen Südens kommt auf Grund ihrer Lage und der günstigen Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien eine herausragende Stellung zu.

Umweltverbände fürchten, dass CCS als Rechtfertigung für weiteren Fossil-Ausbau dienen und die Klimaschutz-Anstrengungen verringern könnte.

Die Ad-hoc-Stellungnahme wurde von der Leopoldina-Fokusgruppe „Klima und Energie“ erarbeitet. Diese gibt Impulse für die mittelfristige Gestaltung des deutschen und europäischen Energiesystems und nimmt kurzfristig zu aktuellen Entwicklungen Stellung. Das demnächst erscheinende Papier „Kohlenstoffmanagement integriert denken: Anforderungen an eine Gesamtstrategie aus CCS, CCU und CDR“ der Initiative der Wissenschaftsakademien „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) wird sich dem Thema ausführlich widmen. Weitere Informationen zu ESYS: https://energiesysteme-zukunft.de/

Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.

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