„Gewaltiger Schatz“
Deutschland sitzt auf einem gewaltigen Schatz ungenutzter Kapazitäten für den Netzanschluss von Erneuerbaren-Kraftwerken. Das zeigt die Untersuchung der möglichen gemeinsamen Nutzung von Netzverknüpfungspunkten, die der Bundesverband Erneuerbare Energien BEE gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE durchgeführt und am veröffentlicht hat.
Der Netzausbau in Deutschland kommt nur schleppend voran, immer häufiger haben Projektierer von Erneuerbaren-Energien-Anlagen Schwierigkeiten, einen freien Punkt (sog. Netzverknüpfungspunkt, NVP) für den Netzanschluss zu finden. Das bremst den Ausbau der Erneuerbaren erheblich, führt zu enormen Kostensteigerungen und kann gerade bei kleineren Photovoltaik- und Windprojekten das Aus bedeuten.
Mit seiner Studie zur effizienteren Nutzung von NVP hat der BEE jetzt einen Vorschlag zur größtmöglichen Beschleunigung des Netzanschlusses vorgelegt. „Mit einem schnelleren Anschluss wird ein wichtiger Puffer geschaffen, da der Netzausbau dem Ausbau der Erneuerbaren bislang nicht nachkommt. Der Netzausbau muss aber gleichermaßen vorangetrieben werden“, so BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter.
Der Vorschlag des BEE sieht vor, künftig mehrere Erneuerbare-Energien-Anlagen, Speicher und Anlagen zur Sektorenkopplung gemeinsam an einen NVP anzuschließen. Dabei wird mehr Leistung angeschlossen, als der NVP eigentlich transportieren kann (Überbauung). „Die Auslastung der einzelnen Punkte lässt sich damit teilweise um ein Vielfaches steigern“, so Peter. „Es bleibt sogar noch genügend Kapazität frei, um auch Back-up-Kraftwerke, wie beispielsweise flexible Biogasanlagen oder Wasserkraftwerke an den NVP anzuschließen.“
„Für die Untersuchungen haben wir eine Simulationsumgebung aufgebaut, die es ermöglicht, die erneuerbare Energieerzeugung, die Netzeinspeisung und die Überschüsse flächendeckend für ganz Deutschland in hoher räumlicher Auflösung zu modellieren. Dabei können unterschiedliche Überbauungsraten bis zu 250 % der NVP-Anschlussleistung und eine Vielzahl von Anlagentechnologien vorgegeben werden“, sagt Kaspar Knorr, Projektleiter am Fraunhofer IEE. Beispiele für Anlagentechnologien können etwa die Nabenhöhen der Windenergieanlagen oder die Neigungswinkel der Photovoltaik-Anlagen sein. „Darauf aufbauend wurden für die Studie besonders interessante Konfigurationen für ganz Deutschland ausgewertet. Parallel dazu haben wir eine Web-Anwendung entwickelt, die detaillierte Analysen für einzelne, in ganz Deutschland auswählbare Standorte ermöglicht. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass eine NVP-Überbauung zu deutlich höheren Netzeinspeisungen und vergleichsweise niedrigen Überschüssen führt.“
Überschüsse (es wird mehr Energie produziert als der NVP übertragen kann), treten nur selten auf, wie die Studie zeigt. „Überschüsse sind dabei sogar von Vorteil, denn sie reizen den Bau von Speichern und Sektorenkopplungstechnologien zur weiteren Nutzung des Ökostroms an. Unsere Vorschläge haben damit positive Effekte für alle Akteure der Energiewirtschaft: Projektierer, finanzierende Banken, Netzbetreiber, steuerbare Erzeugungsanlagen und Speicher, Industrie und Volkswirtschaft“, so Peter. „Eine Win-Win-Win-Situation.“
Die rechtliche Umsetzung ist simpel: “Minimale Anpassungen zweier Paragraphen im EEG könnten den Netzanschluss maximal beschleunigen und Einsparpotenziale in Milliardenhöhe freilegen”, so Peter. „200 Akteure aus der gesamten Energiewirtschaft unterstützen die Vorschläge des BEE. Das zeigt, wie dringend der Handlungsbedarf ist, und wie groß die Vorteile für alle Beteiligten sind. Die Bundesregierung sollte die gemeinsame Nutzung und Überbauung von Netzverknüpfungspunkten daher noch in diesem Jahr umsetzen“, so Peter abschließend.
Erneuerbare Energien-Anlagen sind an so genannten Netzverknüpfungspunkten an das Stromnetz angeschlossen. Sie bestehen unter anderem aus einem Trafo, Schalt- sowie Mess- und Steuereinrichtungen zur Überwachung des Stromflusses. Diese Punkte können eine bestimmte Menge elektrischer Energie transportieren, von mehreren Megawatt bis hin zu einigen Gigawatt.
Aufgrund des derzeitigen Rechtsrahmens ist die Auslastung von NVP nur gering. Denn jede angeschlossene Anlage muss zu jedem Zeitpunkt 100 Prozent ihrer Leistung einspeisen können. Da die Energieproduktion von Photovoltaik- und Windenergieanlagen schwankt, speisen diese meistens nicht zeitgleich mit ihrer vollen Leistung ein. Die durchschnittliche Nutzung eines NVP innerhalb eines Jahres liegt, wie die BEE-Studie zeigen konnte, bei der Photovoltaik bei 13 Prozent und bei modernen Windenergieanlagen bei 33 Prozent. Durch die gemeinsame Nutzung von NVP ließe sich die Ausnutzung auf 53 Prozent steigern und damit zum Teil mehr als verdoppeln.
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