Bio-Baumaterial aus CO2-fressenden Bakterien

Neuartige biogene Konstruktionsmaterialien Steine, Dämmstoff und Beton

Lebende (Bau-)Materialien (LBM) können gezielt CO2 aufnehmen und dieses in Calciumcarbonat, CaCO3 (Kalk) umwandeln. Das benötigte CO2 kann dabei sowohl aus der Atmosphäre aufgenommen als auch industriellen Prozessen entzogen werden. In den LBM enthaltene Mikroorganismen, wie Cyanobakterien, nutzen das CO2 zur Calciumcarbonat-Mineralisierung (MICP = microbially induced calcium carbonate precipitation). Blaugrün(Cyano-)bakterien kommen weltweit in Feuchtböden, Mooren und im Süßwasser vor. Sie tummeln sich ebenso im salzigen Meerwasser, auf Steinen und Baumrinden, sind also leicht zu finden und abzuernten. Wenn sie sterben, bilden sie feste Kalksteinstrukturen, wie die Stromatolithen, poröse Sedimentgesteine an der Küste. Unter bestimmten Bedingungen machen sie im Reagenzglas dasselbe.

Geschäumte Strukturkörper: ‚Lebendes‘ Baumaterial – Grün entsteht durch das Chlorophyll der Bakterien – Bild © Fraunhofer IKTS

Forschende des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS und des Fraunhofer-Instituts für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP stellen nun im Projekt „BioCarboBeton“ ein umweltfreundliches, biologisch induziertes Verfahren zur Herstellung von biogenen Baumaterialien vor. Dabei fällt nicht nur kein Kohlenstoffdioxid an, im Gegenteil: Das klimaschädliche Gas wird für den Prozess genutzt und im Material gebunden.

Für die Mineralisierung und Verfestigung des Kalks zu biogenen Strukturen ist ausreichend Licht und Feuchtigkeit Voraussetzung. Denn nur so können die Mikroorganismen Photosynthese und damit MICP betreiben. Der biogene Kalk dient als Binderkomponente zwischen ausgesuchten Füll- und Zuschlagstoffen und bildet so die Grundlage für nachhaltige Bau- und Konstruktionsmaterialien. Diese können zukünftig, je nach Umsetzung, zu Land und zu Wasser verwendet werden. Perspektivisch sind auch Anwendungen im Weltraum denkbar. Die Spielräume für diese vielseitigen Materialien und Materialkombinationen sind groß. Sie adressieren die essenziellen gesellschaftlichen Themen zur Treibhausneutralität in der Industrie, nachhaltiges Wirtschaften in Kreisläufen, Energie, Umwelt und Gesundheit.

Herstellung von Living Building Materials

Im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts „BioCarboMin“ (FKZ: 13XP5162A) und des Fraunhofer-internen Projekts „BioCarboBeton“ ist es gelungen, solch biogen verfestigte Strukturkörper herzustellen. Erstmals können über die IKTS-Erfindung Gefrierschäumung, einfache Gusstechnologien oder auch additive Fertigung (AM) Strukturen hergestellt werden, die ein Überleben der Bakterien ermöglichen. Die durch Chlorophyll verursachte Grünfärbung beweist, dass die Mikroorganismen in der Struktur lebendig sind.

Die gewählten Materialien und das Design der Strukturen sowie optimierte Mineralisierungsparameter (Belichtung, Temperatur und Feuchtegehalt) versetzen die lebenden Bakterien in die Lage, Calciumcarbonat bis hin zu verfestigten Komponenten zu bilden. Zudem kann eine Art Premix hergestellt werden, der durch Mischen mit Lösungsmittel, wie Wasser, als potenzieller „biogener Mörtel“ verwendet werden kann.

In naher Zukunft soll das Überleben der Mikroorganismen gezielt gesteuert werden. Bisher werden die biogenen Komponenten durch Mikroorganismen erzeugt, die am Ende des Mineralisierungsprozesses absterben und als unbedenkliche Biomasse vorliegen. Der entwickelte Ansatz stellt eine Alternative zu konventionellen Zement- und Betonmischungen dar, bei deren Herstellung typischerweise tonnenweise CO2 aus dem Brennen von abgebautem fossilem Kalk erzeugt wird. Diese neuen biogenen Bau- und Konstruktionsmaterialien mit nachhaltiger CO2-Fixierung tragen daher doppelt zur CO2-Reduktion bei: während der Herstellung und während des Gebrauchs.

Vom Dämmmaterial bis zum Mörtel – Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft

Durch die gezielte Auswahl der Füllstoffe und die Steuerung der Prozess- und Mineralisierungsparameter lassen sich Produkte für unterschiedliche Anwendungsszenarien erzeugen. Diese reichen potenziell vom Dämmmaterial über Ziegel und Verschalungsverfüllung bis hin zum Mörtel oder Fassadenputz, der nach dem Auftragen aushärtet.

Nachdem das Team der Forschenden den Prozess am Fraunhofer IKTS und am Fraunhofer FEP etabliert und erprobt hat, arbeitet es nun an der Skalierung der Mengen und Bestimmung der gewünschten Festkörpereigenschaften. Ziel ist es, den Herstellern zu ermöglichen, die umweltfreundlichen Bio-Baustoffe schnell und wirtschaftlich in den erforderlichen Mengen zu produzieren.

Matthias Ahlhelm und Ulla König sind überzeugt: „Das Verfahren zeigt, welch enormes Potenzial in der Biologisierung der Technik liegt. Insgesamt bietet unser Projekt ›BioCarboBeton‹ nicht nur für die Bauwirtschaft die Chance, einen großen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft zu tun.“

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