EU-Kreislaufwirtschaft: Agenda der neuen Legislaturperiode

EU unterzeichnet „Bridge to Busan“-Erklärung

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Offene Dossiers aus der vergangenen Legislaturperiode stehen nun auf der Agenda der neuen. Zu den wichtigsten To-Dos in Sachen Kreislaufwirtschaft gehören dem Deutschen Naturschutzring (26.07.2024) zufolge die Umsetzung der neuen Ökodesign-Verordnung sowie der Green-Claims-Richtlinie und die Verbesserung der Kreislauffähigkeit in der Automobilindustrie. Außerdem hat die EU die „Bridge to Busan“-Erklärung unterzeichnet, um die Produktion von Primärplastik weltweit zu reduzieren.

Plastikmüll am Strand von Havanna, Kuba – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Am 22.07.2024 unterzeichnete die EU offiziell die „Bridge to Busan“-Erklärung, die bereits von neun EU-Mitgliedstaaten und 24 weiteren Ländern unterstützt wird. Diese Erklärung verpflichtet die Unterzeichner, nachhaltige Produktionsniveaus für Primärplastikpolymeren zu erreichen und eine erhöhte Transparenz der Daten zur Plastikproduktion zu schaffen. Mögliche Maßnahmen umfassen Produktionsstopps auf bestimmten Niveaus, Produktionsreduzierungen gegenüber vereinbarten Basislinien oder andere Beschränkungen.

Erst kürzlich mahnte die Europäische Umweltagentur (EEA) in einem Briefing, dass die Kreislauffähigkeit von Kunststoffen trotz aller Bemühungen nur langsam zunehme. Sie äußerte Besorgnis über den schleppenden Fortschritt und warnte, dass ohne zusätzliche Maßnahmen mehr Meeresmüll und Mikroplastik in die Umwelt gelangen und die Treibhausgasemissionen weiter ansteigen könnten. Immerhin: Ungarn, das aktuell die europäische Ratspräsidentschaft innehat, plant ein Verbot der offenen Schifffahrt von Plastikpellet-Containern an Deck. Laut einem Entwurf für einen Kompromiss unter den EU-Mitgliedstaaten sollen Container mit Plastikpellets unter Deck oder in geschützten Bereichen transportiert werden. Dies folgt einem Mikroplastik-Unfall an der galizischen Küste, bei dem Container über Bord gingen. Wichtiger als diese spezifische Maßnahme ist jedoch die generelle Reduktion von Plastik, um die Umwelt langfristig zu schützen.

Plastikverbrauch in Europa wird sich bis 2060 verdoppeln

Aktuellen Prognosen zufolge wird sich der Plastikverbrauch in Europa bis 2060 den globalen Trends folgend verdoppeln. Die EEA fordert daher mehr Anstrengungen von Industrie, NGOs, Forschung und öffentlichem Sektor. Denn trotz Bemühungen stagniert der Anteil recycelter Kunststoffe und liegt seit 2020 bei einem Gesamtverbrauch von 8 Prozent. Dabei ist die Mechanische Recyclingkapazität in Europa von 2 Millionen Tonnen (1996) auf 11,3 Millionen Tonnen (2021) gestiegen. Doch nicht aller Plastikmüll wird gesammelt oder recycelt, insbesondere Nicht-Verpackungsplastik und eingebettete Kunststoffe. Maßnahmen zur Erhöhung der Kreislauffähigkeit umfassen die Beseitigung problematischer Plastikprodukte, besseres Design, bessere Sortiermechanismen und Investitionen in Recyclingkapazitäten.

Wegbereiter für Kreislaufwirtschaft: Ökodesign-Verordnung tritt in Kraft

Mit der Verabschiedung der neuen „Verordnung (EU) 2024/1781 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte“ (ESPR) hat die bereits einen bedeutenden Schritt in Richtung einer kreislauforientierte Wirtschaftsweise vollzogen. Sie trat am 18. Juli 2024 offiziell in Kraft. Die neue Verordnung ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie und erweitert den Anwendungsbereich von energieverbrauchenden bzw. energieverbrauchsrelevanten Produkten (wie Leuchtmittel, Kühlschränke, Waschmaschinen, Wäschetrockner) auf nahezu alle Arten von Produkten, die in der EU in Verkehr gebracht werden (EU-News vom 30.05.) Es fehlen allerdings noch einige Maßnahmen:

  • Delegierte Rechtsakte: Die EU-Kommission wird delegierte Rechtsakte erlassen, um die konkreten Nachhaltigkeitsanforderungen für verschiedene Produktgruppen festzulegen.
  • Einführung digitaler Produktpässe: Ab 2027 sollen digitale Produktpässe schrittweise eingeführt werden, um Transparenz und Nachverfolgbarkeit zu verbessern.
  • Integration von Ökodesign-Kriterien in öffentliche Aufträge: Zur Förderung nachhaltiger Beschaffung wird die Integration von Ökodesign-Kriterien in die Vergabe öffentlicher Aufträge weiterentwickelt. Dies soll die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten erhöhen und die Marktdurchdringung nachhaltiger Produkte fördern.
  • Verbot der Vernichtung gebrauchsfähiger Produkte: Ab Juli 2026 tritt das Verbot der Vernichtung gebrauchsfähiger Produkte bestimmter Textilien und Schuhe in Kraft. Dieses Verbot kann zukünftig auf andere Produktgruppen ausgeweitet werden. Vorübergehend sind KMUs von diesem Verbot ausgenommen, um ihnen Zeit zur Anpassung zu geben.
  • Unterstützung für KMU: Es werden spezifische Unterstützungsmaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bereitgestellt, um deren Anpassung an die neuen Anforderungen zu erleichtern.

Was noch zu tun wäre: Dossiers der letzten Legislaturperiode 

Es gibt aber noch weitere offene Dossiers, deren Maßnahmen die europäische Kreislaufwirtschaft stärken sollen: Eine der ersten Aufgaben nach der Europawahl wird die Umsetzung der Green-Claims-Richtlinie sein. Diese soll sicherstellen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitswerbung nicht mehr ohne externe Überprüfung tätigen dürfen. Ziel ist es, irreführende Umweltaussagen zu verhindern und die Transparenz zu erhöhen.

Parlament und Rat werden sich mit Vorschlägen zur Verbesserung der Kreislauffähigkeit in der Automobilindustrie befassen. Eine neue Verordnung soll die bestehenden Richtlinien über Altfahrzeuge und Recycling ersetzen. Hierbei stehen im Vordergrund der Einsatz und die Erhöhung von von Recyclingmaterial in Fahrzeugen sowie die Handhabung von Altfahrzeugen. Es soll verbesserte Prozesse für das Recycling und die Wiederverwendung von Fahrzeugteilen. Auch die die Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie wird fortgesetzt, um strengere Sammel- und Recyclingziele zu setzen. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei Textilien (hier die Einführung verbindlicher Sammel- und Recyclingzielen) und Lebensmittelabfällen (vor allem die Festlegung ambitionierterer Reduktionsziele).

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