4.090mal klimaschädlicher als CO2

Containerbegasung mit Sulfuryldifluorid

Stefan Fuchs weist in der Schwäbischen Zeitung vom 30.08.2024 auf die Diskussion über Sulfuryldifluorid, (auch Sulfurylfluorid) hin, ein farb- und geruchloses giftiges Gas mit hohem Treibhauspotenzial, das zur Schädlingsbekämpfung unter anderem in Überseecontainern eingesetzt wird. Die Praxis der Containerbegasung geht mit hohen Emissionen in die Atmosphäre einher, die einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf das Weltklima haben.

Warnzeichen W016 – Warnung vor giftigen Stoffen – © MaxxL, gemeinfrei

Sulfuryldifluorid findet etwa seit 2000 breite Anwendung als Pflanzenschutzmittel und Biozid. Dabei dient es als Ersatz für den ozonschichtschädigenden Stoff Methylbromid, dessen Verwendung durch das Montrealer Protokoll weltweit stark begrenzt wurde. Zwar schädigen Emissionen von Sulfuryldifluorid im Gegensatz zu Methylbromid nicht die Ozonschicht. Sulfuryldifluorid hat aber hohes Treibhauspotenzial: Eine Tonne emittiertes Sulfuryldifluorid ist, gemäß dem Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats, auf 100 Jahre gesehen so klimaschädlich wie 4.090 Tonnen CO2 (andere Quellen: 4780). Anhand von Atmosphärenmessungen lässt sich etwa seit dem Jahr 2000 mit der Abnahme der Konzentration an Methylbromid gleichzeitig eine stetige Zunahme der Hintergrundkonzentration des Ersatzstoffes Sulfuryldifluorid feststellen.

Die Hoffnungen in das 1902 von den französischen Chemikern Henri Moissan und Paul Lebeau durch Erhitzen eines Gasgemischs aus Schwefeldioxid und Fluor mittels eines stromdurchflossenen Platindrahtes erstmals hergestellte Sulfuryldifluorid waren einst groß. So groß, dass es das 2006 verbotene und die Ozonschicht schädigende Methylbromid ablösen sollte. Das Umweltbundesamt kam noch 2007 zum Ergebnis, dass die klimaschädliche Wirkung wegen der geringen Mengen zu vernachlässigen sei. (schwaebische.de/warum-holz-nicht-immer-klimafreundlich-ist)

Sulfuryldifluorid wird als Begasungsmittel weltweit beispielsweise für die Bekämpfung von Lebensmittel- und Holzschädlingen verwendet, etwa für Gebäude wie Kirchen oder für Lebensmittel wie Trockenobst, Nüsse und Getreide. Aufsehen erregte in den letzten Jahren vor allem die zunehmende Verwendung zur Begasung von Stammholz in Überseecontainern. Einfuhrländer fordern häufig die Begasung von Exportholz vor der Ausfuhr als Voraussetzung für den Import. Dies soll verhindern, dass Ökosysteme durch die Einfuhr neuer Arten, zum Beispiel von Borkenkäfern, gestört werden.

Ansteigende Emissionen

Entsprechend der gängigen Begasungspraxis werden die Container nach erfolgter Begasung durch Öffnen der Türen belüftet. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die gesamten verwendeten Begasungsmengen direkt in die Atmosphäre entweichen. Aufgrund trockener Sommer und starken Borkenkäferbefalls nahm der Export von sogenanntem Kalamitätsholz über europäische und deutsche Überseehäfen wie Hamburg seit 2018 stark zu. Dies spiegelte sich in erheblichen Sulfuryldifluorid-Emissionen wider.

Rechtliche Situation und Berichterstattung

Sulfuryldifluorid ist auf Basis der EU-Verordnungen Nr. 1107/2009 (Pflanzenschutzmittelverordnung) und Nr. 528/2012 (Biozid-Verordnung) für die Verwendungen als Biozid und Pflanzenschutzmittel in der EU zugelassen. Entsprechend der Vorgaben des Pflanzenschutzgesetzes sind Hersteller, Vertreiber und Importeure verpflichtet, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) jährlich die Mengen an Sulfuryldifluorid für Pflanzenschutzanwendungen zu melden, die in Deutschland abgegeben und exportiert werden.

EU: In der am 11. März 2024 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2024/573 über fluorierte Treibhausgase ist Sulfuryldifluorid als geregelter Stoff in Anhang II Gruppe 3 aufgenommen worden. Damit verbunden sind eine ab 1. Januar 2025 geltende Kennzeichnungspflicht für Behälter, die Sulfuryldifluorid enthalten (Artikel 12) sowie Berichtspflichten für Unternehmen, die dieses Gas ab dem Kalenderjahr 2024 herstellen, importieren, exportieren, zerstören oder aufarbeiten (Artikel 26). Nach Artikel 4 der Verordnung gibt es auch eine Verpflichtung zur Vermeidung von Emissionen: die absichtliche Freisetzung von fluorierten Treibhausgasen in die Atmosphäre ist verboten, sofern diese Freisetzung für die vorgesehene Verwendung nicht technisch notwendig ist. Im Falle der Begasung mit Sulfuryldifluorid müssen Betreiber die Maßnahmen zum Auffangen und Sammeln dokumentieren oder Gründe angeben, aus denen mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen technisch oder wirtschaftlich nicht durchführbar waren.

In Deutschland sind Vorschriften zur Verwendung von akut toxischen Begasungsmitteln für Containerbegasung in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) von 2021 festgeschrieben. Diese Verwaltungsvorschrift regelt die Umsetzung des Bundes-Immissionsschutzgesetztes (BImSchG) für Genehmigungs- und Überwachungsbehörden. Sie schreibt für die Genehmigung neuer Begasungsanlagen ab 01. Dezember 2021 die Abscheidung von Sulfuryldifluorid aus der Containerabluft vor. Bei Altanlagen sind entsprechende Technologien bis zum 01. Dezember 2026 nachzurüsten. Wegen der international zunehmenden Bedeutung von Sulfuryldifluorid als Treibhausgas berichtet Deutschland seit 2021 die Sulfuryldifluorid-Emissionen freiwillig im Nationalen Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar.

2023 wurden in Deutschland etwa 151 Tonnen des Gases für die Holzbegasung eingesetzt – damit ist Sulfuryldifluorid für knapp 0,1 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich.(schwaebische.de/warum-holz-nicht-immer-klimafreundlich-ist)

Emissionsminderung

Die Begasung von Überseecontainern mit Sulfuryldifluorid ist international als effektives Verfahren zur Vermeidung der Einfuhr von Schädlingen anerkannt. In Deutschland ist Sulfuryldifluorid derzeit der einzige für den Vorratsschutz bei Laub- und Nadelhölzern zugelassene Pflanzenschutzmittelwirkstoff.

Eine Minderung der Sulfuryldifluorid-Emissionen ist perspektivisch über zwei Wege möglich:

  1. Zum einen durch die Entwicklung von Gasabscheidern, welche die Abluft nach der Begasung von Sulfuryldifluorid reinigen. Allerdings ist bislang noch kein geeigneter Gasabscheider marktverfügbar.
  2. Zum anderen durch die Zulassung international anerkannter Ersatzverfahren. So wird beispielsweise die Eignung und Genehmigung von alternativen Begasungsmitteln, wie den giftigen und brennbaren Gasen Monophosphan (PH3) oder Ethandinitril (Dicyan), als Ersatz für Sulfuryldifluorid geprüft. Darüber hinaus existieren auch Verfahren, die ganz ohne den Einsatz giftiger Gase auskommen, wie beispielsweise die thermische Behandlung von Stammholz in Wärmekammern. Hier ist allerdings mit hohem Energieverbrauch zu rechnen, dessen Treibhausgas-Bilanz ebenfalls in eine Bewertung einfließen sollte. Generell hängt die Nutzung von Ersatzverfahren aber vor allem von der Anerkennung durch die Einfuhrländer ab.

Die Wirksamkeit zugelassener sowie alternativer und klimaneutraler Pflanzenschutzmaßnahmen für den Rundholzimport und -export wird aktuell im Forschungsvorhaben „KLIMAtiv“ untersucht. Das im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms 2022 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanzierte Projekt läuft bis Ende 2025.

->Quellen: