Energie direkt auf Mikrochip zurückgewinnen

Neues Material ebnet den Weg für On-Chip Energy Harvesting

Forschenden aus Deutschland, Italien und Großbritannien ist nach eigenen Angaben vom 08.07.2024 ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung eines Materials gelungen, das Energierückgewinnung auf dem Mikrochip in Zukunft möglich machen könnte. Bei ihrer Legierung aus Germanium und Zinn handelt es sich um ein sogenanntes thermoelektrisches Material, das geeignet erscheint, die Abwärme von Computerprozessoren in Elektrizität umzuwandeln. Da alle Elemente aus der 4. Hauptgruppe des Periodensystems stammen, kann die neue Halbleiterlegierung leicht in den Prozess der Chipfertigung integriert werden.

Chips und Platinen in einem PC – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die Ergebnisse schafften es auf das Titelblatt von ACS Applied Energy Materials. Der zunehmende Einsatz elektronischer Geräte in allen Lebensbereichen treibt den Energieverbrauch in die Höhe. Ein Großteil dieser Energie wird in Form von Wärme in die Umwelt abgegeben. In Europa gehen so jährlich etwa 1,2 Exajoule aus IT-Infrastrukturen und Rechenzentren sowie Geräten wie Smart Devices verloren. Dies entspricht in etwa dem Primärenergieverbrauch von Österreich oder Rumänien. Diese Wärme unter 80°C ist traditionell nur schwer nutzbar wegen der schlechten thermodynamischen Effizienz und technologischen Einschränkungen.

Ideal wäre es daher, die Niedertemperaturwärme wieder zurückzuführen. Doch es gibt nur sehr wenige Materialien, die in der Lage sind, die Wärme in elektrische Energie umzuwandeln, und keines davon ist mit der aktuellen Technologie in Halbleiterfertigungsanlagen kompatibel. Eine Kooperation zwischen dem Forschungszentrum Jülich und dem IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Deutschland, zusammen mit der Universität Pisa, der Universität Bologna in Italien und der Universität Leeds in Großbritannien, hat nun jedoch einen Meilenstein bei der Entwicklung eines solchen Materials erreicht, das für die Energiegewinnung auf Chips geeignet und mit dem CMOS-Prozess der Chipfertigung kompatibel ist.

„Das Hinzufügen von Zinn zu Germanium reduziert die thermische Leitfähigkeit erheblich, während die elektrischen Eigenschaften beibehalten werden – eine ideale Kombination für thermoelektrische Anwendungen“, erklärt Dr. Dan Buca, Leiter der Forschungsgruppe am Forschungszentrum Jülich. Die – experimentell bestätigte – niedrige thermische Leitfähigkeit des Kristallgitters unterstreicht das große Potenzial der GeSn-Legierungen als thermoelektrisches Material. Die Idee dahinter: Indem man es in siliziumbasierte Mikrochips integriert, wird es möglich, die im Betrieb erzeugte Abwärme zu nutzen und in elektrische Energie rückzuwandeln. Dieses „Energy Harvesting“ auf dem Chip könnte den Bedarf an externer Kühlung und Strom erheblich reduzieren und so die Effizienz elektronischer Geräte steigern.

Wie funktioniert ein thermoelektrisches Element?

Thermoelektrische Elemente wandeln Temperaturunterschiede direkt in elektrische Energie um. Ein bestehendes Temperaturgefälle regt dabei einen Fluss von elektrischen Ladungsträgern an und erzeugt so einen elektrischen Strom. Dieser Prozess kann genutzt werden, um Abwärme in elektronischen Geräten zu verwerten, wodurch sie in nutzbare Energie umgewandelt und der gesamte Energieverbrauch reduziert wird.

Für thermoelektrische Materialien ist eine geringe Wärmeleitfähigkeit wünschenswert, da diese ein größeres Temperaturgefälle ermöglicht, was wiederum für eine effiziente Energieumwandlung entscheidend ist. GeSn-Legierungen erscheinen mit ihrer geringen Wärmeleitfähigkeit besonders geeignet, ein solches Temperaturgefälle zu erzeugen, was wiederum ihrer thermoelektrischen Effizienz zugutekommt.

Elemente der Gruppe IV im Periodensystem, auch bekannt als Siliziumgruppe, bilden die Grundlage eines jeden elektronischen Geräts. Indem man sie zu Legierungen kombiniert, erweitern sich die Anwendungsbereiche auf Thermoelektrik, Photonik und Spintronik. Langfristig rückt damit die Integration von Photonik, Elektronik und Thermoelektrik auf demselben Chip mit siliziumbasierter Technologie in Reichweite. Dies würde nicht nur die Leistung der Geräte verbessern, sondern auch die Entwicklung nachhaltigerer Technologien unterstützen.

„Mit dieser Veröffentlichung ist uns ein sehr wichtiger Schritt gelungen. Wir haben einen der kritischsten Parameter für ein thermoelektrisches Material, die thermische Leitfähigkeit, bewertet, indem wir eine Reihe verschiedener experimenteller Techniken an Proben mit unterschiedlichen Legierungszusammensetzungen und Dicken angewendet haben“, erklärt Prof. Giovanni Capellini, Projektleiter am IHP. „Unsere gemeinsame Forschung kann erhebliche Auswirkungen auf den Bereich der ‚Green IT‘-Infrastrukturen haben.“

Die Forschungsgruppen am Forschungszentrum Jülich und am IHP setzen ihre erfolgreiche Zusammenarbeit fort, um das Material weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die Zusammensetzung der Legierung auf Silizium-Germanium-Zinn, SiGeSn, sowie die ultimative Gruppe-IV-Legierung unter Hinzunahme von Kohlenstoff, CSiGeSn, zu erweitern und damit ein funktionales thermoelektrisches Gerät herzustellen, mit dem sich das Potenzial der Energiegewinnung durch Gruppe-IV-Legierungen demonstrieren lässt. Die Aktivität wird finanziell durch einen neu vergebenen DFG-Zuschuss „SiGeSn-Legierungen für die Energiegewinnung bei Raumtemperatur“ gefördert. Zusätzlich werden die Arbeiten durch das kooperative Promotionsprojekt „CMOS-Energiegewinnung für Big Data-Anwendungen“ unterstützt.

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