Mission Klima – Lösungen für die Krise

Krankenhäuser als Treibhausgasquelle: Beispiel Charité

„Die Klimakrise ist da und zwar mit voller Wucht“, sagt NDR-info am 23.08.2024. Die bekanntesten Übeltäter Flug-, Schiff- und Autoverkehr sind zwar die größten CO2-Produzenten des Planeten. Allerdings stoßen auch andere wesentliche Branchen enorme Mengen an Treibhausgasen aus – wie etwa das Gesundheitssystem – etwa 5 % der deutschen Klimagasemissionen sind dem Gesundheitssektor zuzurechnen. Medizinische Einmalgebrauchsprodukte in Krankenhäusern bilden zudem einen großen Anteil am Gesundheitsabfall. Größere Krankenhäuser können es in der CO2-Produktion mit Kleinstädten aufnehmen.

Charité Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Weltweit ist das Gesundheitswesen für 4,4 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich – in Deutschland sogar für 5,2 Prozent. Der Berliner Charité-Campus selbst ist mit rund 22.000 Mitarbeitern so groß wie eine eigene Stadt – mit einem vergleichbaren ökologischen Fußabdruck. Obwohl die CO2-Bilanz der Charité verhältnismäßig hoch ist, wären rund ein Drittel der Emissionen vermeidbar. Das beginnt bei den Gebäuden des Krankenhauskomplexes. Mit Gebäudesanierungen, Klimaanlagen und Wärmepumpen ließe sich viel Energie sparen.

Das Müllproblem ist schwieriger zu lösen. Gut 10.000 Tonnen produziert das Krankenhaus davon im Jahr – nicht zuletzt aufgrund seiner Größe, den hohen Kapazitäten und verschiedenen Leistungen, welche die Charité anbietet. Dass viel Einwegmüll in medizinischen Einrichtungen anfällt, dürfte keine Überraschung sein. Hier kann Klimafreundlichkeit durch Mülltrennung erreicht werden: Statt jeglichen Abfall als Restmüll zu sammeln und zu verbrennen, wird nun zunehmend sortiert, damit Plastik, Papier und Metalle nicht zusammen entsorgt werden.

Eines der schädlichsten Klimagase, das Krankenhäuser freisetzen, kam bisher bei Operationen zum Einsatz: das Narkosemittel Desfluran. Es wird den Patienten während der OP durch einen Verdampfer und eine Atemmaske verabreicht und anschließend durch ein Abluftsystem an die Außenluft abgegeben. Desfluran ist als Treibhausgas mehr als 2.000-mal wirksamer als CO2.

Die atmosphärische Lebensdauer von Desfluran beträgt 14 Jahre, die Emissionen lagen 2015 bei (geschätzt) 960 Tonnen pro Jahr. Desfluran schädigt nach Entweichen in die Atmosphäre die Ozonschicht und schneidet mit Abstand am schlechtesten ab als andere Narkosegase. Sein Treibhauspotential ist 2540 (d. h. es trägt 2540-mal so viel zum Treibhauseffekt der Erde bei wie eine gleiche Menge CO2); obendrein muss für die Erreichung bzw. Aufrechterhaltung einer bestimmten Narkosetiefe erheblich mehr Desfluran als Sevofluran zugeführt werden (MAC-Wert 6,0 bzw. 2,1 %), was die Umweltbilanz weiter verschlechtert. Aus diesem Grund ist der Einsatz des Wirkstoffs in der Anästhesie zunehmend in die Kritik geraten; mehrere deutsche Kliniken haben inzwischen Konsequenzen gezogen und den Stoff aus dem Tagesbetrieb ihrer Anästhesieabteilungen ganz oder teilweise verbannt. In Schottland ist die Verwendung von Desfluran bis auf wenige Ausnahmefälle seit März 2023 ganz verboten. In der Geschichte der Medizin stellen solche Entwicklungen insofern ein Novum dar, als ein Medikament weder aus (unmittelbar) medizinischen noch aus finanziellen, sondern ausschließlich aus Klimaerwägungen für obsolet erklärt wurde. Im neuen Entwurf der EU-Verordnung über fluorierte Treibhausgase („F-Gas-Verordnung“) ist vorgesehen, die Verwendung von Desfluran ab dem 01.01.2026 zu verbieten. (de.wikipedia.org/Desfluran)

Eine siebenstündige Operation mit Desfluran ist etwa so schädlich wie zwanzig Mal mit dem Auto von Berlin nach Rom zu fahren. Laut der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie finden hierzulande pro Jahr rund 17 Millionen OP mit Narkosen statt. Viele von ihnen mit Desfluran.

Als Ausweg könnte auf volatile Anästhetika verzichtet werden, also auf alle Narkosemittel, die über Einatmung als Gase oder Dämpfe aufgenommen werden. Die Alternative ist die totale intravenöse Anästhesie (TIVA), bei der dem Patienten Schlaf- und Schmerzmittel ausschließlich über die Blutbahn zugeführt werden.

Einzelne Krankenhäuser und Einrichtungen arbeiten schon heutzutage mit Narkosegasfiltern, die das schädliche Gas aus der Luft filtern. Allerdings ist die Technik noch nicht ausgereift und verbreitet genug, um Desfluran und Co. zu einer klimafreundlichen Narkoseoption zu machen.

Die Krankenhäuser wissen natürlich um ihr Problem. Daher werden immer wieder neue Initiativen ins Leben gerufen oder Absichtserklärungen von medizinischen Einrichtungen abgegeben, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verbessern. So auch das Charité. Bereits 2018 hatten sich deren Verantwortliche das Ziel gesetzt, die Emissionen bis 2026 um zwanzig Prozent zu senken.

Aber die Klimabilanz soll sich weiter verbessern. Und deshalb hat die Charité einen Nachhaltigkeitsmanager. Sein Name: Jannis Michael. Er ist eher eine Seltenheit im Gesundheitswesen. Denn bislang haben nur 30 Prozent der Kliniken einen Klimaschutz-Manager oder einen Nachhaltigkeitsbeauftragten. Das hat eine aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhaus-Instituts und der Techniker Krankenkasse ergeben. Überhaupt erfassen nur 20 Prozent der Häuser konkret ihre CO2-Emissionen. Und nur 20 Prozent haben eine Leitlinie für einen nachhaltigen Einkauf erstellt.

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