DUH obsiegt in Klimaklage vor dem OVG Berlin

Klimaschutzgesetzesnovelle hinfällig – Bundesrat beschließt dennoch

Die Deutsche Umwelthilfe hat in einer fast sechsstündigen Marathon-Gerichtsverhandlung Fakten für einen verbindlicheren Klimaschutz geschaffen. Die Bundesregierung wurde gerichtlich zu ausreichendem Klimaschutz gezwungen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat nach Klimaklagen der DUH am 16.05.2024 bestätigt: Die Klimaschutzprogramme der Bundesregierung reichen nicht aus, um die Klimaziele bis 2030 beziehungsweise 2045 einzuhalten. Damit gewinnt die DUH ihre Klagen sowohl für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr als auch für den Landnutzungssektor (LULUCF). Die Ampelkoalition ist nun verpflichtet, schnellstmöglich ausreichende Klimaschutzmaßnahmen vorzulegen.

Dieselauspuff eines Busses – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Gleich vier Bundesministerien hatten erfolglos das Gericht davon zu überzeugen versucht, dass die DUH weder klagebefugt sei, noch dass sie ihr Klimaschutzprogramm für die Jahre bis 2030 um konkrete Maßnahmen wie das von uns geforderte Tempolimit auf Autobahnen, Stopp der Klimakiller-Dienstwagen Subventionierung oder die energetische Sanierung von Schulen und Kindergärten nachbessern müssten.

Schon der Auftakt der Verhandlung im größten Saal des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg verlief furios: Die Vorsitzende Richterin Holle eröffnete die Verhandlung mit dem Hinweis, wie bedeutend diese Klage für den Klimaschutz in Deutschland sei. Und dass es in dieser Verhandlung darum gehe, die Grundrechte von vielen hunderttausenden Kinder und Jugendlichen zu schützen, die das aktuell geltende Klimaschutzgesetz über den von der DUH unterstützten Entscheid des Bundesverfassungsgerichts im April 2021 erkämpft haben.

Der nächste Paukenschlag in der Verhandlung war die Entscheidung, die Verhandlung direkt mit dem Kernthema „Klimaschutz konkret“ zu beginnen und alle rechtlichen Fragen der Zulässigkeit nach hinten zu schieben. Fast drei Stunden stand dem Gericht und uns als Kläger Dr. Brigitte Knopf Rede und Antwort, die Stellvertretende Vorsitzende des Expertenrates der Bundesregierung zum Klimaschutz. Es war Gänsehautfeeling, mit welcher Ernsthaftigkeit und Sachkenntnis die Berufsrichterinnen auf die Vertreter der Bundesregierung wieder und wieder auf die Schwere der Verstöße gegen geltendes Klimaschutzrecht aufmerksam machte. Die Vorsitzende Richterin machte unmissverständlich klar, dass die im Klimaschutzplan enthaltenen, bisher beschlossenen Maßnahmen zum Klimaschutz fehlerhaft sind. So enthält der Plan Projekte im Wert von über 41 Milliarden Euro, die zwischenzeitlich nicht mehr finanziert sind. Zahlreiche weitere aufgeführte Maßnahmen im Verkehrsbereich bezeichnete Frau Dr. Knopf vom Expertenrat als „nicht bewertbar“, weil zu unkonkret. Sie genügen jedenfalls nicht, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erfüllen kann.

Die anwesenden Vertreter der Bundesregierung mussten auf Nachfragen des DUH-Rechtsanwalts und der Richterinnen wieder und wieder einräumen, gegen geltendes Klimaschutz-Recht und Gesetz zu verstoßen. Ihnen fiel zur Verteidigung nicht viel mehr ein als darauf zu verweisen, dass ja am 17.05.2024 der Bundesrat über eine Novelle des Klimaschutzgesetz abstimmen und sich in Zukunft bestimmte Rahmenbedingungen ändern würden. Die schneidende Antwort der Vorsitzenden Richterin Holle war klar und eindeutig: „Rechtsgrundlage der Verhandlung ist das Klimaschutzgesetz in der heute gültigen Fassung“.

Und so erging noch am Abend um 20:30 Uhr das fulminante Urteil: Die bestehenden Klimaschutzprogramme der Bundesregierung sind rechtswidrig. Das Gericht sieht eine Lücke bis 2030 von mind. 200 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Und die Bundesregierung wurde verurteilt, konkrete Klimaschutzmaßnahmen in diesem Umfang in den Klimaschutzplan aufzunehmen, die nachprüfbar wirksam sind.

Die DUH: „Mit diesem grandiosen Urteil im Rücken können wir endlich konkrete Klimaschutz-Maßnahmen gegenüber den einzelnen Ministerien der Bundesregierung durchsetzen. FDP, SPD und GRÜNE können sich ab gestern nicht länger aus ihrer Verantwortung für den Klimaschutz stehlen und Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen oder ein Stopp der Förderung klimaschädlicher Dienstwagen verweigern. Unser Anwalt Remo Klinger hat in einer ersten Analyse das Urteil als gleichbedeutend für den Klimaschutz wie auch den von uns mit erstrittenem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz bewertet. Während dieses 2021 die Bundesregierung zu strengeren Zielvorgaben zwang, legt das gestrige Urteil fest, welche Verbindlichkeit und Konkretheit die im Klimaschutzplan enthaltenen Maßnahmen haben müssen. Und dies gilt auch für ein geändertes Klimaschutzgesetz, gegen das wir aktuell noch politisch wie juristisch ankämpfen. Mit diesem Urteil im Rücken können und werden wir insbesondere FDP-Minister Wissing zu wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehrssektor zwingen wie einem Tempolimit und den Stopp der Förderung von Klimakiller-Dienstwagen.“

Bereits im Gerichtssaal machten die Vertreter der Bundesregierung deutlich, dass sie auch gegen diese Entscheidung vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen werden. Auch in den Wochen vor der Verhandlung hatte die Ampel in erschreckender Deutlichkeit gezeigt, dass sie keine Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen will. Daher arbeitet die DUH am Revisionsschriftsatz zum DUH-Erfolg bei den Sofortprogrammen im Urteil desselben Gerichts vom 30. November letzten Jahren und ist zuversichtlich, damit vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu obsiegen.

Angesichts der sich galoppierend verschärfenden Klimakrise lassen wir es dieser im Klimaschutz von der FDP regierten Ampel nicht durchgehen, dass sie auf Jahre hinaus die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude verweigert, die Bahn systematisch kaputtspart und auf unseren Autobahnen immer schwerere Monster-SUVs sich ein Schaufahren gegen den Klimaschutz leisten.“

Klimaschutzgesetzänderungen vom Bundesrat gebilligt

Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 17.05.2024 Änderungen am Klimaschutzgesetz gebilligt. An den Klimazielen ändert die Novelle nichts – Deutschland soll weiterhin bis 2045 treibhausneutral bleiben. Ziel der Änderungen ist es, den Klimaschutz vorausschauender und effektiver zu gestalten. So wird im Bereich der Treibhausgase zukünftig auf eine mehrjährige Gesamtbetrachtung abgestellt, die alle Sektoren betrifft, damit der Treibhausgasausstoß dort gemindert werden kann, wo die größten Einsparpotentiale vorhanden sind. Der Fokus soll auch auf den zukünftigen Emissionen liegen und nicht wie bisher auf Zielverfehlungen in der Vergangenheit. Schließlich wird die Rolle des Expertenrates für Klimafragen gestärkt, der nun auch die Möglichkeit bekommt, eigene Vorschläge zur Weiterentwicklung geeigneter Klimaschutzmaßnahmen zu unterbreiten. Der Bundesrat verabschiedete eine begleitende Entschließung: In dieser fordert er unter anderem einer Nachsteuerungspflicht, wenn absehbar sei, dass Deutschland seine Klimaziele verfehle. Zudem weist er darauf hin, dass es sich bei der im Gesetz vorgesehenen Stärkung und Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme lediglich um eine Maßnahme der Klimaanpassung handele, deren Erfolg unsicher sei. Für das Erreichen des Klimaschutzziels seien Anpassungsmaßnahmen allein nicht ausreichend. Dies könne nur gelingen, wenn auch der CO2-Ausstoß vermindert würde.

Deutsche Umwelthilfe fordert Steinmeier auf, Klimaschutzgesetz nicht zu unterschreiben

Nach Entscheidung des Bundesrats vom 17.05.2024, das entkernte Klimaschutzgesetz passieren zu lassen, folgt als nächster Schritt die verfassungsrechtliche Prüfung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert Frank-Walter Steinmeier auf, die Unterschrift zu verweigern. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband hat die Verfassungsverstöße dokumentiert – in einem achtzehnseitigen Schreiben an den Bundespräsidenten vom Juristen Prof. Dr. Remo Klinger, der bereits den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2021 miterstritten hat. Dazu DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch:

Das entkernte Klimaschutzgesetz ist unvereinbar mit dem historischen Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021. Es fehlen verbindliche Sektorziele und ein Emissionsminderungspfad. Dies alles nur, um Porsche-Minister Wissing konkrete Klimaschutzmaßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen oder ein Ende der Förderung von Klimakiller-Dienstwagen zu ersparen. Die Verschiebung konkreter Klimaschutzmaßnahmen auf die nächste und übernächste Bundesregierung ist eine in Gesetzesform gegossene Prokrastination beim Klimaschutz in Deutschland. Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im April ist außerdem klar, dass unzureichende Klimapolitik die Menschenrechte verletzt. Wir fordern Bundespräsident Steinmeier auf, diesen Versuch der Ampel-Regierung, sich beim Klimaschutz einen ‚schlanken Fuß‘ zu machen, zu stoppen. Er muss die Unterschrift verweigern und sich damit hinter die kommenden Generationen und all jene Menschen stellen, die schon heute von der Klimakrise betroffen sind. Sollte dieses Klimaschutz-Verhinderungsgesetz tatsächlich in Kraft treten, werden wir dagegen alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ergreifen.“

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