Die Energiewende braucht innovative Speicherlösungen für überschüssigen Strom. Eine deutsch-amerikanische Kooperation testet eine vielversprechende Technologie mit großen Betonkugeln auf dem Meeresgrund. Die Ergebnisse könnten weltweit richtungsweisend sein.
Deutsch-amerikanische Zusammenarbeit bringt Tiefseespeicher voran
Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) entwickelt ein Unterwasser-Energiespeichersystem namens StEnSea (Stored Energy in the Sea). Die Technologie basiert auf der Idee, überschüssige Energie mithilfe riesiger Betonkugeln auf dem Meeresboden zu speichern. Nun wird ein Prototyp vor der kalifornischen Küste bei Long Beach in einer Tiefe von 500 bis 600 Metern getestet. Bis Ende 2026 soll der Prototyp in Betrieb gehen und Erkenntnisse für eine großflächige Nutzung liefern.
„Diese Partnerschaft ist ein wichtiger Schritt für die Kommerzialisierung des Systems“, erklärt Dr. Bernhard Ernst, Projektleiter am Fraunhofer IEE.
Die Betonkugeln haben einen Durchmesser von neun Metern, wiegen 400 Tonnen und nutzen den natürlichen Wasserdruck der Tiefsee. Das Fraunhofer IEE arbeitet mit dem US-Start-up Sperra, spezialisiert auf 3D-Betondruck, und Pleuger Industries, einem deutschen Hersteller von Unterwasser-Motorpumpen, zusammen. Finanziell unterstützt wird das Projekt mit 3,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie rund vier Millionen US-Dollar vom amerikanischen Energieministerium.
So funktioniert das System: Energie speichern in der Tiefsee
Die StEnSea-Technologie überträgt das Prinzip von Pumpspeicherkraftwerken in die Tiefsee. Bei diesen klassischen Anlagen wird überschüssiger Strom genutzt, um Wasser in ein höher gelegenes Becken zu pumpen. Die potenzielle Energie des gespeicherten Wassers wird durch die Höhe erzeugt, die bei Bedarf genutzt wird, indem das Wasser durch Turbinen zurückfließt und Strom erzeugt.
Im Gegensatz dazu nutzt StEnSea den natürlichen Wasserdruck in der Tiefsee, um denselben Effekt zu erzielen – jedoch ohne die Notwendigkeit künstlicher Höhenunterschiede. Wenn überschüssiger Strom vorhanden ist, pumpt eine Unterwasser-Motorpumpe das Wasser aus der Betonkugel, wodurch ein leerer Raum entsteht, der als Energiespeicher dient.
Sobald Energie benötigt wird, strömt das Meerwasser aufgrund des enormen Drucks in 600 Metern Tiefe (rund 60 bar) zurück in die Kugel. Dabei treibt es die Pumpe als Turbine an, die mit einem Generator verbunden ist und Strom ins Netz zurückspeist. Mit einem Wirkungsgrad von 75 bis 80 Prozent erreicht das System fast die Effizienz von landbasierten Pumpspeicherkraftwerken, obwohl es größere Reibungsverluste aufgrund der Unterwasserumgebung gibt.
Ein entscheidender Vorteil des Tiefseespeichersystems ist seine Flexibilität: Es benötigt keine geografisch begrenzten Standorte mit großen Höhenunterschieden. Ein Speicherpark mit sechs Kugeln könnte 30 Megawatt Leistung und 120 Megawattstunden Kapazität bereitstellen, während die Kugeln eine Lebensdauer von 50 bis 60 Jahren haben.
Großes Potenzial für die globale Energiewende
Das übertrifft die Kapazität deutscher Pumpspeicherkraftwerke um ein Vielfaches. Besonders für Regionen mit Tiefseezugang könnte die Technologie eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung von Stromnetzen und der Nutzung erneuerbarer Energien spielen.
„Die Installation auf dem Meeresgrund reduziert mögliche Umweltauswirkungen und vermeidet Konflikte mit der Bevölkerung“, sagt Ernst. Darüber hinaus könnten die Speicher flexibel eingesetzt werden, etwa um Strom günstig einzukaufen und teurer zu verkaufen oder als Regelreserve zur Netzstabilisierung.
Der Prototypentest in Kalifornien wird zeigen, wie sich die Technologie unter realen Bedingungen bewährt. Gelingt der Durchbruch, könnten die Betonkugeln weltweit einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten.
Quellen:
- iee.fraunhofer.de/de/presse-infothek/Presse-Medien/2024/test-kugelspeicher-auf-meeresgrund-in-kalifornien
- Projektseite: „Forschungsprojekt StEnSEA“