Weltenergieverbrauch 2023: Energiewende?

Neue Rekorde bei allen fossilen Energieträgern – und die Erde wird weiter aufgeheizt

Der Weltenergieverbrauch 2023 geht im gleichen Stil weiter, dem „Stil einer energetisch fossil dominierten Welt“, schreiben Josef Jenni und Christian Moser am 13.08.2024 im Schweizer Energie-Portal ee-news.ch. Dies zeigten die vom “Energy Institute Statistical Review of World Energy” kürzlich publizierten Weltenergiezahlen 2023. Entsprechend hätten die Kohlendioxid-Emissionen mit zusätzlichen 532 Millionen Tonnen einem neuen Rekordwert erreicht. Denn die kontinuierliche Zunahme des in der Atmosphäre eingelagerten langlebigen CO2 gehe ungebremst weiter. Und schließlich sei noch nie so viel Methan in die Atmosphäre entlassen worden wie 2023, ein Zuwachs von 5.5%.

Dampf, Rauch und CO2 im Berliner Nordwesten – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Fazit der Autoren: „Die zusätzliche Aufheizung der Erde werden wir noch mehrfach und vielgestaltig zu spüren bekommen. Wer heute Wachstum verlangt oder wünscht, votiert für noch mehr Treibhausgase.“

Erneuerbare Energien, so sei es angedacht, sollten dereinst die fossilen als dominierende Energieträger ablösen. Doch so weit sei es noch lange nicht. Bei der Wasserkraft habe sich das moderate Wachstum früherer Jahre nun auf einem gewissen Level eingependelt; Solar- und Windenergie verzeichneten zwar rein rechnerisch stattliche Wachstumsraten auch im Jahr 2023 mit 24.2 bzw.10.3%, aber der Anteil aller Erneuerbaren Energien an der Primärenergieproduktion betrage nur 13.2%. Die 2023 mit Erneuerbaren Energien produzierten zusätzlichen Energiemengen werde von der zusätzlichen fossilen Energie um das Zweieinhalbfache übertroffen. Die bisherigen jährlichen Wachstumsraten der Erneuerbaren vorausgesetzt, würde es 62 Jahre dauern, bis fossile und Erneuerbare Energieträger ein Verhältnis von 50:50 erreicht haben.

Aus all dem ergibt sich laut der Schlussfpögerung der Autoren ein eindeutiges Fazit:

  • Entgegen allem schönen Gerede und hehren Absichten nimmt die Inanspruchnahme von fossilen Energieträgern immer noch zu, und dies in einem bedenklichen Ausmass.
  • Die Bemühungen um die Förderung von Erneuerbaren Energien müssen entschiedener verstärkt werden.
  • Vom bestehenden Wachstumsparadigma sollten wir uns so schnell wie möglich verabschieden. Permanentes Wachstum hat keine, oder noch schlimmer, eine falsche, eine fatale Zukunft.
  • Die herrschende Energieverschwendung muss nicht nur rhetorisch, sondern durch entsprechende auch staatliche Massnahmen konsequent unterbunden werden.
  • Es braucht ein einschneidendes grundsätzliches Umdenken verbunden mit der Bereitschaft zum Verzicht.

7x grösser als der Durchschnitt

Jenni/Moser: „Der Klimawandel mit der sukzessiven Erwärmung der Atmosphäre, des Festlands und der Meere ist eine unbestreitbare Tatsache, mit all ihren Konsequenzen. Deshalb sind die globalen Aspekte von Bedeutung. Die Klimaerhitzung findet auf globaler Ebene statt. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die Schweiz mit ihrer flächenmäßigen Kleinheit kaum irgendeinen Einfluss hat. Mit einer Fläche von 41291 km2 ist die Schweiz der 3619. Teil der Landfläche der Erde. Aber ihr Primärenergieverbrauch ist 7mal größer als der Durchschnitt dieser 3619 Teile.“

Mit Bezug auf einzelne der vorangehend angesprochenen Aspekte könnten für das Jahr 2023 die folgenden weiteren Feststellungen gemacht werden:

Primärenergieverbrauch

Beunruhigend sei, wie, abgesehen von vorübergehenden kleineren Abweichungen, der Energieverbrauch ungebremst linear zunimmt. Markant seien jedoch die Unterschiede in den verschiedenen Erdregionen. Fast die Hälfte entfalle auf Südostasien und Australien, mit China, Indien, Japan und Südkorea als den Haupttreibern. Afrika dagegen habe nur 3.4% des gesamten Weltenergieverbrauchs zu verantworten.

Der einzige deutliche Rückgang sei für Europa zu verzeichnen (12.6% des Welttotals). Bei einer Betrachtung über die vrtgangenen 25 Jahre hinweg fällt auf, dass Nordamerika und Europa fast im Gleichschritt auf ihrem Level verblieben bzw. den Verbrauch leicht reduziert hätten, während die Zunahme in Südostasien exponenziell verlaufe. Etwas differenziert stelle sich der Vergleich des Primärenergieverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung dar. Hier habe die Bevölkerungszahl einen großen Einfluss. Mit Abstand an der Spitze stehen hier Staaten wie Island, Singapur, die Vereinigten Arabischen Emirate, Trinidad & Tobago, Kuwait, Kanada, Norwegen, Saudi-Arabien, die USA, Südkorea, Australien, Schweden, Finnland, Neuseeland und Russland. Unter dem Aspekt der Erdteile ist es nach wie vor Nordamerika, das mit Abstand den größten Verbrauch pro Kopf aufweist, 16mal mehr als Afrika. Die Schweiz weist immer noch einen leicht höheren Wert als China auf.

CO2-Eintrag durch energetische Prozesse in die Atmosphäre

2023 seien 35.130 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch energetische Prozesse in die Atmosphäre emittiert worden. Bei einem Vergleich mit den Werten des Primärenergieverbrauchs mit Bezug auf die jährlichen Zu- und Abnahmen erweise sich, dass die Entwicklung grosso modo fast deckungsgleich erfolgt, was die Kausalität eindeutig mache. 53,7% des CO2-Eintrags erfolge in den Ländern Südostasiens, wobei China 31,9% des Weltverbrauchs beisteuere, während die Werte für Europa sukzessive rückläufig seien (10.1% des Welttotals). Der Wert der Schweiz verharre auf dem Niveau der drei Vorjahre.

  • Erdöl
    Beim Erdöl liege die auf den ersten Blick etwas paradoxe Situation vor, dass der Prozentanteil des Erdöls unter den Energieträgern noch nie so niedrig gewesen sei wie im Jahre 2023 (30,0%), gleichzeitig aber eine neue Rekordfördermenge realisiert worden sei.
  • Erdgas
    Die Erdgasförderung hat im Berichtsjahr weiter zugenommen, allerdings nicht im Ausmaß vieler Vorjahre.
  • Kohle
    Der Kohleboom geht uneingeschränkt weiter: im Berichtsjahr wurden erstmals über 9 Milliarden Tonnen gefördert.

Nichtfossile Energieträger

Der Prozentanteil nichtfossiler Energieträger habe sich seit 2000 bis heute von rund 13 auf rund 17 Prozent, derjenige von Erneuerbaren Energieträgern (d.h. ohne Nuklearenergie) im gleichen Zeitraum von rund 7 auf rund 13 Prozent entwickelt. Die Menge Erneuerbarer Energien konnte im Jahr 2023 wiederum beachtlich gesteigert werden (Sonne plus 24,2%, Wind plus 10,35%, Wasserkraft allerdings erlitt ein Minus von 1,9%). Allein diese Zahlen sind ein klares Indiz, dass größere Anteile von Erneuerbaren Energieträgern sowie die aktuellen Wachstumsraten allein nicht ausreichen werden, um in absehbarer Zeit eine tatsächliche Energiewende herbeizuführen.

Erderwärmung steigt weiter

Unaufhaltsam habe der Anteil an atmosphärischem CO2 mit 421.08 ppm einen neuen Rekordstand erreicht; solange nicht entschiedener gegengesteuert werde, wiederhole sich das Jahr für Jahr. Die Haupttreiber seien derzeit weiterhin die Staaten Süd- und Ostasiens; Nordamerika und Europa stagnierten, hätten aber immer noch eine größere „historische Schuld“ als andere Erdteile, weil das CO2 sehr lange in der Atmosphäre verbleibt. Um den Treibhauseffekt und die Erderwärmung tatsächlich zu stoppen, wäre ein entschiedeneres Umdenken erforderlich. Zu beachten sei, dass der Umfang des atmosphärischen CO2 nicht nur durch den Verbrauch fossiler Energieträger zunehme, sondern mit den durch die Erderwärmung hervorgerufenen Veränderungen wie dem Auftauen des nördlichen Permafrostgürtels zusätzlich angetrieben werde. Jede weitere Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur könne rückkoppelnde Entwicklungen auslösen wie im Falle des Auftauens von arktischen Böden, die doppelt so viel CO2 enthielten wie sich derzeit in der Atmosphäre befinde, eine Menge, die dann sukzessive freigesetzt werde. Zu wenig im Bewusstsein ist, dass die maximale Entfaltung der Treibhauswirkung von CO2 ungefähr 10 Jahre nach der Freisetzung erfolgt und dieses eine Verweildauer in der Atmosphäre von weit über 100 Jahren hat.

Ein grundsätzliches Umdenken muss jetzt erfolgen, mit den vorliegenden bekannten und bewährten technischen Verfahren. Das Spekulieren auf neue und bloss gedanklich konzipierte Verfahren, deren Realisation noch aussteht und allenfalls noch Jahre oder Jahrzehnte dauern wird und deren Nebenwirkungen unterschätzt oder sogar unterschlagen werden, bringt uns nicht weiter. Solche „Lösungen“ dienen vielfach bloss als Rechtfertigung, jetzt noch nicht handeln zu müssen. Wollen wir tatsächlich Effekte in Richtung einer ökologisch und energetisch nachhaltigeren Welt erzielen, können wir dies letztlich nur mit mehr Bescheidenheit erreichen, mehr Bescheidenheit generell als Lebenshaltung wie auch in unseren Ansprüchen als Konsumentinnen und Konsumenten.

Wenn die Entwicklung weiter so verläuft, wie dies in den vergangenen Jahren der Fall war, so werde 2024 die Kohle wieder zur dominierenden Energiequelle avancieren. Dies ist ziemlich das Gegenteil dessen, was im globalen Maßstab eigentlich angestrebt war. Es ist einerseits Ausdruck des Scheiterns der bisherigen Strategien bedingt durch den fehlenden Willen für tatsächliche Veränderungen, andererseits sollte allein dies ein Signal sein zu einem entschiedeneren Handeln.

Change by Design“ oder „Change by Disaster“

Letztlich stehen wir vor zwei grundsätzlichen Alternativen, die im Englischen mit den Worten „change by design“ und „change by disaster“ umschrieben werden. Dies heisst: entweder eine gewollte, geplante, kontrollierte und bewusst angegangene Transformation oder das unkontrollierbare Überwältigtwerden durch katastrophale Ereignisse (Umwelt, Kriege). Bezeichnend ist, dass in den letzten 40 Jahren der Primärenergieverbrauch und der CO2-Eintrag in die Atmosphäre nur in zwei Jahren abgenommen haben: 2009 und 2020, bedingt durch die Auswirkungen der Finanz- und der Pandemiekrise.

Originaltext: Josef Jenni, International anerkannter Solarpionier und Energiefachmann; El. Ing. HTL, Gründer und Geschäftsführer Jenni Energietechnik AG, Oberburg BE, Christian Moser, Lic.phil.nat. (dipl. Geograph)/Politologe

->Quellen: