Kreislaufwirtschaft im Bauwesen

Nachhaltige Architektur: Bauhandwerk digital neu interpretiert

Die Klimabilanz der Baumaterialien wird bislang viel zu wenig beleuchtet, sagt Moitz Dörstelmann, Tenure-Track-Professor für Digital Design and Fabrication (DDF) am Institut Entwerfen und Bautechnik des KIT, laut Nicole Allé in energiezukunft. Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen sind aber innovative Ansätze nötig. Architekten und Forscher verbinden digitale Entwurfs- und Fertigungsstrategien mit historischer Architektur und neuentwickelten Materialien aus natürlichen Rohstoffen.

PV-Dächer in Oberhessen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die Emissionen im Baugewerbe steigen, ebenso die Rohstoffpreise. Das Umweltbundesamt schätzt das gesamte verbaute Material im deutschen Gebäudebestand auf 15 Milliarden Tonnen. Energieeffizientes Bauen, sparsamer Einsatz von Ressourcen und die Verwendung natürlicher Materialien können den ökologischen Fußbadruck beim Bauen und Sanieren möglichst klein halten. Die Wiederverwendung sowie der Einsatz nachwachsender Baustoffe spielen in Zukunft eine große Rolle. So wird bspw. experimentiert, inwieweit Bambus künftig Stahl ersetzen könnte.

Kreislaufwirtschaft regulieren

In der Baubranche könnte eine organisierte und verpflichtende Kreislaufwirtschaft eine Menge an Ressourcen sparen und gleichzeitig enorme CO2-Emissionen senken. Die DIN SPEC 91484 bietet eine einheitliche Methode, um das Potenzial von Bauprodukten für hochwertige Anschlussnutzungen zu erfassen. Sie wurde entwickelt, um einheitliche und standardisierte Prozesse in der Branche zu etablieren.

Auch Architekten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben sich des Themas „Kreislaufwirtschaft und Ressourcen schonen“ im Bauwesen angenommen und neue Strategien entwickelt. In einem Demonstrator-Projekt hat das Forscherteam auf dieser Basis Fachwerkhäuser neu interpretiert: Ihre Kombination aus Holz und einem Weiden-Lehm-Verbund werden sie im Rahmen der Bayerischen Landesgartenschau vom 26.04. bis 06.10.2024 in Wangen im Allgäu vorstellen.

Mit neu interpretierten Fachwerkhäusern zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen

Das Bauwesen sei für mehr als 40 Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich, sagt Dörstelmann. Gemeinsam mit einem internationalen und interdisziplinären Team denkt der Architekt das historische Handwerk digital neu: „Dabei automatisieren und digitalisieren wir nicht einfach, sondern schaffen grundsätzlich neuartige Bauweisen.“

„Eines unserer Demonstratorprojekte besteht aus einer hybriden Tragstruktur aus Holz in Kombination mit Deckenbauteilen aus einem Weiden-Lehm-Verbund. Die Fassade besteht aus Flachsfasern“, erklärt Dörstelmann. „So konnten wir einen intelligenten Mix aus lokalen, schnell nachwachsenden Materialien sowie Erde und Holz konstruktiv nutzen.“ Ein skalierbarer Einsatz dieser natürlichen Baumaterialien in leistungsfähigen Bauteilen werde durch digitale Bautechnologien ermöglicht. Mit seinem Team hat er hierzu beispielsweise digitale Entwurfs- und automatisierte Fertigungsverfahren für Konstruktionsbauteile aus Weiden-Lehm-Verbund entwickelt.

Doppelt CO2 speichern: Weide als Baustoff auf wiedervernässten Moorflächen

Die Forschenden untersuchen außerdem, wie der Stoffstrom beim Einsatz von Weide als Baustoff aussehen könnte. Dabei verfolgen sie den Ansatz, trockene Moorflächen wiederzuvernässen und dort Weiden anzubauen. „Sowohl die wiedervernässten Moore als auch die schnell wachsenden Weiden speichern große Mengen CO2“, erläutert Dörstelmann. „So können wir lokales Material energiearm verarbeiten und vor allem die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen im Bauwesen diversifizieren.“

Forschungsorientierte Lehre

Die beteiligten Studenten bezieht Dörstelmann in allen Projektphasen aktiv mit ein. Das beginne bereits bei der Ideenfindung und Konzepterstellung. „Wir machen den Trichter für neue Ideen anfangs sehr breit auf, um wirklich ganz unvoreingenommen und ungefiltert zu schauen, wie neue kreislaufgerechte digitale Bauweisen aussehen könnten.

Die Studierenden bringen hier immer wieder ganz neue Perspektiven ein“, berichtet der Architekturprofessor, der 2023 den Landeslehrpreis in der Kategorie Innovation/Transformation erhalten hat. Bis zur Fertigstellung des Projekts helfen die Studierenden beim Überprüfen neuer Konzepte, Erstellen digitaler Modelle und Entwickeln von 1:1-Prototypen mit. Das Projekt stellen Moritz Dörstelmann und sein Team vom 26. April bis 6. Oktober 2024 auf der Landesgartenschau in Wangen im Allgäu aus. na

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