Vier Handlungsfelder
Ein hoher und weiter steigender Anteil erneuerbarer Energien bedeutet für das Stromsystem einen Paradigmenwechsel: Notwendig ist es, von einem System inflexibler Nachfrage und statischer Erzeugung überzugehen in ein System mit kostengünstiger variabler Stromerzeugung aus Wind und PV, ergänzt um Speicher, eine flexible Nachfragesteuerung und flexible Kraftwerke als Back-up. Das Zusammenspiel dieser Elemente und deren intelligente Integration verändern die Anforderungen an das Strommarktdesign grundlegend.
Wie das zukünftige Strommarktdesign und damit eine sichere, bezahlbare Strom- und Energieversorgung, die ausschließlich auf erneuerbaren Energien basiert, ausgestaltet werden kann, hat die Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) seit 2023 diskutiert- sie wurde durch die Koalitionsfraktionen eingesetzt. Nun legt das BMWK Optionen für das zukünftige Strommarktdesign und damit für eine sichere, bezahlbare und klimaneutrale Strom- und Energieversorgung vor. Die Handlungsoptionen basieren im Wesentlichen auf den Diskussionen in der PKNS. Die Stakeholder der PKNS sind nun eingeladen, sich an einer schriftlichen Konsultation zu diesem Optionenpapier zu beteiligen. Die Konsultation endet am 28. August.
Ziel und Hintergrund des vorliegenden Strommarktpapiers
Deutschlands Stromsystem befindet sich mitten in einer umfassenden Modernisierung und steht vor einem Paradigmenwechsel. Wir gehen von einem System mit relativ inflexibler Nachfrage und ihr nachfolgender Stromerzeugung über in ein System, in dem die günstige und variable Stromerzeugung aus Wind und PV zur zentralen Säule und zum Volumenbringer im dekarbonisierten Stromsystem werden. Die damit einhergehenden Veränderungen sind ein Paradigmenwechsel, und die Anforderungen an das Stromsystem der Zukunft verändern sich dadurch grundlegend.
Die PKNS wurde durch die Koalitionsfraktionen eingesetzt und diskutiert seit 2023 die Anforderungen an das Strommarktdesign der Zukunft in einer Welt mit sehr hohen Erneuerbaren-Anteilen. Ein Gesamtbericht fasst die Diskussion zusammen. Durch dieses Papier verdichtet das BMWK das Meinungsspektrum auf konkrete Handlungsoptionen und deren Vor- und Nachteile. In einigen Themenfeldern soll damit die Diskussion um die konkreten Optionen eröffnet werden, in anderen werden konkrete Empfehlungen abgegeben. In der Einigung der Bundesregierung zur Kraftwerksstrategie vom Februar 2024 wurde das BMWK beauftragt, ein Optionenpapier für das Strommarktdesign der Zukunft auf Basis der PKNS-Diskussion zu erarbeiten. Dem kommt das BMWK hiermit nach.
Zusammenfassung
Die in der Wachstumsinitiative beschlossenen Eckpunkte der Bundesregierung sind in das vorliegende Papier eingeflossen. Insoweit das Papier in der Problembeschreibung und Optionendarstellung darüber hinaus geht, ist das Papier ein erster Aufschlag für eine Diskussion innerhalb der Bundesregierung und mit den politischen Akteuren, den verschiedenen Stakeholdern, den Bundesländern, anderen europäischen Staaten und der europäischen Kommission, und schafft die Gelegenheit zur öffentlichen Konsultation. Gleichzeitig sorgt das Papier für Transparenz und ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich der geeigneten Optionen und ihrer jeweiligen Chancen und Herausforderungen.
Handlungsfelder für den Strommarkt von morgen
Die Optionen gliedern sich entlang der vier zentralen Handlungsfelder, wie sie bereits mit den Stakeholdern in der PKNS diskutiert wurden.
Sie umfassen:
- den Investitionsrahmen für erneuerbare Energien,
- den Investitionsrahmen für steuerbare Kapazitäten,
- lokale Signale,
- die Flexibilisierung der Nachfrage.
Ziel und Hintergrund des vorliegenden Strommarktpapiers
Das Strommarktdesign der Zukunft hat vier zentrale Funktionen:
- Koordination: Der Strommarkt hat erstens unverändert die Aufgabe, den optimalen, also kostengünstigsten Einsatz der benötigten Kapazitäten und der Nachfrageseite zu organisieren.
- Investitionsrahmen: Das Marktdesign hat zweitens die Funktion, für ausreichend Investitionssicherheit zu sorgen, um so die erforderlichen Investitionen in neue Technologien und Kapazitäten zu ermöglichen.
- Räumlicher Ausgleich: Lokale Signale als Teil des Marktdesigns haben drittens die Rolle, Angebot und Nachfrage räumlich mit den Transportkapazitäten des Stromnetzes zu koordinieren.
- Zeitlicher Ausgleich: Der Strommarkt hat viertens die Aufgabe, Angebot und Nachfrage durch mehr Flexibilität zeitlich optimal für ein möglichst kostengünstiges Gesamtsystem aufeinander abzustimmen und Flexibilitäten systemdienlich einzusetzen.
Handlungsfeld 1: Der Investitionsrahmen für erneuerbare Energien
Zentrale Aussage des Handlungsfeldes 1 ist, dass der weitere Hochlauf der erneuerbaren Energien einen zukunftsfähigen, verlässlichen und kosteneffizienten Investitionsrahmen benötigt, während gleichzeitig die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien schrittweise weiter in den Markt integriert werden muss. Dies deckt sich auch mit der uneingeschränkten Ansicht der Stakeholder der PKNS. Die Markterlöse sind in einem Marktumfeld der Transformation mit zu großen Unsicherheiten verbunden, als dass die notwendigen massiven Investitionen mit hinreichender Sicherheit und hinreichendem Tempo realisiert werden können.
Zudem sind Wind- und PV-Strom oft gleichzeitig in hohen Volumina im Markt, sodass die Strompreise günstig sind, gleichzeitig aber die Erneuerbaren kaum Markterlöse haben. Gegenwärtig sichert die gleitende Marktprämie den Erneuerbaren-Ausbau ab und hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Ausbau bei zeitgleich sinkenden Kosten stark vorangeschritten ist. Sie ist jedoch nur bis Ende 2026 europarechtlich genehmigt.
Danach muss ein Fördersystem eingeführt werden, das mit einem Rückzahlungsinstrument („Claw-Back“) ausgestaltet ist, für Einnahmen, die über den Förderbedarf hinausgehen. Dies sieht sowohl die neue EU-Strommarkt-Verordnung 2024/1747 vor, als auch die Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien. Dieser Systemwechsel sollte gut vorbereitet sein. Dazu dient die Diskussion auf Basis dieses Papiers. Als alternative Optionen stehen zur Verfügung:
- Option 1: Ergänzung des aktuellen Systems um einen Refinanzierungsbeitrag als Rückzahlungsinstrument
- Option 2: Einführung zweiseitiger produktionsabhängiger Differenzkontrakte
- Option 3: Einführung zweiseitiger produktionsunabhängiger Differenzkontrakte
- Option 4: Einführung von Kapazitätszahlungen in Verbindung mit einem produktionsunabhängigen Refinanzierungsbeitrag.
Insbesondere produktionsunabhängig ausgestaltete Investitionsrahmen bieten Vorteile bei Anreizen für effizienten Anlageneinsatz und systemdienliche Anlagenauslegung. Auch das zunehmende Mengenrisiko wird durch produktionsunabhängige Investitionsrahmen inhärent adressiert.
In ihrer Wachstumsinitiative hat sich die Bundesregierung auf folgendes geeinigt:
„…Während die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien schrittweise weiter in den Markt integriert werden muss, braucht der weitere Hochlauf der erneuerbaren Energien einen zukunftsfähigen, verlässlichen und kosteneffizienten Investitionsrahmen. Mit dem Ende der Kohleverstromung wird die Förderung der erneuerbaren Energien auslaufen. Der Ausbau neuer EE soll auf Investitionskostenförderung umgestellt werden (eigener Kapazitätsmechanismus), insbesondere um Preissignale verzerrungsfrei wirken zu lassen. Dazu werden dieses und andere Instrumente rasch im Reallabore- Gesetz im Markt getestet. Dabei muss eine hohe Ausbaudynamik beibehalten werden, um die im EEG verankerten Ziele sicher zu erreichen und möglichst schnell mehr günstigen Strom zu erhalten. Auf diesem Weg wird noch stärker auf Kosteneffizienz und Marktintegration geachtet. In diesem Zusammenhang werden die im Rahmen der Plattform Klima-neutrales Stromsystem aufgezeigten Optionen geprüft und in die Entscheidung einfließen. Perspektivisch werden EE keine Förderung mehr erhalten, sobald der Strommarkt ausreichend flexibel ist und ausreichend Speicher zur Verfügung stehen.“
Den Beschlüssen der Bundesregierung in der Wachstumsinitiative, die Erneuerbarenförderung auf eine Investitionskostenförderung umzustellen (eigener Kapazitätsmechanismus) kommt Option 4 am nähesten.
Handlungsfeld 2: Der Investitionsrahmen für steuerbare Kapazitäten
Im Handlungsfeld 2 wird aufgezeigt, dass ein neuer flexibler Technologiemix notwendig ist, um die variable Stromerzeugung aus Wind und PVStrom auszugleichen und abzusichern. Gleichzeitig halten die Stakeholder das gegenwärtige Marktumfeld für nicht ausreichend, um Investitionen in diesen neuen Technologiemix in ausreichendem Maß anzureizen. Insbesondere sind auch hier die Markterlöse in der Transformation zu unsicher, außerdem stehen zunehmend die kapitalintensiven Fixkosten im Vordergrund und nicht mehr die Brennstoffkosten, da z. B. Kraftwerke nur noch wenige Stunden als Back-up laufen. Das Strommarktdesign der Zukunft sollte deshalb, neben einem verlässlichen Investitionsrahmen für erneuerbare Energien, gleichermaßen einen verlässlichen Investitionsrahmen für steuerbare Kapazitäten beinhalten.
Die Bundesregierung hat daher in ihrer Wachstumsinitiative Anfang Juli bekräftigt, einen technologieneutralen Kapazitätsmechanismus einführen zu wollen, der bis 2028 operativ ist. Die in diesem Papier vorgestellten Optionen und der nachfolgende Konsultationsprozess bilden eine Grundlage für die geplante Entscheidung der Bundesregierung zur Einführung eines Kapazitätsmechanismus.
Die bei der Diskussion um das „ob“ eines Kapazitätsmarktes relevanten Aspekte verlagern sich jetzt in das „wie“ der Ausgestaltung. Ein energiewendekompatibler Kapazitätsmechanismus sollte einen effizienten und versorgungssicheren Technologiemix aus Kraftwerken, Speichern und flexiblen Lasten unterstützen. Er sollte auf einen wettbewerblichen Ansatz setzen, innovationsoffen und anschlussfähig sein. Er sollte sich an die künftigen Entwicklungen und Unsicherheiten der Energiewende und den technologischen Fortschritt gut anpassen können und so kosteneffizient Versorgungssicherheit gewährleisten.
Als alternative Optionen kommen in Betracht:
- Kapazitätsabsicherungsmechanismus durch Spitzenpreishedging (KMS), möglicherweise ergänzt um einen Mindestpreis für Absicherungsprodukte
- Dezentraler Kapazitätsmarkt (DKM)
- Zentraler Kapazitätsmarkt (ZKM)
- Kombinierter Kapazitätsmarkt (KKM), mit Elementen des DKM und des ZKM
Im Fall des Kapazitätsabsicherungsmechanismus durch Spitzenpreishedging (KMS) sind die Versorger verpflichtet, ihren Stromabsatz gegen Preisspitzen abzusichern. Die Nachfrage nach solchen Absicherungsprodukten am Markt kann beispielsweise von Betreibern steuerbarer Kapazitäten wie Kraftwerken oder Speicher bedient werden. Er setzt auf der neuen EU-Hedgingpflicht auf, die Versorgern vorschreibt, dass diese ihre Stromlieferungen mengenseitig absichern sollen.
Im dezentralen Kapazitätsmarkt (DKM) wird den Versorgern die Verantwortung übertragen, ihre Stromlieferungen durch Kapazitäten abzusichern. Sie haben die Wahl, ob sie durch Anreizmodelle den Verbrauch ihrer Kunden in Spitzenlastzeiten mit wenig Wind- und PV-Strom reduzieren, eigene Kapazitäten vorhalten (Selbsterbringung) oder den verbleibenden Strombedarf alternativ mit erworbenen Kapazitätszertifikaten in dem Umfang absichern, wie ihre Stromkunden zur residualen Spitzenlast beitragen.
DKM und KMS setzen damit beide auf dem bereits heute bestehenden Prinzip der Bilanzkreistreue auf. Sie sind tendenziell besonders technologieund innovationsoffen und erschließen eine große Bandbreite an Flexibilitätsoptionen. Sie setzen durch den hohen Anreiz zur Lastvermeidung in Zeiten hoher Strompreise (Selbsterbringung) zusätzliche Flexibilitätsanreize. Beide Ansätze sind „atmende“ Mechanismen, die sich flexibel an die Unsicherheiten bei der Entwicklung der Nachfrage in der Transformation anpassen können. Sie nutzten dafür das wichtige „dezentrale Wissen“ der Akteure vor Ort über die Entwicklung des Systems und zur Entwicklung innovativer Antworten.
Sowohl im DKM als auch KMS werden die Kosten (insb. die, die über die Selbsterbringung hinaus gehen) im wettbewerblichen Umfang über einen Anstieg der Strombeschaffungskosten finanziert. Nachteil des DKM und KMS ist, dass sie für besonders kapitalintensive Investitionen eine geringere Investitionssicherheit mitbringen als ein zentraler Kapazitätsmarkt, weil sie das Problem der Fristeninkongruenz nicht adressieren (bis zu 15 Jahre Refinanzierungszeitraum der Investoren gegenüber maximal für die nächsten drei Jahre liquide Produkte im Markt). Beide dürften mit einem entsprechenden Überwachungsaufwand einher gehen.
Im zentralen Kapazitätsmarkt (ZKM) legt eine zentrale Stelle den Bedarf an steuerbaren Kapazitäten fest und schreibt diesen selbst durch Auktion aus. Der ZKM hat insbesondere den Vorteil, dass er längerfristige Verträge zur Finanzierung steuerbarer Kapazitäten ermöglicht und damit für eine sehr hohe Investitionssicherheit sorgt und das Problem der Fristeninkongruenz adressiert.
Allerdings hat der ZKM in der Regel Schwierigkeiten, Flexibilitäten wie E-Mobilität oder Wärmepumpen oder innovative Lösungen einzubeziehen, da alle Teilnehmer durch die zentrale Stelle vorab präqualifiziert sein müssen und es herausfordernd ist, die Vielzahl an Flexibilitätsoptionen zu klassifizieren und mit Blick auf ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit zu präqualifizieren. Durch die Nichtberücksichtigung der Flexibilitäten und Innovationen im ZKM verschlechtert sich deren Geschäftsumfeld, da andere steuerbare Kapazitäten durch den ZKM in den Markt kommen. Der ZKM ist weniger anpassungsfähig an künftige Entwicklungen und kann weniger gut auf das Problem der Lastunsicherheit reagieren als DKM und KSM.
Im zentralen Kapazitätsmarkt (ZKM) legt eine zentrale Stelle den Bedarf an steuerbaren Kapazitäten fest und schreibt diesen selbst durch Auktion aus. Der ZKM hat insbesondere den Vorteil, dass er längerfristige Verträge zur Finanzierung steuerbarer Kapazitäten ermöglicht und damit für eine sehr hohe Investitionssicherheit sorgt und das Problem der Fristeninkongruenz adressiert.
Allerdings hat der ZKM in der Regel Schwierigkeiten, Flexibilitäten wie E-Mobilität oder Wärmepumpen oder innovative Lösungen einzubeziehen, da alle Teilnehmer durch die zentrale Stelle vorab präqualifiziert sein müssen und es herausfordernd ist, die Vielzahl an Flexibilitätsoptionen zu klassifizieren und mit Blick auf ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit zu präqualifizieren. Durch die Nichtberücksichtigung der Flexibilitäten und Innovationen im ZKM verschlechtert sich deren Geschäftsumfeld, da andere steuerbare Kapazitäten durch den ZKM in den Markt kommen. Der ZKM ist weniger anpassungsfähig an künftige Entwicklungen und kann weniger gut auf das Problem der Lastunsicherheit reagieren als DKM und KSM.
Die durch die Ausschreibung entstehenden Kosten müssen nach den Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien im Wege einer Umlage auf die Verbraucher umgelegt werden. Zudem ist vorgegeben, dass hohe Strompreiseinnahmen durch einen Rückforderungsmechanismus („Claw-Back“) abzuschöpfen sind.
Derzeit favorisiert das BMWK einen Kombinierten Kapazitätsmarkt (KKM). Ein KKM ist ein dezentraler Kapazitätsmarkt kombiniert mit einer zentralen Komponente für besonders kapitalintensive steuerbare Kapazitäten mit längeren Refinanzierungshorizonten. Er vereint die Vorteile von ZKM und DKM/KMS, da er die vielfach die „neue Welt“ in einem von erneuerbaren Energien und Flexibilität geprägten Stromsystem besonders gut adressieren kann. Der KKM gibt auf der einen Seite besonders kapitalintensiven Investitionen mit langen Refinanzierungshorizonten, für die das Problem der Fristeninkongruenz besteht, fokussiert langfristige Investitionssicherheit durch zentrale Ausschreibungen mit langen Vertragslaufzeiten. Auf der anderen Seite bezieht er optimal flexible Nachfrager, Speicher und Innovationen ein und ist damit eine sehr technologieneutrale Ausgestaltungsoption.
Er kann Unsicherheiten bei der Zukunftsprognose und die vielschichtigen Veränderungen „auf der Wegstrecke“ am besten adressieren, indem er auf das dezentrale Wissen der energiewirtschaftlichen Akteure und Verantwortlichen vor Ort setzt. Der KKM ist mischfinanziert, weil nur die Kosten der zentralen Ausschreibung per Umlage zu finanzieren sind. Die Umlage wird durch den kombinierten Ansatz deutlich reduziert gegenüber dem ZKM. Die Kosten im dezentralen Segment (insb. die, die über die Selbsterbringung hinaus gehen), können wiederum im wettbewerblichen Umfang zu einem Anstieg der Strombeschaffungskosten führen.
Handlungsfeld 3: Lokale Signale
Handlungsfeld 3 befasst sich mit dem Zusammenspiel aus Markt und Netz in einem Stromsystem der Zukunft mit sehr hohen Anteilen erneuerbarer Energien. Mit einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien und einer zunehmenden Anzahl flexibler Stromverbraucher wird es immer wichtiger, wann und wo wir Strom erzeugen und verbrauchen und wie dies intelligent mit dem Netz koordiniert wird.
Kernaussage zu Handlungsfeld 3 ist, dass der Netzausbau die strukturelle Antwort bleibt, um Windund PV-Strom in Deutschland verteilen, es aber nicht effizient ist, das Netz bis zum letzten „kW“ auszubauen. Der Netzausbau und Redispatch allein können die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern. Irgendeine Form von lokalen Signalen wird ergänzend hinzukommen müssen. Das war auch die Kernaussage der Stakeholder in der PKNS, wenngleich es über das „wie“ sehr viele verschiedene Ansichten gibt.
Es bedarf zukünftig eines Dreiklangs:
- Die deutliche Beschleunigung des Netzausbaus,
- ein leistungsfähiger und sicherer Redispatch zumindest als Kurzfrist- und Übergangsmaßnahme,
- lokale Signale, die Anreize für Netzdienlichkeit bei Erzeugern, Verbrauchern und Speichern setzen, ergänzt durch aktive netzorientierte Steuerungsmöglichkeiten.
Folgende Optionen für lokale Signale, die auch miteinander kombiniert werden können, werden daher im vorliegenden Papier diskutiert:
- Zeitlich/regional differenzierte Netzentgelte (Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Zuständigkeit für die Einführung und Ausgestaltung von Netzentgelten bei der unabhängigen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, liegt.)
- Regionale Steuerung in Förderprogrammen
- Einbindung von Lasten in den Redispatch
Die Optionen unterscheiden sich sowohl in ihrer Wirkweise als auch im Adressatenkreis. So wirken einige der Optionen in erster Linie auf die Investitionsentscheidung („Regionale Steuerung“), andere eher auf die Verbrauchs-/Dispatchentscheidung („Zeitlich/regional differenzierte Netzentgelte“). Einige der Optionen zielen eher auf die Verbraucherseite („Flexible Lasten im Engpassmanagement“, „Zeitlich/regional differenzierte Netzentgelte“), andere adressieren auch die Erzeugungsseite („Regionale Steuerung“).
Eine objektive Diskussion zum Thema Strommarkt der Zukunft und lokale Signale ist nicht möglich, ohne sich mit den Chancen und Herausforderungen einer Gebotszonenneukonfiguration zu befassen. Das Thema wurde deshalb auch in der PKNS intensiv diskutiert. Das Papier stellt die Vor- und Nachteile in einem Exkurs dar. Aufgrund der Herausforderungen wird eine Gebotszonenkonfiguration vom BMWK jedoch nicht als Option gesehen.
Handlungsfeld 4: Flexibilität
Flexibilität wird zum neuen Markenzeichen in einem treibhausgasneutralen Stromsystem. Das führt zu einem Paradigmenwechsel. Im Kern geht es darum, dass flexible Verbraucher auf der Nachfrageseite und – als Back-up – flexible steuerbare Stromerzeuger auf der Angebotsseite zukünftig die variable Stromerzeugung aus Wind und PV optimiert nutzen und ausgleichen. Insbesondere Elektromobile, Wärmepumpen, Elektrolyseure, Speicher und bestimmte Teile industrieller Prozesse können kurzfristig auf Schwankungen in der Stromerzeugung reagieren. Durch die Verschiebung der Nachfrage werden letztlich auch Preiskurven geglättet und dadurch die Marktwerte der Erneuerbaren verbessert. Die nachfrageseitige Flexibilität hat also einen Vierfachnutzen:
- Jedermann kann von günstigen Strompreisen in Zeiten von viel Wind- und PV-Strom profitieren,
- die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wird erhöht,
- Versorgungssicherheit wird günstiger gewährleistet und
- die Integration der EE und von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wird optimiert.
Aktuell bestehen aber eine Reihe von Hemmnissen, insbesondere für die Integration und Nutzung der nachfrageseitigen Flexibilitäten. Sie verhindern, dass Marktakteure Flexibilitätspotenziale erschließen und entsprechend in Flexibilisierung investieren. Das Papier stellt den Abbau dieser Hemmnisse daher als zentrale Maßnahme für das klimaneutrale Stromsystem dar.
Es hebt drei zentrale Aktionsfelder hervor:
- Preisreaktionen ermöglichen – zeitvariable und innovative Tarifmodelle umsetzen,
- Netzentgeltsystematik flexibilitätsfördernd anpassen,
- industrielle Flexibilität ermöglichen, individuelle Netzentgelte reformieren.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Zuständigkeit für die Einführung und Ausgestaltung von Netzentgelten ausschließlich bei der unabhängigen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, liegt. Diese hat am 24. Juli 2024 bereits ein Verfahren zur Setzung systemdienlicher Anreize durch ein Sondernetzentgelt für Industriekunden eingeleitet.
Die genannten Aktionsfelder stellen noch keine konkreten Maßnahmen dar, sondern beschreiben zunächst den Handlungsbedarf. Das BMWK schlägt daher die Entwicklung einer koordinierten Flexibilitäts- Agenda vor, um den weiteren Abbau von Flexibilitätshemmnissen strukturiert anzugehen. Rückforderungsmechanismus („Claw-Back“) abzuschöpfen sind.
Derzeit favorisiert das BMWK einen Kombinierten Kapazitätsmarkt (KKM). Ein KKM ist ein dezentraler Kapazitätsmarkt kombiniert mit einer zentralen Komponente für besonders kapitalintensive steuerbare Kapazitäten mit längeren Refinanzierungshorizonten.
Er vereint die Vorteile von ZKM und DKM/KMS, da er die vielfach die „neue Welt“ in einem von erneuerbaren Energien und Flexibilität geprägten Stromsystem besonders gut adressieren kann. Der KKM gibt auf der einen Seite besonders kapitalintensiven Investitionen mit langen Refinanzierungshorizonten, für die das Problem der Fristeninkongruenz besteht, fokussiert langfristige Investitionssicherheit durch zentrale Ausschreibungen mit langen Vertragslaufzeiten. Auf der anderen Seite bezieht er optimal flexible Nachfrager, Speicher und Innovationen ein und ist damit eine sehr technologieneutrale Ausgestaltungsoption.
Er kann Unsicherheiten bei der Zukunftsprognose und die vielschichtigen Veränderungen „auf der Wegstrecke“ am besten adressieren, indem er auf das dezentrale Wissen der energiewirtschaftlichen Akteure und Verantwortlichen vor Ort setzt. Der KKM ist mischfinanziert, weil nur die Kosten der zentralen Ausschreibung per Umlage zu finanzieren sind. Die Umlage wird durch den kombinierten Ansatz deutlich reduziert gegenüber dem ZKM. Die Kosten im dezentralen Segment (insb. die, die über die Selbsterbringung hinaus gehen), können wiederum im wettbewerblichen Umfang zu einem Anstieg der Strombeschaffungskosten führen.
Der Abbau von Hemmnissen für Flexibilität bewirkt zum einen, dass erneuerbare Energien sinnvoll genutzt statt abgeregelt werden können und sich die Markterlöse der Erneuerbaren verbessern. Zum anderen vermeidet Flexibilität ein ineffizientes „Übersteuern“ im Kapazitätsmechanismus. Umgekehrt würde eine Nichtberücksichtigung von Flexibilität im Kapazitätsmechanismus deren Marktumfeld verschlechtern, da andere Kapazitäten in den Markt kommen.
Schließlich weisen die Optionen zur zukünftigen Finanzierung erneuerbarer Energien und steuerbarer Kapazitäten zunehmend größere Parallelitäten auf. Dies lässt erkennen, dass sich eine neue, gemeinsame Philosophie für ein Marktdesign entwickeln wird, deren Kern eine kosteneffiziente Refinanzierung von Fixkosten durch eine geeignete Absicherung von Investitionsrisiken darstellt.
Konsultation Das BMWK eröffnet interessierten Stakeholdern die Möglichkeit, sich bis zum 28. August 2024 an der schriftlichen Konsultation dieses Optionenpapiers zu beteiligen. Nähere Informationen finden sich in Kapitel 5. Es ist geplant, die Ergebnisse der Konsultation im Rahmen einer Sitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem nach den Sommerferien vorzustellen.
Die Bundesregierung wird im Herbst eine Entscheidung zur Form des Kapazitätsmechanismus für steuerbare Leistung (Handlungsfeld 2) treffen und hat sich in der Wachstumsinitiative vorgenommen, im Oktober erste Eckpunkte in diesem Sinne zu beschließen. Wechselwirkungen zwischen den vier Handlungsfeldern Bei der weiteren Diskussion der Handlungsfelder sowie möglicher politischer Entscheidungen ist zu beachten, dass es vielfältige und komplexe Wechselwirkungen zwischen den Handlungsfeldern gibt.
Insbesondere Flexibilität und lokale Signale interagieren stark miteinander und mit den übrigen Handlungsfeldern. So führen lokale Signale sowohl bei erneuerbaren Energien wie auch bei steuerbaren Kapazitäten dazu, dass die Standortwahl bei Neuinvestitionen möglichst systemdienlich erfolgt und zur Senkung der Redispatchkosten beitragen kann. Darüber hinaus unterstützen lokale Signale, dass Flexibilitätsoptionen passend zu der aktuellen Netzsituation eingesetzt werden.
Der Abbau von Flexibilitätshemmnissen ist eine Querschnittsaufgabe – ohne Flexibilisierung werden andere Marktdesignoptionen deutlich teurer. Der Abbau von Hemmnissen für Flexibilität bewirkt zum einen, dass erneuerbare Energien sinnvoll genutzt statt abgeregelt werden können und sich die Markterlöse der Erneuerbaren verbessern. Zum anderen vermeidet Flexibilität ein ineffizientes „Übersteuern“ im Kapazitätsmechanismus. Umgekehrt würde eine Nichtberücksichtigung von Flexibilität im Kapazitätsmechanismus deren Marktumfeld verschlechtern, da andere Kapazitäten in den Markt kommen.
Schließlich weisen die Optionen zur zukünftigen Finanzierung erneuerbarer Energien und steuerbarer Kapazitäten zunehmend größere Parallelitäten auf. Dies lässt erkennen, dass sich eine neue, gemeinsame Philosophie für ein Marktdesign entwickeln wird, deren Kern eine kosteneffiziente Refinanzierung von Fixkosten durch eine geeignete Absicherung von Investitionsrisiken darstellt.
Konsultation
Das BMWK eröffnet interessierten Stakeholdern die Möglichkeit, sich bis zum 28. August 2024 an der schriftlichen Konsultation dieses Optionenpapiers zu beteiligen. Nähere Informationen finden sich in Kapitel 5. Es ist geplant, die Ergebnisse der Konsultation im Rahmen einer Sitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem nach den Sommerferien vorzustellen.
Die Bundesregierung wird im Herbst eine Entscheidung zur Form des Kapazitätsmechanismus für steuerbare Leistung (Handlungsfeld 2) treffen und hat sich in der Wachstumsinitiative vorgenommen, im Oktober erste Eckpunkte in diesem Sinne zu beschließen.
->Quellen: